Nun ist das Licht im Steigen,
Es geht ins neue Jahr.
Lass deinen Mut nicht neigen,
Es bleibt nicht, wie es war.
So schwer zu sein, ist eigen
Im Anfang immerdar,
Am Ende wird sich’s zeigen,
Wozu das Ganze war.
Nicht zage gleich dem Feigen
Und klag’ in der Gefahr!
Schwing auf zum Sonnenreigen
Dich schweigend wie der Aar!
Und wenn du kannst nicht schweigen,
So klage schön und klar!
Friedrich Rückert (1788–1866)
Am Ende eines solchen Jahres tun die Grüße der Kunst- und Gleichgesinnten gut. Mögen sie doch eine Ermutigung und ein Ansporn sein, sich wieder und wieder in Hoffnung und Weitblick zu fassen, in der leisen Aussicht, 2023 möge ein friedlicheres und ein gutes Jahr für die Kunst und die fortgesetzte Freude am Buch sein. Bekanntlich blüht das Wachsende und Beschauliche im Frieden am besten. Schon die großen Dichter von F. G. Klopstock über Hölderlin bis hin zu Karl Mickel sangen so eine jeweilige Friedens-(oder Frühlings-)feier. Und nicht zuletzt sind die Hingabe selbst und auch die Leidenschaft so paradiesische wie irdische Künste zugleich.
Und ist es nicht so, wie es einstmal Friedrich Rückert, einer der wohl meistunterschätzten Dichter deutscher Sprache, in seinem aus lediglich zwei Reimen bestehenden, wunderbar ghaselenartigen Neujahrs-Text beschreibt: „Nun ist das Licht im Steigen, / Es geht ins neue Jahr. / Lass deinen Mut nicht neigen, / Es bleibt nicht, wie es war.“ Das hat viel Wahrheit in sich, auch Ermutigung und Ermahnung zum Bei-Sinnen-Sein und -Bleiben. Und ist vielleicht ein Ausblick in eine Zeit, in der die Maßgaben der im besten Sinne Aufklärung wieder ihre Bedeutung erlangen: als Teil der Conditio humana. Und die Klage der Künstler nicht auch ein Weg, die Welt auszubessern?
Was bleibt also zu wünschen im Verstreichen eines Jahrs, das nicht als Sternstunde der Aufklärung und Nähe zwischen den Menschen in die Annalen eingehen wird? Viele Zumutungen der Jetzt-Zeit sind neu und zugleich uralt ... sie entspringen dem Gegenspiel dessen, woher Menschenliebe und Kunst stammen. Ein neues Jahr trägt zugleich die Hoffnung in sich, dass im Beginnen ein Aufbruch möglich ist. Das ist auch der Tenor der Grüße und guten Wünsche, die die Pirckheimer-Gesellschaft erreichen: eine lichtvolle Ambivalenz, die sich in neue Aussicht und eben Hoffnung fasst.
Erzeuge mit Gedankenblitzen
– zu Ost und West in Symmetrie –
und ohne Dich zu überhitzen
erneuerbare Energie
So kommt es als geschnittener Gruß/Wunsch von Matthias Gubig aus Berlin. Und Constanze Kreiser gibt ihrem Blatt aus einem Gewirr aus Linien und Lücken Folgendes mit: „2022 als ein verwirrendes Netz aus Linien, Höhen und Tiefen, die sich als plötzliche Löcher entpuppten: möge 2023 für alle mehr Klarheit und Übersicht bringen!“ Aus Brandenburg (Havel) schreibt Matthias Frohl: „Lieber André Schinkel, Jahreswechsel – Zeit zum Orakeln – noch ist das neue Jahr ein fernes Rauschen. Wie sind die Zeichen zu deuten? In der Hoffnung, dass die ankündigenden Signale auf ein friedvolles 2023 verweisen, wünsche ich Ihnen und allen Pirckheimern alles Gute für die kommenden Monate.“ Allen Grüßen sei mit Altmeister Goethe geantwortet und gedankt:
Zwischen dem Alten,
Zwischen dem Neuen
Hier uns zu freuen,
Schenkt uns das Glück,
Und das Vergangne
Heißt mit Vertrauen
Vorwärts zu schauen,
Schauen zurück.
Am Ende von Zum neuen Jahr heißt es:
So wie im Tanze
Bald sich verschwindet,
Wieder sich findet
Liebendes Paar;
So durch des Lebens
Wirrende Beugung
Führe die Neigung
Uns in das Jahr.
So sei es. Zum Schluss in eigener Sache: Großen Dank an meine Redaktionskolleginnen für den Blog, die Mitglieder von Vorstand und Gesellschaft, die mir seit der Übernahme der Blogleitung im Juli zuarbeiteten und so die anstehenden Aufgaben auch zum Vergnügen werden ließen. Sich mit Buchkunst, Bibliophilie und Grafik zu befassen ist die Passion, die uns alle verbindet. Dafür soll auch 2023 das Glück und die Freude nicht nachlassen, sind sie doch auch Ausdruck des Humanen und des Willens zum Austausch. Mit den besten Wünschen für alle: Auf ein Neues!
(André Schinkel)