Große Betroffenheit löst die folgende Nachricht bei jedem Freund der guten Literaturzeitschrift, der Literatur, der Lyrik wie der Liebe zum schönen Buch aus: der Kulturwissenschaftler, Redakteur, Autor und Herausgeber Jürgen Engler, vor allem bekannt für seine langjährige Leitung eines der beiden maßgeblichen Literaturjournale im Osten von Deutschland, neue deutsche literatur (ndl), ist tot. Der gebürtige Dresdner, der in Leipzig studierte und promovierte, starb am 30.10. 78-jährig in Berlin; seine letzte Veröffentlichung, die Lyrische Menschenkunde, in der Anderen Bibliothek in diesem Jahr erschienen, ist somit zu seinem Vermächtnis geworden. Das Buch wurde im jüngsten Heft der Marginalien, denen Jürgen Engler als Kritiker, Essayist und stille Instanz für die vor allem lyrischen Ausgaben der Typografischen Beilage eng verbunden war, inhaltlich wie auch auf seine bibliophile Gestaltung hin besprochen. Von 1972 an, nach seiner Promotion, war Jürgen Engler als Redakteur unter anderem für die Weltbühne sowie die zweite große Literaturzeitschrift auf dem Gebiet der (ehemaligen) DDR, die Sinn und Form, tätig, nach der Wende auch verstärkt als Autor, Rezensent und Herausgeber. Von 1995 bis zu ihrer Einstellung 2004 leitete er die Redaktion der ndl. Die Titel vieler von ihm bei Aufbau herausgegebener Gedicht-Anthologien sprechen von seiner tiefen, innigen Liebe für die Gattung: Und in der Nacht ein Licht (Trostgedichte), In den sonnigen Beeten (Gartenlyrik), So knallvergnügt (Über das Glück), O süßes Nichtstun (Lob der Faulheit) ... Die literarische Welt verliert in dem Mann einen Freund der Dichter und großen Büchernarren.
(André Schinkel)