In voller Blüte: Die Pirckheimer erleben ihre bis dato produktivste Zeit. Die Mitgliederzahlen übersteigen die 1000er-Marke, die Gesellschaft erhält mit dem Pirckheimer-Kabinett ein eigenes Museum auf Schloss Burgk.
1981
Am 23. März eröffnet das Staatliche Museum Schloß Burgk ein Pirckheimer-Kabinett, das sich in den folgenden Jahren durch zahlreiche Ausstellungen und Kataloge zu einer wichtigen Institution der Bibliophilie entwickelt. Idee und Ausführung liegen in den Händen von Lothar Lang, der seit 1980 Direktor des Museums ist. Die erste Ausstellung gilt Meisterwerken der Buchillustration in der DDR. Schon am 15. Juni folgt Buchkunst bei Reclam. Die Kataloge des Pirckheimer-Kabinetts werden zu einem beliebten Sammelobjekt. Im September wird das Jubiläum 25 Jahre Pirckheimer-Gesellschaft mit einem Jahrestreffen in Berlin begangen. Horst Kunze zieht in seinem Festvortrag eine positive Bilanz: Ein wesentliches Verdienst sei, »daß Bibliophilie kein Fremdwort mehr ist, das man argwöhnisch betrachtet«. Bruno Kaiser gibt aus Rücksicht auf seine Gesundheit den Vorsitz der Gesellschaft ab und wird vom Präsidium des Kulturbundes zum Ehrenvorsitzenden der Pirckheimer-Gesellschaft berufen. Den Geschäftsführenden Ausschuss bilden Wolfram Körner (Vorsitz), die Generaldirektorin der Deutschen Staatsbibliothek, Friedhilde Krause, Horst Kunze, Klaus Lenk und der Kunstwissenschaftler Hartmut Pätzke. In der Mitgliederversammlung wird Unmut über den steigenden Export von alten Büchern und Graphik in die Bundesrepublik laut. Das Angebot in den meist staatlichen Antiquariaten ist deshalb immer kümmerlicher. Eine Ausstellung würdigt das Pirckheimer-Jubiläum, andere zeigen Kostbarkeiten der Deutschen Staatsbibliothek und Ärzte-Exlibris (Marginalien, 1981, H. 84; 1982, H. 88). Am 21. November findet in Dresden das erste Bezirkstreffen statt, auf dem eine Bezirksorganisation Dresden ins Leben tritt. Ihr Vorsitzender wird der Buchhändler, Antiquar und Graphiksammler Manfred Artur Fellisch, der im Januar dieses Jahres schon die Radebeuler Gruppe aus den Händen von Fritz Treu übernommen hat (Marginalien, 1982, H. 86). Die drei Nordbezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg veranstalten ihr erstes gemeinsames Jahrestreffen, das bis Ende der achtziger Jahre zu einer Institution wird. Auf Initiative der Rostocker Pirckheimer-Gruppe ist im vergangenen Jahr unter der Leitung von Johannes Lischke eine Bezirksgruppe gegründet worden, der es in den kommenden Jahren gelingt, weitere Ortsgruppen in Stralsund, Wismar und Greifswald zu bilden. Eine Sammlergemeinschaft »Küste« wird unter Anteilnahme der Rostocker Pirckheimer-Freunde eingerichtet, die bald 250 Mitglieder in allen Landesteilen hat. Ziel ist die Vermittlung von neuen Graphikeditionen (Marginalien, 1986, H. 102). Die neu entstandene Bezirksgruppe Gera trifft sich auf Schloß Burgk zum ersten Jahrestreffen.
1982
Wieder gibt eine Internationale Buchkunst-Ausstellung Anlass zu einem Jahrestreffen in Leipzig, vom 14. bis 16. Mai. Veranstaltungen zu Bernhard Heisigs Faust-Illustrationen und zur Editionsfolge Leipziger Bilderbogen machen mit neuen Aspekten der Leipziger Buchkunst bekannt. Albert Kapr spricht über Buchkunst auf der iba und Dieter Gleisberg über Max Klinger (Marginalien, 1983, H. 89). Neben einer Mappe mit Graphik zur Literatur von Leipziger Künstlern wie Egbert Herfurth, Karl-Georg Hirsch, Christa Jahr, Heiner Vogel und Volker Wendt erhalten die 412 Teilnehmer einen Sonderdruck des Reclam-Verlages, mit dem Hans Marquardt für die neue eingerichtete Dürer-Presse wirbt. Marquardt läßt in den kommenden Jahre weitere Sonderdrucke folgen, teilweise mit beigelegten Originalgraphiken. In der Deutschen Bücherei zeigen die Leipziger Pirckheimer die Ausstellung Sammlerfreuden. Am 20. Mai 1982 konstituiert sich im Frankfurter Klub »Johannes R. Becher« eine Bezirksgruppe Frankfurt (Oder), die von dem Mitarbeiter des Bezirksmuseums Horst-Jürgen Schmidt (Vorsitz) und dem Buchhändler Hans-Jürgen Rehfeld geführt wird. Am 17. Juni bildet sich in Stralsund unter der Leitung von Gisela Klostermann, Wissenschaftlicher Mitarbeiterin im Stadtarchiv, eine Pirckheimer-Gruppe. Am ersten Abend spricht Konrad Kratzsch über Goethe und die Weimarer Republik (Marginalien, 1983, H. 89, und 1998, H. 149).
