Pirckheimer-Blog

Bibliophiles des Monats

So, 16.11.2025

book art center Halle und Dichterkreis Halle: 2 x 17 Arbeiten in Text und Bild finden sich im ganz neuen b.a.c.H.-Taschenkalender 2026. Es ist dies die erste Zusammenarbeit beider Künstler:innen-Kollektive. Der Kalender wurde 500-mal gedruckt und kostet 29 Euro. Er wurde am 03.11.25 erstmals präsentiert.

book art center Halle: Kalender

1991 gründeten Studierende der Germanistik den dritten Halleschen Dichterkreis, eine offene Runde von Autor:innen, die sich regelmäßig trifft, um ihre jeweils aktuellen, noch unfertigen Texte zur Diskussion zu stellen. Dank der Arbeit in dieser Runde ist schon eine beachtliche Zahl an Gedichtbänden, Erzählbänden und Romanen auf den Weg gebracht worden ... Seit 2014 gibt es das Künstler:innenkollektiv book art center Halle, kurz b.a.c.H. Es veröffentlicht unter anderem seit 2015 einen Taschenkalender, der jedes Jahr aufs Neue unter einem bestimmten Motto 12 bis 14 Künstler:innen mit ihren Arbeiten vereint. Die Künstlerinnen des b.a.c.H. haben überwiegend an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle studiert. Neben den eingestreuten Illustrationen bietet der Kalender im Taschenbuchformat in der Wochenübersicht reichlich Platz für Notizen, eine Sammeltasche bewahrt wichtiges Kleinod. Nun – für das Jahr 2026 – haben sich das book art center Halle und der Hallesche Dichterkreis zusammengefunden, um den Kalender für das kommende Jahr gemeinsam zu gestalten. Diese Kooperation symbolisiert das große &-Zeichen als leuchtenden Iris-Siebdruck auf dem blau melierten Leinenumschlag. So feiern wir auch 2026 als Jahr der fruchtbaren Zusammen­arbeit – denn ein bisschen mehr Wir ist für alle gut, oder? Der b.a.c.H.-Taschenkalender 2026, der am 03.11. im Rahmen des Wir-Festivals seine Premiere feierte, kostet 29 Euro, die Auflage ist limitiert auf 500 Exemplare. Er kann via Mail: post@bookartcenterhalle.de, bestellt werden.

(Petra Reichenbach/Pressemitteilung)

Mi, 08.10.2025

Das neueste Projekt (Auflage: 24) der "augen:falter" ehrt die jung verstorbene Autorin Marie T. Martin.

„Kennen wir uns nicht?“ – neues Projekt der augen:falterinnen

Über die augen:falter, eine Künstlerinnnen-Gruppe aus Leipzig, wurde an dieser Stelle wie auch in der Zeitschrift der Pirckheimer, den Marginalien, wiederholt berichtet, einerseits im Porträt wie auch in der Begleitung und Rezension ihrer Projekte. Dem Künstlerkollektiv mit Leidenschaft für originalgrafische Techniken, das im Jahr 2008 in Leipzig gegründet wurde, gehören aktuell Nadine Respondek und Julia Penndorf, Petra Schuppenhauer und Katja Zwirnmann sowie Urte von Maltzahn-Lietz und Franziska Neubert an. Die sechs Künstlerinnen arbeiten gemeinsam an Publikationen im Bereich der Druckgrafik, präsentieren sich gemeinsam oder in Gruppen auf Messen und in Ausstellungen. So entstanden nahezu jedes Jahr gemeinsame Editionen. Einer der Höhepunkte dürfte die Zusammenarbeit mit Ingo Schulze gewesen sein: Mit Einübung in Paradies gelangten sie auf die Shortlist der Schönsten deutschen Bücher 2016 der Stiftung Buchkunst. Und auch für eine Ausgabe der Marginalien (Heft 247) steuerten sie eine Serie Linolschnitte für die Originalgrafische Beilage bei. Ihr allerneuestes gemeinschaftliches Projekt heißt Kennen wir uns nicht? und bezieht sich auf ausgewählte Gedichte und Kurzprosatexte von Marie T. Martin (1982–2021). Julia Penndorf schreibt dazu: „Die Texte durften wir dem Band Marie T. Martin: Der Winter dauerte 24 Jahre. Werke und Nachlass (Verlag poetenladen, 2024) entnehmen.“ Und weiter heißt es: „Im Mai diesen Jahres haben wir die Grafiken zu Gedichten und Kurzprosa von Marie T. Martin gedruckt. Mittlerweile hat Katja Zwirnmann die Bücher (Auflage: 24) gebunden. Es fehlt nur noch der Schuber, dann wird alles voraussichtlich Anfang November fertig sein ...“ Und: Jede der sechs Künstlerinnen steuerte zu Kennen wir uns nicht? zwei Linolschnitte bei, je einen farbigen und einen in Schwarzweiß. Die fertigen Blätter heißen jeweils: Katja Zwirnmann Eiszeit und Steinzeit, Urte von Maltzahn-Lietz gewächshaus und queen of night – weiterhin Franziska Neubert Lost und Found, Petra Schuppenhauer Wisperzimmer I und Wisperzimmer II und Julia Penndorf Hotel und Entfernung sowie schließlich Nadine Respondek Neueröffnung und Meine Familie ... Alle 12 Blätter wurden gedruckt von den Künstlerinnen im Atelier carpe plumbum von Thomas Siemon. Im Format von 50 x 70 cm handelt es sich zudem um recht große Grafiken. Auf der Webseite der augen:falter können alle Linolschnitte des Projekts in Augenschein genommen werden. Über diese Seite besteht auch bei Interesse die Möglichkeit der Kontaktaufnahme sowohl zur Gruppe als auch zu den einzelnen Grafikerinnen. Tolle Sache, und eine Ehrung der viel zu früh gestorbenen Autorin.

(André Schinkel)

Di, 16.09.2025

"Das große runde rote Dings hüpft" ist der 47. Druck der Edition Einstein – in der Buchreihe "Das andere Kinderbuch" erscheinen feine Künstlerbilderbücher.

