Nun ist das Licht im Steigen,
Es geht ins neue Jahr.
Lass deinen Mut nicht neigen,
Es bleibt nicht, wie es war.
So schwer zu sein, ist eigen
Im Anfang immerdar,
Am Ende wird sich’s zeigen,
Wozu das Ganze war.
Nicht zage gleich dem Feigen
Und klag’ in der Gefahr!
Schwing auf zum Sonnenreigen
Dich schweigend wie der Aar!
Und wenn du kannst nicht schweigen,
So klage schön und klar!
Auch das neue Jahr 2024 soll mit den Versen der Großen begrüßt sein, gedankenvoll und doch auch voller Kraft wie in dem gereimten Hoch-Parlando Friedrich Rückerts (1788–1866), der unter den bedeutenden Stimmen seiner Epoche eine der vielfältigsten und nach wie vor unter Wert gehandelten sein dürfte. Von Rückert lernen hieße auch: Offenheit und Toleranz zu üben – wie nur wenige Dichter unserer Sprache hat er sich für die Weltsprache Dichtung stark gemacht, dabei alle Strömungen, Kulturen und Sprachen achtend, beherzigend und zugänglich machend. Ohne ihn hätte der deutschsprachige Leser keine Ahnung vom Glanz der orientalischen Ghaselen- oder der indischen Brahmanen-Dichtung. Mehr denn je werden die Stimmen gebraucht, auch in einem Jahr, von dem noch keiner erahnt, wie es verläuft – und ob es in ihm den Menschen denn möglich sein wird, die Vernunft wiederzuerwecken. Ohne die Vernunft wird es düster im Jahrhundert.
Ein schweres Jahr liegt hinter uns, und es verfolgt uns bis in die Kunst, wie es etwa der neueste FISAE-Newsletter von Klaus Rödel zeigt – viele der dort gezeigten P. F.-Exlibris sprechen über die Weltlage mit Ernst oder Ingrimm, gerade im Angesicht der als friedliche Zeit postulierten Fest-, der Weihnachts- und Jahreswechseltage. Es drückt sich darin Verzweiflung und dunkle Verwunderung ob der dringenden Reparaturbedürftigkeit des Menschenwesens und seines unseligen Drangs, die Därme seines Nachbarn über den Zaun hängen zu wollen, aus. Und die guten Wünsche gehen damit einher, dass man es nicht aufgeben will, an Hoffnung und Besinnung zu glauben. So sei es denn in die Augen geschabt und, wenn es nicht anders geht, auch in die Ohren gebrüllt. Ob es nützt, wird sich zeigen. Angesichts des Gros an Seelen, die würdig leben wollen, sollte es machbar sein ...
Gleichsam erreichen die Mitglieder der Pirckheimer-Gesellschaft und auch die Blog-Redaktion von allen Seiten grafische und textliche Grüße und Wünsche zum Neuen Jahr: Dass unausgesetzt die Hoffnung besteht, dass es ein gelingendes, beglückendes sei. Und was ist der Mensch ohne die Hoffnung. Zumal die Künste den möglichen und eintreffenden Glanz neben dem Abgrund zeigen und zeigen. Das ist letztlich seit der Höhlenmalerei so. Und die neuesten Forschungen zeigen, dass nicht nur der eiszeitliche Jetztmensch, der wir sind, die Kunst kannte, sondern auch sein Bruder, der Neandertaler. Welch Belehrung über den Unsinn von Aggression, Überheblichkeit und Intoleranz aus den Tiefen der Zeit! Wie sollte man es nicht wieder und wieder mit Menschenliebe versuchen.
Verteilet euch nach allen Regionen
Von diesem heilgen Schmaus!
Begeistert reißt euch durch die nächsten Zonen
Ins All und füllt es aus!
Schon schwebet ihr in ungemeßnen Fernen
Den selgen Göttertraum,
Und leuchtet neu, gesellig, unter Sternen
Im lichtbesäten Raum.
Dann treibt ihr euch, gewaltige Kometen,
Ins Weit und Weitr hinan;
Das Labyrinth der Sonnen und Planeten
Durchschneidet eure Bahn.
Ihr greifet rasch nach umgeformten Erden
Und wirket schöpfrisch jung,
Daß sie belebt und stets belebter werden
Im abgemeßnen Schwung.
Und kreisend führt ihr in bewegten Lüften
Den wandelbaren Flor
Und schreibt dem Stein in allen seinen Grüften
Die festen Formen vor.
Nun alles sich mit göttlichem Erkühnen
Zu übertreffen strebt;
Das Wasser will, das unfruchtbare, grünen,
Und jedes Stäubchen lebt.
Und so verdrängt mit liebevollem Streiten
Der feuchten Qualme Nacht;
Nun glühen schon des Paradieses Weiten
In überbunter Pracht.
Wie regt sich bald, ein holdes Licht zu schauen,
Gestaltenreiche Schar,
Und ihr erstaunt, auf den beglückten Auen,
Nun als das erste Paar,
Und bald verlischt ein unbegrenztes Streben
Im selgen Wechselblick.
Und so empfangt mit Dank das schönste Leben
Vom All ins All zurück.
Mit diesen (sic!) Weltseele-Versen von Johann Wolfgang Goethe (1749–1832), dessen Geburtstag 2024 eine denkwürdige Halbrundung begeht, sei ein gutes und glückliches Jahr gewünscht – in der Aussicht, dass es sich doch noch fügt mit den schönen und vernünftigen Dingen. Es grüßen im Bilderteil Frank Eißner, Constanze Kreiser, Mattias Frohl und Matthias Gubig. Bei Einkunft weiterer Grüße wird nochmal eine Auswahl getroffen. Dona. Nobis. Pacem ... Es nützt doch nüscht.
(André Schinkel)