Es dürfte mithin eines der ältesten Literaturmuseen des deutschsprachigen Raums sein – seit über 160 Jahren lädt das „Museum der deutschen Aufklärung“, das Gleimhaus in Halberstadt, direkt im Domrondell der ehrwürdigen Stadt am Harz (Domplatz 31, 38820 Halberstadt) gelegen, Interessierte ein. Das ursprüngliche Wohnhaus Johann Wilhelm Ludwig Gleims (1719–1803), auch als „Freundschaftstempel“ seiner Zeit gerühmt, umfasst den vollständigsten Dichternachlass seiner Epoche, seine Sammlungen beruhen auf den umfänglichen Hinterlassenschaften seines Besitzers; zudem erfüllt es bis heute die Funktion eines lebendigen Archivs, indem es nach wie vor die Nachlässe von Autorinnen und Autoren des Harzraums und Sachsen-Anhalts bewahrt und pflegt. Da dürfte es mehr als gut passen, dass die deutschlandweit bekannte Wanderausstellung (der Pirckheimer-Blog berichtete mehrfach) Leseland DDR auch in dem illustren Haus Station macht. Die Exhibition, die auf einer Reihe Schautafeln die Bedeutung des Lesens im und das Leseverhalten selbst des kleines und versunkenen Landes bebildert und in Texten sichtbar macht, ist noch bis zum 28. Januar in Halberstadt zu sehen. Gerade in Zeiten, da das Wort nicht oder nur bedingt als frei zu gelten hatte, kam der Literatur (wie auch den anderen Künsten) eine besondere Funktion zu – so war manches Werk nur schwer zu erreichen und ging so manches Buch auch als Abschrift, quasi im Samisdat, von Hand zu Hand. Als das Metropölchen des östlichen Harzrands ist Halberstadt von allen Seiten gut zu erreichen; und wer die Sonderschau gesehen hat, der möge sich auch durch den Sammlungsteil des Hauses führen lassen, der überaus faszinierend und das Herze des Bücherfreunds berührend ist. Und wer einmal da ist, möge nicht darauf verzichten, die ornithologische Sammlung einige Häuser weiter und natürlich den Domschatz zu besichtigen. Und ASLAP von John Cage in der Buchardikirche lauschen, auf dem Weg zum Kloster Huysburg … Und da sage noch einer, in der Provinz sei nix los. Das Gleimhaus ist winters außer am Montag täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet.
(André Schinkel)