Neu in der Edition Einstein: „Das große runde rote Dings hüpft“

Neues von der Edition Einstein von Hans Witte (Edition Einstein, Galerie für Buchdruckkunst, Deitlevsen 01, 31860 Emmerthal in Niedersachsen): „Liebe Freunde und Freundinnen der Edition Einstein, hier kommt eine wichtige Information! Der neue Band Nr. 47 meiner Reihe Das andere Kinderbuch erscheint in der ersten Oktoberhälfte. Darin zeigt das große runde rote Dings zehn Kunststücke in einer Auflage von 15 handgedruckten Exemplaren.“ Die Edition Einstein wurde 1989 als Handpressen-Verlag von dem Buchkünstler, der in ihm mit Hilfe einer Andruck-Presse aus den fünfziger Jahren, einem umfassenden und immer noch wachsenden Bestand alter und moderner Blei- und Holzschriften sowie Bild-Klischees und einer gleichsam wachsenden Lust am Herstellen von Druckwerken arbeitet, gegründet. Die Buchreihe Das andere Kinderbuch ist ein wesentlicher Schwerpunkt bibliophilen Verlagsarbeit Hans Wittes. Er schreibt dazu: „Damit gehören wir weltweit zu dem sehr kleinen Kreis von Editionen, die regelmäßig Künstlerbilderbücher publizieren. Etwa die Hälfte unserer Ausgaben werden noch in der historischen Manier des Johannes Gutenberg Blatt für Blatt auf der Handpresse erstellt. Inhaltlich finden sich in dieser Reihe sowohl die klassischen Themen wie Struwwelpeter, ABC, Rattenfänger von Hameln oder Märchen, aber auch ganz freie, kreative und experimentelle Formen. Stilistisch sind diese Ausgaben vor allem geprägt von der Collage und von typographischen Elementen.“ 2025 erschienen bereits: Das Buch voller Vehler (vier Andrucke), und: ABC für liederliche Kinder (zehn Bögen). Alle Infos dazu hier. 

(André Schinkel /Pressemitteilung)

Mo, 14.07.2025

Bibliophiles des Monats II: das neue Buch von Klaus Waschk, "Övelgönne" – verlegt bei Angeli & Engel.

„Zeichnungen gegen den Strich“ – Klaus Waschks ‚Övelgönne‘-Buch

Es ist die sechste Edition im kleinen, aber hochfeinen Programm von Angeli & Engel, dem Hamburger Verlag, den die im hanseatischen Norden beheimateten Pirckheimer-Freunde Rudolf Angeli und Peter Engel seit 2022 betreiben ... und nach Liebe, Lied & Untergang von 2024 schon das dritte Waschk-Buch in dessen Programm. In Övelgönne präsentiert Klaus Waschk, wie es im Untertitel heißt, Zeichnungen gegen den Strich, die den Stadtteil der Metropole am Elbstrand so einfangen, wie es dem Künstler ganz offenbar am liebsten ist: „Hinter Hecke und Rosen geschützt zu sitzen, zu betrachten, was so aufläuft, geschieht, vorbeizieht, das stelle ich mir als das Paradies des Zeichners vor: immer kritzeln zu können, wenn man mag, nicht bemerkt zu werden, wenn man es nicht will – und die Merkwürdigkeiten oder gar Absonderlichkeiten des menschlichen Verhaltens aus der Nahdistanz wahr- und ernstnehmen und aufzeichnen zu können.“ So beschreibt es Jürgen Bönig, viele Jahre Leiter der Abteilung Grafisches Gewerbe im Museum der Arbeit in Hamburg, der auch das Vorwort des Övelgönne-Buchs schrieb. Hört sich gut an, ist aber bei weitem nicht nur idyllisch: „Aber es darf daran gezweifelt werden, dass ihm immer alles so gefällt, was da vorbeizieht, so, wie er es zeichnet. Da geht es nicht andauernd gemütlich zu zwischen den Menschen, die er mit Bleistift umstrichelt, in Beziehung setzt zu anderen, bisweilen mit Farbstift überhöht, etwas merkwürdig bis grotesk verzogen … so wie er als Zeichner sich selbst oft mittenmang selbstironisch einbezieht.“ Waschk at it’s best. Die gesamte Auflage von 144 Stück ist signiert, 55 Exemplaren ist als Vorzugsausgabe eine originale Pastellzeichnung des Künstlers beigelegt. Die Standardausgabe schlägt mit 38, die exclusive mit 98 Euro zu Buche. Format: 21 x 29,7 cm. ISBN: 978-3-98249-803-4. Gestaltet wurde das Buch von Heiko Müller und Jürgen Meyer. Kaufinteresse? Man beeile sich.

(André Schinkel)

Sa, 12.07.2025

Das Bibliophile des Monats I: "Seumes Weg" von Eric Pawlitzky, erschienen beim Lunik-Verlag in Berlin.

