Pirckheimer-Blog

Richard de Bury, der "Vater" der Bibliophilie.
Beispielseite aus dem Düsseldorfer "Philobiblon".
Sa, 25.02.2023

550 Jahre „Philobiblon“

Vor 550 Jahren, 1473, erschien in Köln erstmals Bischof Richard de Burys (1287–1345) Abhandlung Philobiblon – das erste Werk der europäischen Literatur, das sich speziell der Buchliebe widmet. Die zweite Auflage erschien 1483 in Speyer, in Frankreich 1500, in England 1599. Bereits im 14. und 15. Jahrhundert wurde der Text hunderte Male umgeschrieben, insgesamt sind etwa 40 Skripte erhalten – sie werden in London, Oxford, Cambridge, München usw. aufbewahrt. Im 17. Jahrhundert erschien Philobiblonbasierend auf der Kölner Ausgabe, in Deutschland 1610, 1614 und 1674.

Moriz Sondheim schrieb in der Zeitschrift für Bücherfreunde 1897, Philobiblon gehöre zu „den anziehendsten Literaturdenkmälern des Mittelalters. Sie erzählt uns die Leiden und Freuden eines Bibliophilen aus der Zeit, da die Druckkunst noch nicht erfunden war, und die Schwierigkeit, Handschriften zu erhalten, den Reiz des Sammelns noch erhöhte.“ In einem Prolog und zwanzig kurzen Kapiteln enthält es die ‚Philosophie der Bücherliebe‘, wie sie von ihrem Autor verstanden wird, und ist biografisch wie historisch eng mit der Ära verbunden, widmet sich der Methodik des Sammelns, auf die sich Richard de Bury in der Zeit vor Gutenberg wie kein anderer verstand. 

Philobiblon darf zu Recht auch als Erstlingswerk der Bibliothekswissenschaft gelten, denn das vom Autor vorgeschlagene Projekt zur Gründung einer öffentlichen Bibliothek war nicht nur neu, sondern für seine Zeit auch erstaunlich originell. Das Schicksal der Bibliothek von Richard de Bury war indes unglücklich. Er plante, ein spezielles Seminar an der Universität Oxford zu errichten, das ihm ein konstantes Einkommen wie auch seinen Studenten einen Unterhalt sichern sollte. Zudem sollte seine Sammlung allen Studenten der Universität stets zur Verfügung stehen. 

Er hatte jedoch nicht die Mittel, um ein Seminar einzurichten. Die Bücher wurden dennoch nach Oxford geschickt, wo sie lange Zeit in Kisten im Durham College des Benediktiner-Ordens aufbewahrt wurden. Erst unter König Heinrich IV. (1399–1413) wurden sie den Lesern, zumindest teilweise wohl, zugänglich gemacht. Jedoch wurde das College unter Heinrich VIII. (1491–1547) geschlossen und die Bibliothek aufgelöst. Heute sind nur noch zwei Bücher aus der Sammlung de Bury bekannt – eines in der Bodleian Library in Oxford, eines im British Museum in London.

Richard de Bury ist in der Kathedrale der englischen Stadt Durham begraben, wo er auch Bischof war. Das Denkmal über seinem Grab wurde zerstört. Und so errichteten ihm im Jahr 1911 weder Kirchenmänner, noch staatliche Behörden, sondern tatsächlich Bibliophile, Mitglieder eines der ältesten Buchclubs – The Grolier Club – der Welt ein neues Grabdenkmal. Dem Bildhauer halfen dabei die erhaltenen Drucke von den Siegeln des Bischofs, die sein Aussehen darstellen, bei der Ausführung des Epitaphs. Weitere Informationen finden sich auf der Webseite von History of Information. Das Seitenbeispiel (vgl. die zweite Abbildung) entstammt den Düsseldorfer Exemplar der Erstausgabe, das sich im Besitz der dortigen Heinrich-Heine-Universität befindet. 

(Maria Bogdanovich)

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