Sie dürfte eine der schönsten und illustersten alten Bibliotheken des Landes sein – die ehrwürdige Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, mitten im Herzen der Klassikerstadt gelegen, am Platz der Demokratie, am Rand der Altstadt, und auch der Ilmpark ist nicht weit. Am 02. September jährte sich das Datum des verheerenden Brands in der Einrichtung, die als Teil der Klassikerstätten auch zum Weltkulturerbe in Weimar gehört, zum zwanzigsten Mal. Wohl jeder, der diesen Tag in der mittelthüringischen Kulturmetropole bewusst erlebt hat, vermag noch zu sagen, wo er sich befand, als die Kunde von der Katastrophe durch die Stadt ging. Mehr als 50.000 Bücher und andere teils unschätzbare Werte gingen dabei in Flammen auf, und die Restauration der geretteten Bücher hält bis heute an. Die Beschäftigung mit den Brandbüchern und den Aschebüchern ist eines der drei Segmente des Bibliotheken-Projekts von Hannes Möller, in dem er sich mit der Existenz und den Nutzungs- und Gebrauchsspuren von Büchern in Bibliotheken, die er treffend nach einem Wort von Alberto Manguel als „Kathedralen des Wissens“ beschreibt. Die anderen beiden Segmente seines Bildzyklus heißen Solitaire und Die verlorene Bibliothek, es geht also um das Herausgestellt- wie das Vergessensein. Seit 2007 arbeitet Möller an seinem Bibliotheken-Projekt. Dazu besucht(e) er Bibliotheken mit besonderen historischen Beständen in ganz Europa. Seine Reisen führten ihn unter anderem nach Oxford, St. Gallen, Leuven, Straßburg, Mainz, Weimar, Wolfenbüttel und Hildesheim. Am 06. September wurde nun eine umfassende Ausstellung mit Exponaten aus allen drei Werkteilen im Emslandmuseum in Sögel (Ort: Schloss Clemenswerth in 49751 Sögel) eröffnet„Es sind Beschädigungen wie Kratzer, Risse oder Brüche an den Einbänden, die – entstanden durch jahrhundertelange Nutzung – von einer oft wechselvollen Geschichte erzählen“, heißt es in der Einladung zur Schau. „Sie geben jedem dieser Fundstücke ihr einzigartiges Gesicht. Drei Projektteile hat Möller entwickelt: Solitaire, Die verlorene Bibliothek und Brandbücher | Aschebücher. In der Ausstellung präsentiert der Künstler einen Querschnitt. Eine spezielle Mixed-Media-Technik, basierend auf Aquarell, Gouache und partieller Höhung mit Farbstiften verleiht den Werken eine außergewöhnliche Plastizität …“ Ab dem heutigen Tag ist die Ausstellung, die beeindruckt und berührt, auch allgemein zugänglich. Das Emslandmuseum Schloss Clemenswerth hat täglich von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17.30 Uhr geöffnet, auch an den Feiertagen, der Eintritt beträgt 7 (ermäßigt 3) Euro. Das Haus wird auch als „Stern des Emslands“ bezeichnet. In Verbindung mit der das Herze eines jedes, der in Bücher vernarrt ist, umtreibenden Ausstellung von Hannes Möllers Bibliotheks-Projekt sicher einer der schönsten und zugleich bewegendsten Spätsommertipps für das westliche Niedersachsen. Abschließend sei der Künstler selbst, Hannes Möller, zitiert: „Meine Bücher kann man nicht in die Hand nehmen, nicht öffnen und schon gar nicht lesen. So bewahren sie ihr Geheimnis. Doch man kann sich ihnen zuwenden, sie anschauen. Sie erwidern den Betrachterblick wie ein Portrait, dessen Blick dem Gegenüber folgt. Meine Gemälde sind Portraits von Büchern. Wie jedes menschliche Gesicht ist auch jedes Buch einzigartig. Jedes mit eigenem Inhalt, Charakter und eigener Geschichte. Einige Bücher überstanden ihre Vergangenheit unbeschadet, zahlreiche trugen Verletzungen davon, einzelne sind verbunden, manche gebrochen. Ins Innere aber kann niemand vordringen ... Nur gelegentlich gibt eine Signatur Hinweis auf Verborgenes.“ Ein Mix aus Bibliophilie und Geheimnis. Sicherlich eine der Ausstellungen des Jahres, im Blick auf die Weimarer Jährung der Tragödie zumal.
(André Schinkel/Pressemitteilung)