Eric Pawlitzky: Auf „Seumes Weg“

Seumes Weg – eine Lockung seit 220 Jahren. Als der aus Poserna bei Lützen gebürtige Kursachse Johann Gottfried Seume (1763–1810) im Jahr 1803, inmitten eines hart von Kriegen zerklüfteten Europa, mit seinem Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 reüssierte und so zur Ikone wurde, war damit zugleich die Sehnsucht nach einem friedlichen wie einigen Kontinent ausgedrückt. Bis heute ist der Gang Seumes durch seine Zeit Ausdruck dieses Desirs geblieben, sei es bei F. C. Delius etwa, Klaus Müller oder eben via Eric Pawlitzky, Fotograf und Autor aus Berlin, der sich 2022 eben auf jenen Weg machte und nun seine Dokumentation dieser Reise in lyrischen Miniaturen je auf der geraden und atmosphärischen Fotografien auf der ungeraden Seite von Seumes Weg vorlegt. Es sind dies Stills auf dem Gang durch einen Erdstrich, der bis vor kurzem geeint schien und sich nun, im Nachgang von Pawlitzkys Reise per pedes nur schwer wieder berappelt, ungewiss dessen, was kommt. Von Grimma nach Syrakus wanderte Pawlitzky auf der Spur Seumes jene klassischen 2.160 Kilometer, die auch sein Vorgänger unter die Füße nahm. Diese Form des langsamen Reisens zeugte eben die überaus reizvolle Melange aus Text und Bild im vorliegenden, querschmal in graues Leinen gefassten Opus, das sich auch gestalterisch als eine Art Tagebuch darbietet: hinter den Texten in Perlschrift schimmern noch faksimileartig handschriftliche Schatten hervor – auch die herrlichen Breitwandfotografien sind in kleinerer Perlschrift untertitelt, verzeichnen Ort, Land, Datum und die Zahl der zurückgelegten Kilometer. Auf den Ort, den Tag, die Situation wiederum reagieren die die Bilder begleitenden Gedichtnotate: „Falls ich heimkomm’, / hab’ ich was zu sagen. // Glaubt mir“, heißt es etwa auf Kilometer 2.146, auf der Via Appia in der klassischen Großlandschaft Latium. Durch fünf europäische Staaten geht die Reise, abseits des Wegs zuweilen und doch mittendrin. Und schafft ein Abbild Europas, wie es heute ist, auf der Spur des großen Vorausgängers. Erschienen ist der 200-Seiter bei Lunik in Berlin, durch einen beidseits offenen Schuber geschützt, und für 38 Euro ist das Kleinod zu haben. Und es erzählt von der Leidenschaft eines Künstlers und Wanderers dieser Zeit, der auf eine ganz eigene Weise auf die diffizilen Gebresten der Gegenwart eingeht. Ein schönes und berührendes, ja, ein zugleich hochaufregendes Buch. (Eric Pawlitzky: Seumes Weg. Fotografien und Texte, Berlin: Verlag Lunik 2025, Leineneinband im beidseitig offenen Schuber, 200 Seiten mit 95 farbigen Fotografien u. 95 vorangestellten Texten, ISBN 978-3-98223-854-8, 38 Euro.) 

(André Schinkel)

Mo, 16.12.2024

Lutz Rathenows "Früher ist morgen" erschien nun in der Gestaltung von Katja Zwirnmann bei Ralf Liebe.

Bibliophiles des Monats: „Früher ist morgen“ von Lutz Rathenow

„Jemand bewegt sich als Dichter durch Innen- und Außenwelten. Er baut ein Labyrinth aus lauter Ausgängen. Das in einem Buch als Gesamtkunstwerk.“ So kündigt der Weilerswister Verlag Ralf Liebe ein hochambitioniertes Buch an, ein Feature des Dichters und Erzählers Lutz Rathenow mit der Leipziger Buchkünstlerin Katja Zwirnmann, das kraft seiner Umsetzung eine bibliophile Wucht im quasi regulären Verlagsbereich und zu allem auch noch für seine Vielzahl enthaltener Drucke äußerst preiswert (Hardcover, Leineneinband, eine Top-Gestaltung und zehn Holzschnitte sind hier für 25 Euro zu haben) in die Welt geht. Grundlage von Früher ist morgen ist die feinherbe Kompilation von 111 Gedichten Lutz Rathenows, die de facto sein ganzes literarisches wie wirkliches Leben überspannen – elegische, memoriale, streitbare oder schlicht das Herz anfassende Texte, die, teils wiedergefunden und weitergeschrieben, teils frischeste Ware aus den hiesigen hochbewegten Jahren sind. Dabei ist das seinerseits stets bewegte Leben dieses Mannes, der in Jena geboren wurde und in Berlin lebt, selbst literarisch. Und Früher ist morgen gewissermaßen die Fortsetzung seines ausgewählten Erzählbands Trotzig lächeln und das Weltall streicheln von 2022 ... nun eben in Lyrik. Kongenial die Arbeit (und nicht zuletzt Verarbeitung) durch die augen:falterin Katja Zwirnmann, die auch an den Bindearbeiten beteiligt war und zwischen den innigen, tiefen wie streitbaren Texten Rathenows stille und statische Akzente setzt. Das Buch, das in einer Auflage von 1.000 Exemplaren erschien, ist unter diesem Link beim Verlag erhältlich. Die Exemplare sind im Übrigen noch zärtlich in einen Andruck des Bandes gehüllt, auf der Vorderseite mit einem handnummerierten Titelschild verziert, dessen Zahl sich im Impressum innen via Stempel wiederholt. Was für ein schönes Buch.

(André Schinkel)

Mo, 21.10.2024

"Nacht am Gebirgssee" (Lyrische Blätter X), Text von Stefan Zweig, Grafik: Klaus Raasch, Umschlag: Gerit Depping, edition sonblom 2024, Auflage: 30 numm. Exemplare: Das "Bibliophile des Monats" im Oktober.

Zweigs „Nacht am Gebirgssee“

Leise zieht mein Boot in blassen Wellen,

Die den Sternenreigen funkelnd spiegeln, 

Breite, duftumhüllte Silberquellen 

Rinnen von den mondbeglänzten Hügeln. 

 

Und der Nebel sinkt in faltenschweren 

Lichtgewanden müde um die Bäume, 

Dunkeltrotzig starren rings die Föhren 

Wie versteinte, sorgendüstre Träume. 

 

Und von wildzerzackten Felsenwänden 

Schwebt die Nacht behutsam durch die Stille 

Und sät Frieden aus mit leisen Händen … 

Lautlos zieht die blanke, schwanke Zille. 

 

Lautlos schmiegen sich die weichen, feuchten 

Bergseefluten an die helle Planke … 

Tiefe Ruh … Nur fern ein Wetterleuchten 

Wie ein wachgewordener Gedanke …

 

Stefan Zweigs (1881–1942) Gedicht erschien soeben als zehnte Ausgabe der Lyrischen Blätter in der Münsteraner edition sonblom mit einem Farbholzschnitt von Klaus Raasch. Das Kleinod, das die Herzen der Lyrik- wie auch der bibliophilen Freunde gleichermaßen höherschlagen lässt, ist in einer Zahl von 30 Exemplaren aufgelegt worden. Zu haben ist es für 130 (im Abo 110) Euro.

 

(André Schinkel)

Sa, 21.09.2024

"W. Pirckheimer": Was für ein schönes Miniaturbuch!

