Pirckheimer-Blog

 André Schinkel

Do, 07.03.2024

Michael J. Wendel: "Die Truhe", Beier & Beran 2023. Das Buch des Archäologen erzählt von der Akribie und Leidenschaft eines Forschers wie zudem vom in der Gegenwart unserer Jahrzehnte noch möglichen Abenteuer der Archäologie als der grundlegenden Gelehrsamkeit des Wissens auch um die Jetztzeit zugleich. Und schließlich ist es ein Buch, das vom Mut, den das Leben wie das Schicksal von einem immer wieder fordert, Zeugnis gibt und berichtet. Für seine Verdienste bei den Ausgrabungen im nord-thrakischen Karasura wurde Michael Wendel 1997 mit der Ehrenbürgerwürde von Tschirpan geehrt.

Gelesen übers Jahr: „Die Truhe“

Es möge keiner behaupten, es ließen sich auch seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts keine Abenteuer in der Archäologie mehr erleben! Die Himmelsscheibe von Nebra, die nach wie vor aufsehenerregenden Grabungskampagnen in Ägypten und Lateinamerika erzählen davon; und ganz Europa bietet nach wie vor erstaunliche Entdeckungsmöglichkeiten. Die Erinnerungen eines Prähistorikers, ausgewiesener Kenner der eisenzeitlichen Kulturen Europas von der Antike bis zum Verlöschen der letzten heidnischen Gesellschaften der altslawischen Siedler in der Mitte des Kontinents erzählen dies auf beeindruckende Weise ... Michael Wendel, 1945 in Sachsen geboren, hat sich einen Namen als Forscher wie als Dozent gemacht, er arbeitete in Berlin an der Akademie der Wissenschaften der DDR und war noch eine Reihe Jahre Dozent am Institut für Prähistorische Archäologie der halleschen Universität. Darüber hinaus und vor allem aber ist sein Nimbus mit den langjährigen Ausgrabungen in Karasura in Bulgarien verbunden, die ihm viel Beachtung und letztlich eine Ehrenbürgerwürde einbrachten. Die Fundstelle, die sich in Nordthrakien in der Nähe des Dorfes Rupkite befindet, birgt eine spätrömische Wegestation, ihr reicher Fundbestand wurde zur archäologischen Legende. Von seinem Leben erzählt der heute wieder in Sachsen Lebende in mehreren Bänden, zuletzt erschien sein reichbebildertes Erinnerungs-Kompendium Die Truhe bei Beier & Beran, im ausgewiesensten Archäologie-Verlag in Mitteldeutschland. Der Höhepunkt dieses Archäologenlebens ist zweifellos die Grabungstätigkeit an dem Siedlungshügel (Tell) in der Nähe der Stadt Tschirpan, eine Arbeit, bei der Wendel im Verbund mit seinen bulgarischen und deutschen Kollegen Nachweise für insgesamt 6.000 Jahre Besiedlungsgeschichte auf dem Balkan erbrachte. Aber auch sonst ist die Art und Weise, wie der Autor leidenschaftlich und akkurat, aber auch immer wieder mit einer Prise ihm eigenen Humors und Muts zur Klarheit seinen Werdegang erzählt, an das Herze, den Solarplexus gehend nicht nur für Prähistoriker. By the way: Ich danke Michael Wendel wie viele meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen einen tiefen Blick auch in die eigene Geschichte: Sind doch die altslawischen Kulturen mit der Historie wie der Prähistorie Mittel- und Osteuropas eng verbunden. Als ich vor einigen Jahren in Wolin vor der Kirche stand, die das alte Zentrum der Stadt Vineta kennzeichnen könnte, habe ich daran gedacht. Ein Einblick, für den ich ihm wie meinen beiden akademischen Lehrern Klaus-Dieter Jäger (ohne den ich wohl gar nicht Archäologe geworden wäre) und François Bertemes (der Goseck ausgrub) dankbar bin. Und schlussendlich erzählt dieses Buch auf seinen fast 500 Seiten wie seine Belletristik-Vorgänger Blumenkohl im Kopf und Blumenkohl mit Nachschlag auch von Schicksalsschlägen und wie man sich daraus ins Leben zurückkämpft. Und das verdient höchsten Respekt. (Michael J. Wendel: Die Truhe. Langenweißbach: Beier & Beran 2023, br., 472 Seiten, ISBN 978-3-95741-191-4, 19,90 Euro.) 

(André Schinkel)

Mi, 23.06.2021

MARGINALIEN 241

Heute fand sich im Briefkasten und, dort wo es noch nicht ausgeliefert wurde, in den nächsten Tagen auch bei allen Pirckheimern, Heft 241 der Marginalien (2/2021).

Anlässlich des 90. Geburtstages unseres Mitglieds liegt dem Heft eine Ergänzung zur Jahresgabe 2018 bei: ein Personenregister zum alternativen Künstlerreport von Harald Kretzschmar "Stets erlebe ich das Falsche". Und, ebenfalls exklusiv für Mitglieder der Pirckheimer-Gesellschaft, der Farbholzschnitt IMMER-WIEDER-NEU, 2019/2021 von Andrea Lange (Sonnenberg-Presse), von der Künstlerin in einer Auflage von 680 Exemplaren gedruckt. André Schinkel besuchte sie im Atelier: "Hinter geschlossenen Lidern, oder: Immer wieder neu"

"Diese Ausgabe der Marginalien ist ein Heft der Spurensuchen, des Aufnehmens des Fadens in die Vergangenheit. Denn dass diese mithin auch bestimmt, wer wir sind und wie wir heute leben, steht außer Frage. Alles ist durch alles bedingt, das gilt auch für die Geschichte. Die Menschheit ist ein gigantisches Puzzle mit eingebauter vierter Dimension. Wir vererben nicht nur Eigenschaften und Dinge, sondern geben auch Erzählung und Erfahrung weiter. Man muss die Spuren nur lesen wollen. Nun ist diese Einsicht für viele Sammler nicht neu. Sich für die Geschichte hinter den geliebten Objekten zu interessieren, erscheint vielen selbstverständlich. Und doch erstaunt immer wieder, mit welcher Akribie verblüffendes Wissen zu heben ist, wenn Sammler forschen. Peter D. Verheyen beispielsweise wollte mehr wissen über Ernst Collins Der Pressbengel von 1922. ..."
(Till Schröder, Vorab)

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