Am 5. März 1771 schreibt der Dichter Gotthold Ephraim Lessing an seine spätere Frau Eva König rückblickend folgende Zeilen: „[U]nmöglich, denke ich, würde ich bei meiner alten Mutter, und an dem Orte, wo ich meine Jugend vergnügt zugebracht, mißvergnügt sein können.“ Und er beschließt sie mit der Feststellung, es sei „im Grunde […] immer eins, ob man sich über das Gegenwärtige oder über das Vergangene zu freuen hat; wenn man sich denn nur freuet.“
Unter diesem Aspekt und nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass Landschaft und Heimat auch das dichterische Schaffen beeinflussen, reifte ein neues Projekt der Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption mit der halleschen Künstlerin Claudia Berg. Dabei ging es darum, die Wechselwirkung von Kunst, Literatur und Landschaft an Lessings frühen Lebensstationen zu sichten. Nun wird es unter dem Titel Kamenz – Putzkau – Meißen in der Lessing-Stadt gezeigt.
Eine gemeinsame Reise durch Kamenz, Putzkau und Meißen war der Ausgangspunkt für eine handgebundene Grafikmappe mit sieben Kaltnadelradierungen von Claudia Berg und einem begleitenden Text von Birka Siwczyk. Im Zentrum steht jedoch nicht die Wiedergabe einer Stadt- oder Ortsansicht, sondern eine de facto ‚gezeichnete‘ Landschaft, wie Lessing sie auch heute noch wahrnehmen könnte. Fünf Motive sind dabei Kamenz gewidmet, darunter sein ‚Lieblingsplatz‘ an einer erhöhten Stelle des Hauptfriedhofs, von der man einen schönen Blick ins Herrental hat.
Ein weiteres Motiv zeigt Putzkau, wo der damals zwölfjährige Lessing von seinem Onkel auf die Fürstenschule St. Afra in Meißen vorbereitet wird. In der klosterähnlichen Schule, wo er in einem streng geregelten Umfeld fünf Jahre lang „mit aller Bequemlichkeit“ studieren kann und der er Gelehrsamkeit und Gründlichkeit verdankt, erlebt der jugendliche Lessing aber auch die Schrecknisse und Nachwirkungen des zweiten Schlesischen Krieges, in dem Sachsen 1744 mit Österreich verbündet war. Ein Blick vom Kirchhof auf St. Afra vervollständigt die Grafikfolge.
An der Fertigstellung der aufwendig gestalteten Mappe waren neben Claudia Berg mehrere künstlerische Gewerke beteiligt: aus Halle an der Saale der Schriftgestalter Helmut Brade und die Buchkünstlerin Claudia Richter, aus Dobis der Papierkünstler Andreas Richter, aus Wurzbach der Drucker Heiner Bunte und aus Leipzig das Druckatelier carpe plumbum. In Anwesenheit der Künstlerin Claudia Berg wird das Künstlerbuch am Donnerstag, dem 13. April, um 19 Uhr in der Galerie im Sakralmuseum präsentiert. Für die musikalische Untermalung sorgen Hannes Lenz Peuker und Daniela Lenk. Vom 14. April bis zum 1. Mai sind die Grafiken in der Galerie zu sehen. Zugleich zeigt ihr Heimatgalerist Erik Bausmann in Halle neue Venedig-Arbeiten der Künstlerin.
(Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption/Birka Siwczyk/André Schinkel/Pressemitteilung)