Minibuch „Willibald Pirckheimer“

Das Bibliophile des Monats ist ein Buch, das sich dem Nürnberger Ratsherr, Humanist, Freund des Künstler-Giganten Albrecht Dürer (1471–1528) und endlich Namensgeber unserer Gesellschaft, Willibald Pirckheimer (1470–1530), widmet. Bereits am 12. September konnten die Mitglieder der Berliner Gruppe der Gesellschaft dieses Buch bei ihrer Veranstaltung bestaunen. Das kleine und selbsthergestellte Meisterwerk konnte denn dann auch auf dem 51. Jahrestreffen der Pirckheimer in Magdeburg vom 13. bis zum 15.09. bewundert, begutachtet und natürlich auch erworben werden.

Das Büchlein vermittelt Einblicke in die Zeit, Denk- und Lebensweise des Willibald Pirckheimer, in die Zeit am Ende des fünfzehnten und am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts. Neben seiner Biographie werden auch seine Vorfahren, Geschwister sowie Nachkommen benannt und ihre Lebenswege aufgezeigt. Die Leistung von Willibald Pirckheimer besteht darin, die Bildung und das Bildungsbedürfnis seiner Zeit in sich zu verkörpern. Er verkehrte brieflich mit Martin Luther, war bis zum Tod Dürers mit diesem befreundet und für seine Ära genau so bedeutsam wie die beiden anderen. Das 148-seitige Kleinod ist für 45 Euro (via Mail: heike.haedicke@yahoo.de) zu haben.

Willibald Pirckheimer, Miniaturbuch, in blaues Leder gebunden, mit einer Metallplakette mit dem Bildnis von Willibald Pirckheimer; gefertigt von Heike Haedicke, Buchblock: 50 x 70 mm, 148 pag. Seiten, Lesebändchen, Buchblock: hellblau, Auflage: 50 nummerierte Exemplare, Preis: 45 Euro.

(Heike und Udo Haedicke/Robert Grieger)

Di, 02.07.2024

Friedrich Gottlieb Klopstocks "Der Messias" (1749).

Auf Flügeln des Gesangs: FGK 300

Mitten in dieser Versammlung der Sonnen erhebt sich der Himmel,
Rund, unermeßlich, das Urbild der Welten, die Fülle
Aller sichtbaren Schönheit, die sich, gleich flüchtigen Bächen,
Um ihn, durch den unendlichen Raum nachahmend, ergiesset.
Also dreht er sich, unter dem Ewigen, um sich selber.

Indem er wandelt, ertönen von ihm, auf Flügeln der Winde,
An die Gestade der Sonnen die sphärischen Harmonien
Hoch hinüber. Die Lieder der göttlichen Harfenspieler
Schallen mit Macht, wie beseelend, darein. Dieß vereinbarte Tönen
Führt vorm unsterblichen Hörer manch hohes Loblied vorüber.

Was für ein Auftakt, der sich in diesem ersten Gesang von Klopstocks Messias aus dem Lodern der Empfindsamkeit in die erhabene Größe der Aufklärung biegt! Nun, und man vermag es kaum zu fassen, dass dieses Epos um Christus zu den ungelesensten Texten der Weltliteratur zählt. Nun, es spricht nicht mehr mit unseren Lese- und, in dieser Zeit des Bröselns, Sichtgewohnheiten ... aber es ist auch wahr: Mit Klopstock beginnt alles. Ohne seine versfußbefreiende Vorarbeit, ohne die angenommene Würde des freien Schreibers und Sprechers wären die literarischen Großepochen der Klassik und Romantik, die bis heute nachwirken, nicht denkbar. Goethe und Schiller, Hölderlin und Novalis. Und: Bobrowski. Bis heute gibt es Ausgaben FGKs aus originaler Zeit zu erwerben. Vielleicht ist ein kleiner Wettbewerb anzudenken, wer das schönste, zaubrigste Exemplar einer alten Klopstock-Ausgabe auftreibt. Anlass, sich mit ihm zu befassen, ihn mit einem sanften Platz in seiner Sammlung zu würdigen. Am 02.07. vor 300 Jahren wurde Friedrich Gottlieb Klopstock geboren.

(André Schinkel)

Di, 30.04.2024

Die Büchergilde hat "Die Verwandlung" mit vielen kongenialen Blättern Rosy Lilienfelds anlässlich des 100. Todestags Franz Kafkas aufgelegt. Das Resultat ist nichts weniger als eine bibliophile Entdeckung. Die Kohlezeichnungen der Künstlerin, die Vertreterin einer "verschollenen Generation" ist und die 1942 in Auschwitz ermordet wurde, werden hier erstmals vorgelegt. Sie ergänzen den Kafka-Plot frappierend.

Bibliophiles dieses Monats: „Die Verwandlung“ von Franz Kafka

Caminante, son tus huellas / el camino, y nada más … (Machado)

Kafka und kein Ende: Wenn dem vor hundert Jahren im Alter von nur vierzig Jahren Gestorbenen nur der Hauch, ein Krümchen seines Ruhms zu Lebzeiten, wie er ihn (und auch noch gegen seinen Letzten Willen) im Tode traf, erreicht hätte, er hätte sich, Enttäuschung gewohnt, wohl gewundert und vielleicht auch verwahrt. Es ist aber so – Franz Kafkas (1883–1924) Werk ist zum Inbegriff der Verwerfungen des letzten (und wohl auch dieses) Jahrhunderts geworden. Die Verwandlung scheint da, neben den drei fragmentarisch gebliebenen Romanen Kafkas, ein Emblem dieses Erzählers geblieben zu sein; angesichts der großen Weitläufigkeit seines Werks, seiner Meisterschaft auch und vor allem in den kleinen Formen stellen sie letztlich nur das obere Pyramidion seines Wirkens dar.

Dass es so ist, verwundert indes nicht. Mit Das Urteil (1913) und In der Strafkolonie (1919) bildet Die Verwandlung, die 1915 erschien, eine exemplarische Novellen-Trilogie, die das Doppelthema der Unüberwindbarkeit von Instanzen, seien es Väter oder Vorgesetzte und das, was sein Nachgänger Wolfgang Koeppen (1906–1996) später mit dem elementaren Verdiktum „Wir sind von Anbeginn verurteilt“ (so in Jugend von 1976) treffend und schneidend beschrieb, mustergültig vor. Der Plot, in dem vom ersten Satz an das Verhängnis seine (sic!) Fühler ausstreckt, ist Signet und Vademecum einer der Blüten der Literatur der Moderne geworden, hinter dem sich jeweils ein Kosmos eröffnet, der die Gebresten der Existenz aufs Korn und mit buchhalterisch-advokatischer Akkuratesse wie kühler Anteilnahme in den Blick nimmt und damit die bedrückendsten Abgründe erzählt. 

