„Nichts wissen wir, und Phantasie ist alles. Umkränz mit Rosen dich und trink und liebe. Und schweig. Der Rest ist nichts.“ Mit diesem Pessoa-Zitat beendete Mitte Mai Helmut Brade seine wunderbare Rede zur Doppelausstellung mit neuen Assemblagen und Fotografien von Petra und Norbert Kaltwaßer, die noch bis zum 1. Juli in der halleschen Galerie Zaglmaier in der Großen Steinstraße 57, 06108 Halle an der Saale zu sehen ist. Seit einer Reihe von Jahren nun stellt Thomas Zaglmaier in seinem kleinen, feinen Ausstellungshaus etablierte wie neue Künstler aus, flankiert von einer kleinen Schar Veranstaltungen für jede Kampagne. So waren denn auch zum 75. Geburtstag Uwe Pfeifers neueste Arbeiten des bekannten Malers und Grafikers aus der Saalestadt zu sehen.
Es ist das Credo dieses so beeindruckenden wie gleichsam wundersamen Künstlerpaars, dessen Arbeiten einem leidenschaftlichen Leben in Aufmerksamkeit und ausdrücklicher Sammelgabe entspringen. Petra Kaltwaßer war viele Jahre in Halle als Oberärztin tätig und hat auf dem Gebiet der Gynäkologie Medizingeschichte geschrieben. Ihre Assemblagen, arrangiert aus Fundstücken aus aller Welt, sind mittlerweile weithin gerühmt und bewundert. Bei Norbert Kaltwaßer wurde der Beruf schließlich zur künstlerischen Passion. Arrangiert mit Sinnlichkeit und Verve, blicken den Besucher die Arbeiten der zwei in der Galerie unterhalb des halleschen Steintors an: das Vitale wie das Morbide, das Stille und das Schöne, auch Skurrile hat darin seinen Platz, lässt immer wieder staunen ob der Vielfalt der Kaltwaßer’schen Blicke. Aber wie konnte es zu diesen kommen?
Lauschen wir dazu noch einmal Helmut Brade, dem renommierten Plakatkünstler, europaweit gefeierten Bühnenbildner: „Amulette des Anthropozäns, Menschwerdung nachgespielt. Festplatten sind Speichermedien, wie sie – was auch immer – speichern, bleibt unsichtbar. Anders nun bei den hier ausgestellten etwas größeren Festplatten, sie legen etwas offen: die burgundische, die sizilianische, die katalanische, die japanische Vergangenheit in einer noch heute überlieferten sichtbaren Form. Es sind also nicht etwa nur schöne Assemblagen, sie strotzen von Inhalten. Festgetretene und korrodierte vergangene Wirklichkeiten öffnen sich zu Schönheiten der Gegenwart.“ Oder hinwiederum mit Blick auf die arrangierten Fotografien Norbert Kaltwaßers:
„Was schweben soll, muss mühsam an Fäden ins Bild gehängt werden. Wichtig ist auch das Licht, unerklärbar die Wirkungen. Naturalistische Bilder, die wirklich naturalistisch sind. Was man für raffiniert gemalt hält, ist Wirklichkeit, die Wirklichkeit aber fremd und neuartig. So etwas hat man noch nie gesehen. Dass die fotografische Bildwerdung perfekt ist, kommt dazu. Kollagen, wo nichts kollagiert aussieht, nirgends eine Naht, nirgends ein verräterischer Schatten. Nicht alles ist heiter (...) bedrückende Stimmungen, Räume der Angst und des Erschreckens. Zwangsvorstellungen, Obsessionen. Surrealität, die nicht auflösbar ist, durchaus gespeist aus erfahrener Todesdrohung.“
So ist das Lichte mit dem sorgsam arrangierten Ernst in eins verbunden. Die Galerie Zaglmaier am Ostrand der halleschen Innenstadt öffnet ihre Räume immer von Mittwoch bis Sonnabend von 13.30 Uhr bis 18.30 Uhr. Den bereits stattgefundenen literarischen Abenden innerhalb der Schau folgt das Gespräch mit den Künstlern am Abend des 17. Juni (18 Uhr) und endlich, kurz vor der Finissage, am 24. Juni eine Lesung mit einer, nun, der Redaktionsleitung des Pirckheimer-Blogs bestens bekannten Person unter dem Titel Vor der Mondbucht. Die Veranstaltung zu Ehren von Petra und Norbert Kaltwaßer beginnt um 18.30 Uhr und beinhaltet eine Auswahl neuer Texte.
(André Schinkel)