Was für ein Titel für ein Grafikprojekt! Denn, fertiggedacht, was darf man sich unter Persephones Garten vorstellen? Wenn man dem Mythos folgt, ist sie in ihrer irdischen Erscheinung als Kore Tochter wie Geliebte des Zeus, in ihrer chthonischen die Gattin des Unterweltgottes Hades, und auch dort trägt sie ihren zweiten göttlichen Namen Persephone. Die Absprache will, dass sie nicht die ganze Zeit im Dunkel zubringt – wenn Kore ins Dunkel wechselt, herrscht auf der Erde Winter. Persephones Garten ist also entweder die kühle Ausgabe der Oberwelt oder eben der Hortus in der Finsternis. Eine strenge Göttin ist sie, die aber zugleich für Blüte und Fruchtbarkeit steht.
So erzählt es bereits Homer in seiner großen Hymne an Demeter, in der sich zwei Mythen, über die Äonen hin, verbinden und umkreisen. Und ist ein wunderbarer Aufhänger für die neue gemeinsame Arbeit der augen:falter-Künstlerinnen, deren Zentrale sich in Leipzig befindet, von der die Projekte der seit 2022 sieben (davor acht) Grafikerinnen, auch wenn eine der Mitstreiterinnen mittlerweile die Pleiße- und Weiße-Elster-Stadt zugunsten von Mainz am Rhein verlassen hat, stets ausgehen. Und auch hier verbanden sich auf schöne Weise zwei Stränge, denn die Linolschnitte des Zyklus entstanden zunächst als Original-Beilagen der aktuellen Ausgabe der Marginalien.
Jede und jeder Pirckheimer fand denn auch in seinem Mitglieds-Exemplar von Heft 247 eines der zweifarbig im Herbst 2022 bei Plumbum – auf einem Bogen – gedruckten Blätter der sieben Künstlerinnen: Petra Schuppenhauer ist darin mit Blumen vertreten, Inka Grebner mit einem Stillleben mit Dame, bei Urte von Maltzahn-Lietz blüht die Gartenmondviole. Und Nadine Respondeks Druck heißt indes fruchtig, fuchtig & verblichen, bei Katja Zwirnmann tritt der Totenkopfschwärmer auf, während es bei Franziska Neubert Zicke, Zacke … zugeht und bei Julia Penndorf still alive. In schöner Assonanz bewegt sich alles um Werden und Vergänglichkeit.
Die Gesamtauflage von Persephones Wintergarten beträgt 180 Exemplare, davon sind aber bereits 110 für die Mitglieder der Pirckheimer-Gesellschaft (s. o.) abzuziehen. Zwanzig Mappen sind Künstlerinnen-Exemplare, was bedeutet, dass die komplette Sammlung in Mappenwerk-Form nur fünfzig Mal offen zum Verlauf steht. Neben Carpe Plumbum stehen die Umstände, dass die Blätter von Petra Schuppenhauer, Julia Penndorf und Urte von Maltzahn-Lietz persönlich gedruckt und im Graphischen Atelier von Katja Zwirnmann buchbinderisch verarbeitet wurden, über die Kunst selbst hinaus für höchste Qualität. Alle Informationen zur wundersamen Arbeit der augen:falter finden sich auf der Webseite der Künstlerinnen-Gruppe. Dort gibt es auch ein Kontaktformular bei Interesse für Persephones Wintergarten oder eines der anderen Projekte (deren erstes 2009 eine achtteilige Leporello-Box war) der sieben Grafikerinnen.
(André Schinkel)