Der Abyss entspringt dabei und fällt in die Tiefe seiner selbst, aus dem tiefsten Alltag heraus, der die sprichwörtliche Geworfenheit des Menschen, seine Entfremdung und Selbstentfremdung in der Moderne in sich trägt und hinter dem Biedermeier des Funktionierens, Funktionieren-Müssens hervorlugt. Gregor Samsa, der sich für seine saumselige Familie den Arsch aufreißt, findet sich in ein chitinbehängtes Monstrum, nun ... ja ... – verwandelt. Der Rest, wenn auch erst nach dem Tod Franz Kafkas und durch die vermittelnde Arbeit seines Freundes Max Brod (1884–1968), der den zu Kafka-Lebzeiten publizierten Texten den fulminanten Nachlass beigesellte, ist Literaturgeschichte. 

Ein bisschen scheint es auch so, dass im entwickelten Spätkapitalismus nun die Nachzehrer aufwachen und nicht nur das Andenken dieses Erzählers wahren, sondern ja auch einen gediegenen Euro damit machen mögen. Bei der Veröffentlichung von Die Verwandlung, Kafkas bekanntester und auch die Vielgestalt seines übrigen Werks ein wenig verdeckender Erzählung, im Programm der Büchergilde Gutenberg liegt der Fall anders. Dieses Buch ist weniger ob der Wiederauflage der Novelle ... – sondern aufgrund seiner illustrativen Beigabe verdienstvoll, würdig und auch besonders. Und es berührt, wenn man sich eingehend mit der Geschichte des Zustandekommens dieser Kombination des Textes mit den bisher unbekannten Zeichnungen Rosy Lilienfelds befasst.

Eben diese, die Novelle begleitenden Illustrationen sind die Entdeckung der Veröffentlichung der Büchergilde zum Kafka-Jahr, und sie erzählen von einer künstlerisch sowie menschlich aufregenden Wiederherstellung des Wissens um eine bedeutende Grafikerin einer verlorenen Generation. 2022 erstmals wieder in einer Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt zugänglich gemacht, ist das Leben und Werk von Rosy Lilienfeld (1896–1942) einer mehr als überfälligen Rehabilitation zu unterziehen. Die verschollene Künstlerin ist dem Expressionismus zuzurechnen, als Jüdin wurde sie 1942 in Auschwitz ermordet. Über die Umstände des Wiederfindens der kongenialen Arbeiten zu Kafkas Text berichtet in einem Nachwort im Buch die Direktorin des Jüdischen Museums, Dr. Eva Sabrina Atlan. Dort wird am 06. Juni auch die Präsentation von Die Verwandlung stattfinden.

Das Buch, das diese und Kafkas Geschichte in sich trägt, ist inhaltlich wie gestalterisch nichts weniger als ein Ereignis. Die Düsternis beider Linien, der narrativen wie zeichnerischen, verbindet sich hier mit einer hohen bibliophilen Güte, Würde und Kunstfertigkeit, die, auch wenn man das von Gilde gewöhnt sein mag, noch einmal etwas absolut Besonderes hat. Rosy Lilienfeld findet so treffende Bilder für das passive Aufbegehren Gregor Samsas und die sich, nun ja, abkühlende Umgebung seiner Familie, für die er, zum Tier geworden, jetzt völlig nutzlos ist, dass es den Leser und Betrachter schubbert. Und man zugleich die Augen nicht davon lassen kann ... So ist denn diese Neuausgabe der Verwandlung eines der schönsten, ja, und umtreibendsten Bücher der Saison.

Franz Kafka: Die Verwandlung. Mit Illustrationen von Rosy Lilienfeld und einem Nachwort von Eva Sabrina Atlan. Frankfurt am Main: Büchergilde Verlagsgenossenschaft, gebunden, fadengeheftet mit Lesebändchen, Rundumfarbschnitt sowie Prägung, 112 Seiten, ISBN 978-3-76327-471-0, für 28 Euro.

(André Schinkel) 

So, 31.03.2024

"Die vier Jahreszeiten", eben erschienen in Zaumseils Dreier Press – das aktuelle "Bibliophile des Monats".

Bibliophiles des Monats: „Die vier Jahreszeiten“ von Peter Zaumseil

Gemeinhin gilt der Frühling als die schönste und hoffnungsreichste Zeit des Jahres, auch in dieser von der Fäulnis der Abgründe, die im Menschen möglich sind, angeblickten Epoche möge das so bleiben, in der zarten Beblümelung beim Gedanken an die mögliche Auferstehung, die zumindest die Christenheit an diesen Tagen feiert und begeht, zumal. Die Kunst bliebt ein Signet des Humanen wie Schönen dabei, egal, wie schwer und schwierig die Jahre sind, in denen sie, Seismograph des Temporären oder Gegenentwurf in heller oder dunkler Wichtung, entsteht. Grund genug, damit einen Hinwink von Pirckheimer-Freund Uwe Klos aufzunehmen, auf ein neues originalgrafisches Buch von Peter Zaumseil, Künstler- und Landschaftskollege aus den wilden, ja, und im Moment zudem wild begrünten, wie es sein soll, ostthüringischen Hügelländern, hinzuweisen, was hiermit in diesem Blog mit dem Ehrensternchen Bibliophiles des Monats vorgenommen sein soll. Dieses Buch heißt Die vier Jahreszeiten und feiert alle von Wetter und Wind gezeichneten, zuweilen wohl auch gegerbten Quartale des Kalenders. Es erscheint, wie Uwe Klos weiterhin anzeigt, im Jahr des dreißigsten Jubiläums der Peter Zaumseil zueigenen Dreier Press als dessen 25. Druck. Die vier Jahreszeiten enthält 16 Farbholzschnitte des Meisters aus Elsterberg im Vogtland, dazu gesellen sich die Gedichte diverser Lyriker (der Riese Rilke ist dabei ... und der sicher berührendste unter allen lustikken Dichtern, Ringelnatz – man vergleiche jeweils die beiden Doppelseiten aus dem Buch in den Abbildungen) und Lyrikerinnen, insgesamt 14 an der Zahl. Die Texte wurden nach händischen Vorlagen Zaumseils bei Tischendorf in Greiz gedruckt, die Vignetten vom Künstler eigens koloriert; auch die Bindung übernahm Zaumseil selbst. Insgesamt liegt das 30 x 40 cm große Buch in neun regulären und zwei E.A.-Exemplaren vor, der Einband ist zudem mit vier Porzellankacheln mit Kristallglasuren von Ludwig Laser aus Obergeißendorf betan. Das prächtige Werk wurde bei (nach eigenem Statement) Peter Zaumseils letztem Auftritt auf der Leipziger Buchmesse präsentiert und soll auch sein letztes Buch in Auflage sein. Man wünscht indes an der Seite Uwe Klosens gleichsam, dass dem nicht so ist. Denn: Schöne Bücher braucht das Land, das wird immer so sein. Alle Informationen zu Peter Zaumseils Werk und auch dem neuen Buch sowie den Hinweis auf eine im Juni anstehende Ausstellung des Künstlers finden sich auf seiner persönlichen Seite im Internet.

(André Schinkel)

Do, 29.02.2024

Mappe "Saale-Licht" (2023). | © Andrea Ackermann

Bibliophiles des Monats: „Saale-Licht“ von Andrea Ackermann

Auch wenn sie von der Elbe stammt und das wohl auch ihr Fluss bleiben wird, ist die Saale so etwas wie ein Favorit in ihrer Arbeit, lebt doch die in Dresden geborene Andrea Ackermann seit vielen Jahren in der Saale-Metropole Halle: Hier hat sie studiert, hier befindet sich der Mittelpunkt ihres Lebens. Ihre Lehrer an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein waren Ronald Paris (Malerei) und Thomas Rug (Grafik), nach dem Absolvieren der Meisterschülerinnenschaft arbeitet Andrea Ackermann seit Mitte der 2000er Jahre freiberuflich als Malerin und Grafikerin im Nordteil der Innenstadt des gern verkannten Großstädtchens, das mit der Weißen Elster (die hier in die Saale mündet) gleich noch einen elementaren, die mitteldeutschen Landschaften stark prägenden Fluss aufweist. Zu ihrem Werk gehören auch insgesamt acht Grafik- bzw. Text-Grafik-Kassetten, die haben unter anderem Norwegen, Venedig und den Wörlitzer Park zum Thema. Mit Saale-Licht vollendet die Künstlerin gewissermaßen eine Flusstrilogie, die 2015 mit Über dem Fluss begann, seine erste Fortsetzung mit Das innere Delta (2017) hatte und die nun in der Mappe mit sieben Einblättern im Format von 41 x 37 Zentimetern (plus Deckblatt und Signaturen im Impressum) ihren Abschluss findet. Die Texte der Trilogie, die mit Im Park 2019 noch einen Ableger, eine Art Balkonblick zum Welterbe Wörlitz besitzt, stammen von einem der Blogredaktion bekannten Pirckheimer-Freund. In ihrem jeweiligen Aggregatzustand als Neugierige und dem Authentischen Hingegebene näherten sich Künstlerin und Autor den Orten ihrer Erwägung, skizzierten, fingen Atmo ein, formten. Die Gattung des Einblattdrucks schien, gewissermaßen als Ligatur von Bild und Text, dabei das ideale Genre einer Engführung des Erwogenen zu sein. Jedes Blatt, auch wenn ihm innerhalb des Zyklus sein Platz zugewiesen ist, funktioniert auch als eigenständiges Kunstwerk und ist auch so zu haben. Sieben der zwanzig Abzüge der Gesamtauflage sind zu einer Kassette zusammengefasst. Während die Künstlerin den Druck der Radierungen selbst besorgte, fanden die Texte bei Bettina Haller in Chemnitz auf die Bögen. Am heutigen Tag eröffnet Andrea Ackermann an der Seite ihrer Kunstkolleginnen und ehemaligen Mitmeisterschülerinnen Susanne Theumer und Claudia Berg im Forum Altes Rathaus in Borken (der Blog berichtete davon) die gemeinsame Ausstellung Die Tiefe des Grats, die dort bis zum 05. Mai zu sehen sein wird. Und auch auf der am 01.03. öffnenden Grafikbörse in Borken wird Andrea Ackermann mit einem Stand vertreten sein. Alle weiteren Informationen zum Werk der Künstlerin finden sich auf ihrer Webseite im Internet.

(Bert Blaubart)

Mo, 29.01.2024

"Am Rand der Pfütze springt jede Katze anders": das Frontispiz, der Innentitel sowie zwei Vorzugsmotive des Buchs von Herta Müller und Axel Heller – 2023 erschienen bei Thomas Reche in Neumarkt i. d. OPf.

Buch des Monats: Herta Müller · Axel Heller „Am Rand der Pfütze springt jede Katze anders“

An einem Wintertag ging ich mit meiner Mutter drei Kilometer durch den Schnee ins Nachbardorf ein Fuchsfell kaufen für einen Mantelkragen. Der Pelzkragen sollte das Weihnachtsgeschenk meiner Mutter sein. Was für ein würdiges Buch des Monats! Fünf Texte der großen Erzählerin und vielfach geehrten Zeitzeugin Herta Müller: Essays, Notate und die fulminante Nobelpreisrede von 2009 selbst, flankiert von Fotografien Axel Hellers, erschienen als Ausgabe, die jeden bibliophilen Nerd zärtlich in die Träume verfolgt, im Verlag von Thomas Reche in Neumarkt in der Oberpfalz. Das Fell war ein ganzer Fuchs, und es glänzte kupferrot und wie Seide. Es hatte einen Kopf mit Ohren, eine getrocknete Schnauze und an den Füßen die schwarzen getrockneten Pölsterchen der Pfoten mit porzellanweißen Krallen und einen so bauschigen Schwanz, als wär noch der Wind drin. Der Fuchs lebte. Nicht mehr im Wald, aber in seiner konservierten Schönheit. Den in die Tiefe lotenden Exegesen von Herta Müller stehen 37 Fotografien Hellers zur Seite, die zwischen 2005 und 2014 im nordrumänischen Kreis Maramureș entstanden und mithin vom Leben auf dem Balkan wie der Herkunft Müllers berichten. Der Jäger hatte rote Haare wie der Fuchs. Das war mir unheimlich. Vielleicht fragte ich ihn deshalb, ob er ihn selbst geschossen hat. Er sagte, auf Füchse schießt man nicht, Füchse gehen in die Falle. Die Normalausgabe des herrlich-prächtigen Buches erschien in 400 Exemplaren und ist für 48 Euro (ISBN 978-3-947684-11-3) zu haben. Die gesamte Auflage ist signiert. Das alles sollte ein Mantelkragen werden. Ich ging noch zur Schule und wollte nicht wie alte Damen einen ganzen Fuchs mit Kopf und Pfoten am Hals, sondern nur ein Stückchen Fell als Kragen. Weiterhin erschien eine Vorzugsausgabe A (Nr. I bis XL), mit zwei signierten Original-Fotografien Auf dem Bauernhof und Straße im Winter, auf Barytpapier beiliegend zum Preis von 330 Euro (diese Ausgabe dürfte durch die Abonnements fast vergriffen sein, man eile ...). Aber zum Zerschneiden war der Fuchs zu schön. Darum begleitete er mich jahrelang und durfte überall, wo ich wohnte, wie ein Haustier auf dem Fußboden liegen. Eines Tages stieß ich im Vorbeigehen an das Fell, und der Schwanz rutschte weg. Er war abgeschnitten. Wochen später war der rechte hintere Fuß abgeschnitten, dann der linke. Ein paar Monate später nacheinander die vorderen Füße. Ferner sind noch die Vorzugsausgaben B und C in je 40 Exemplaren mit einem Original versehen, für jeweils 192 Euro zu bestellen. Der Geheimdienst kam und ging, wie er wollte. Er hinterließ Zeichen, wenn er wollte. Der Wohnungstür sah man nichts an. Ich sollte wissen, daß mir in meiner Wohnung dasselbe passieren kann wie dem Fuchs. Was für ein Buch, das Thomas Reche da wuchtig kredenzt!

(André Schinkel/kursivierte Zitate: Herta Müller)

Sa, 13.01.2024

Die drei Ausgaben des Buches. | © bei Robert Grieger

Jugenderinnerungen eines alten Berliners: Felix Eberty (1812–1884)

Aus Roberts kleiner Bücherecke

Georg Friedrich Felix Eberty (1812–1884), deutscher Jurist, Astronom, Autor, entstammt, wie Wikipedia weiß, der jüdischen Berliner Familie Ephraim. Er wurde als Sohn des Bankiers Hermann Eberty (1784–1856, 1810 Namensänderung von Ephraim zu Eberty) und dessen Frau Babette, geb. Mosson (1788–1831) geboren. Der Großvater Felix Ebertys war der Bankier Joseph Veitel Ephraim (1730–1786). Eberty heiratete die Gutsbesitzerstochter Marie Amalie Catharina, geb. Hasse, in Barottwitz bei Breslau, und war der Vater von vier Töchtern. Er wuchs in Berlin auf und besuchte die Cauersche Anstalt. Zusätzlich erhielt er Privatunterricht beim Mathematiker Jakob Steiner. Von 1831 bis 1834 studierte er in Berlin und Bonn Rechtswissenschaft, sein Referendariat absolvierte er in Berlin und wurde 1840 Kammergerichtsassessor und später Richter in Hirschberg, Lübben und Breslau, wo er sich 1849 habilitierte und 1854 Professor wurde. Er war in Berlin seit seinem Studium Mitglied des literarischen Vereins Tunnel über der Spree – dem auch Theodor Fontane (1819–1898) angehörte und dem er Zeit seines Lebens verbunden blieb. Eberty starb im Sommer 1884 in Arnsdorf im Riesengebirge. Die Jugenderinnerungen sind heute sein bekanntestes Werk geblieben.

Von den Jugenderinnerungen eines alten Berliners Ebertys liegen bis heute drei Editionen vor. Die Erstausgabe von 1878 erschien im Verlag von Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung) in Berlin. Das Buch wird von Theodor Fontane in zwei Teilen der Sonntagsausgaben Nr. 46 und Nr. 47 der Vossischen Zeitung vom 17. und vom 24. November des Jahres rezensiert. Die Wahrnehmung fällt damit in den Beginn des späten Ruhms Fontanes, der viele Jahre nach Journalist, Lyriker und Reise-Schriftsteller reüssierte und 1878 mit der Veröffentlichung seines großen Romanspätwerks beginnt. (Felix Eberty: Jugenderinnerungen eines alten Berliners. Nachwort von Theodor Fontane, Berlin: Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung) 1878.) Diese Ausgabe bildet die maßgebliche Urschrift.

Die zweite Ausgabe des Buchs erscheint 1925: Eingeleitet von Georg Hermann, handelt es sich um eine nach handschriftlichen Aufzeichnungen des Verfassers ergänzte und im Berliner Verlag für Kulturpolitik neu herausgegebene Fassung von J. von Bülow. Die Edition der Neuausgabe ist mit zwölf Kupferstichen nach zeitgenössischen Originalen und Faksimiles nach Handschriften und Handzeichnungen des Verfassers versehen. Die besagte zweiteilige Rezension Fontanes aus der Vossischen Zeitung vom 17./24. November 1878 (siehe oben) wird hier erstmals beigefügt und nachgedruckt. (Felix Eberty: Jugenderinnerungen eines alten Berliners. Mit einem Geleit von Georg Hermann, Nachwort und Nachdruck der Rezension von Theodor Fontane, ergänzte und mit 12 Abbildungen neu herausgeben von J. von Bülow, Berlin: Verlag für Kulturpolitik 1925.)

Die jüngste Ausgabe des Buches stammt von 2015: Neu herausgegeben ist sie von Werner Graf im Comino Verlag Berlin ... und: dieser Fassung liegt die Ausgabe von 1925 zugrunde und wird um weitere vorgenommene Kürzungen ergänzt. Somit ergibt sich nun ein Gesamtbild beider doch etwas unterschiedlicher Ausgaben – in dieser gegenwärtigen Fassung leider ohne die Grafiken. (Felix Eberty: Jugenderinnerungen eines alten Berliners. Nachwort von Theodor Fontane, Neuausgabe der erweiterten Ausgabe von 1925, ergänzt um die fehlenden Kapitel der Ausgabe von 1878 und mit Anmerkungen versehen, Berlin: Comino 2015, Br., 388 Seiten, ISBN 978-394583-105-2, 14,90 Euro.)

Zum Inhalt: Mit 66 Jahren blickt Felix Eberty 1878 auf seine Jugendjahre in Berlin zurück und bewahrt damit eine schon damals untergegangene Welt vor dem Vergessen. Eberty, dessen Vater aus der in Berlin berühmten jüdischen Familie Ephraim stammte, wuchs in einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie auf und wurde im Alter von 14 Jahren getauft. Er besuchte die legendäre Cauersche Erziehungsanstalt, ein privates Internat für das aufgeklärte Bürgertum, das nach reformpädagogischen Prinzipien geleitet wurde. Von 1831 bis 1834 studierte er in Bonn die Kunst der Rechtswissenschaften und trat anschließend in den preußischen Justizdienst ein, den er aber nach wenigen Jahren zugunsten einer erfolgreichen Tätigkeit als Schriftsteller aufgab. 

Theodor Fontane rezensierte die Jugenderinnerungen eines alten Berliners in der Vossischen Zeitung. Er schrieb, schon jetzt habe Ebertys Buch ‚kulturhistorische Bedeutung‘ und prophezeite: ‚(...) nach abermals fünfzig Jahren ganz gewiss.‘ 150 Jahre später gilt dies umso mehr. Denn das Buch gibt ‚dem Kulturhistoriker der Zukunft ein wundervolles, weil das Klein- und Detail-Leben schilderndes Material an die Hand.‘ Es ist laut ihm auch ein ‚wahres ‚Schatzkästlein‘ von Anekdoten, alle sehr gut erzählt, deshalb sehr gut, weil sie im Ton richtig getroffen sind.‘ Ebertys Beobachtungen haben mit der Zeit an Witz und Aktualität gewonnen (und tun dies bis jetzt): ‚Überhaupt waren die Berliner und sind auch noch heut leicht aufzuregen und ebenso leicht wieder zu beruhigen.

Der Charakter derselben hat sich nicht viel geändert, wohl aber der Charakter der Einwohnerschaft Berlins, die jetzt kaum noch zur Hälfte aus eigentlichen und wirklichen Berlinern bestehen mag. Der Zufluss von Menschen aus allen Provinzen des Landes ist denn auch nicht ohne Einfluss auf die Hauptstädter geblieben, welche ja schon von alters her viele fremde Elemente in sich aufgenommen hatten.‘ Und wenn er von seiner Ausbildungszeit am Berliner Stadtgericht erzählt, klingt manche Geschichte wie von heute: ‚Der Herausgeber einer kleinen Zeitschrift hatte an alle Welt Probenummern geschickt, welche den Vermerk enthielten, dass der Empfänger sich durch Annahme derselben zum Abonnement auf ein ganzes Jahr verpflichte. Natürlich wollte nachher niemand durch diese Erklärung gebunden sein, (...) die Zahlung wurde überall verweigert. Darauf verklagte der Herausgeber sämtliche vermeintliche Abonnenten, (...) elfhundert an der Zahl.‘“

Felix Eberty: Jugenderinnerungen
eines alten Berliners. Nachwort
von Theodor Fontane, Neuausgabe
der erweiterten Ausgabe von 1925,
herausgegeben von Werner Graf,
Berlin: im Comino Verlag 2015,  
Broschur, 388 Seiten, ISBN 978-
394583-105-2, Neupreis: 14,90 Euro.

(Robert Grieger)

So, 31.12.2023

Die Abbildungen der Kölner Jahresgabe bestanden darauf, im Querformat zu erscheinen. Weil Silvester ist, erlaubt das die Redaktion ... | © Robert Grieger

Jahresgabe 2023 der Kölnischen Bibliotheksgesellschaft

Das letzte schöne Exemplar in der Rubrik Bibliophiles des Monats für das verstreichende Jahr ist die 2023er Jahresgabe der Kölnischen Bibliotheksgesellschaft (wir bitten den kleinen Lapsus mit den Bildern zu entschuldigen, die Fotografien haben sich partout nicht umstimmen lassen, stehend zu erscheinen (Anmerkung des Blog-Admins)), die in der Universitäts- und Stadtbibliothek der Metropole am Rhein beheimatet ist. Es handelt sich dabei um ein Faksimile eines Druckes von 1848 mit dem Titel Die Kölner Ereignisse vom 3. und 4. August. Autor dieser Schrift ist der Kölner Zigarrenhändler, demokratische Aktivist und spätere Paulskirchen-Abgeordnete Franz Raveaux. Hier wird auf die Ereignisse des 03. und des 04. August 1846 Bezug genommen. An diesem Datum ereigneten sich die so genannten Jahrmarkt-Unruhen auf einer Kölner Kirmes, die die deutsche Revolution von 1848 einleiteten. Die Initiatoren der Gabe schreibt dazu: „Für die Mitglieder der Kölnischen Bibliotheksgesellschaft geben wir regelmäßig Jahresgaben heraus. Dabei handelt es sich um Sonderausgaben, also um Nachdrucke von seltenen Büchern aus unserem Besitz – Satz, Druck, Umschlaggestaltung und Produktion made by USB Köln!“ Diese Jahresgaben sind begehrt und haben mittlerweile weite Verbreitung gefunden. Denn weiter heißt es: „Aber auch alle anderen Interessierten können unsere Jahresgaben hier bestellen.“ Hergesellt werden sie im Haus, entstehen in Kooperation der Abteilungen Buchbinderei und Digitalisierung. Die fein aufgemachten und dabei preiswerten Nachdrucke sind nebst vielem anderem auf der Website der USB bestellbar. Preislich gruppieren sich die Ausgaben, von denen man auf der Seite eine kleine Reihe betrachten kann, im Bereich zwischen 15 und 20 Euro. Die liebevolle Gestaltung macht sie zu Kleinoden für den Sammler. Und das Wissen der Welt, in Raritäten gesammelt, verbreitet sich auf gute Weise auch.

(Robert Grieger/André Schinkel/Pressemitteilung)