1983
Die Jahrestreffen werden zunehmend ein logistisches Problem. In der DDR gibt es zu wenig Hotels mit zu wenig Betten, die fast immer belegt sind. So muß die Teilnehmerzahl des Treffens in Potsdam vom 14. bis 16. Oktober auf 200 begrenzt werden. Die Festvorträge gelten den Neuruppiner Bilderbogen (Lisa Riedel, Museumsdirektorin in Neuruppin) und dem unverkennbar preußischen Thema Alte deutsche Militärliteratur (Helmut Schnitterer, Oberstleutnant vom Militärgeschichtlichen Institut). Das Potsdamer Antiquariat eröffnet am Sonntag früh zu einem gut ausgestatteten Sonderverkauf. Lange vor Beginn bildet sich eine Schlange von »erheblicher Stärke« (Marginalien, 1984, H. 95). In Bautzen nimmt am 15. Juni ein Kreisverband die Arbeit auf, der sich vor allem der Pflege und Bewahrung des sorbischen Buches annimmt. Die Gruppe steht in engem Kontakt zum »Museum für sorbisches Schrifttum« und zum Domowina Verlag. Die Cottbuser Bezirksorganisation zieht nach fünf Jahren Bilanz: Aus zehn Mitgliedern sind inzwischen 60 geworden. 54 Abende, zwei Graphikmappen, die Faksimileausgabe der 1787 erschienenen Gesammelten Nachrichten zur Geschichte der Stadt und Herrschaft Cottbus und ein Katalog zur Ausstellung Akt-Exlibris zeugen von einer regen Arbeit. Die Ausstellung im Schloß Branitz mit 300 Exlibris aus dem Besitz der Sammler Albrecht Scholz und Axel Leier wurde von 5000 Besuchern gesehen (Marginalien, 1982, H. 88). Am 16. November folgt die VI. Cottbuser Buch- und Graphikauktion (Marginalien, 1982, H. 89). Nachdem es bereits in Thüringen und Mecklenburg Treffen im Rahmen der alten Landesgrenzen gibt, veranstalten am 17. September erstmals die sachsen-anhaltischen Bezirksgruppen den ersten Magdeburgisch-Halleschen Pirckheimer-Tag, dem bis 1993 zehn weitere folgen werden (Marginalien, 1984, H. 94). In Rudolstadt stellt sich eine Pirckheimer-Gruppe mit einer Ausstellung zur graphischen Technik des Holzschnitts in der Kulturbund-Galerie »Heinrich Cotta« vor. Zu sehen sind vom 4. November bis 2. Dezember Arbeiten von Gerhard Altenbourg, Karl-Georg Hirsch, Günter Huniat, Wolfgang Mattheuer, Harald Metzkes, Wilhelm Rudolph, Werner Wittig und anderen aus dem Besitz von Mitgliedern (Marginalien, 1983, H. 89). In Berlin übernimmt am 20. Januar der Kunsthistoriker Hartmut Pätzke die Leitung der Pirckheimer-Gruppe (Marginalien, 1983, H. 90).
1984
In Wismar nimmt am 18. Mai eine Pirckheimer-Gruppe von acht Mitgliedern die Arbeit auf (Marginalien, 1984, H. 93). In Wittenberg veranstaltet eine Pirckheimer-Gruppe am 10. April ihren ersten Abend. Rainer Behrends (Kustos der Universität Leipzig) spricht über das Fest-Epistolar Friedrichs des Weisen, soeben nach dem Original der Wittenberger Schloßkirche bei Edition Leipzig in Faksimile erschienen (Marginalien, 1984, H. 95). Elke Stiegler, Mitarbeiterin der Lutherhalle, leistet in den kommenden Jahren die Hauptarbeit, unterstützt von Hansjürgen Schulz, Direktor des Evangelischen Predigerseminars, und seiner Frau Erika, Bibliothekarin des Predigerseminars Wittenberg. Das Jahrestreffen findet vom 25. bis 27. Mai in Cottbus statt. Neben vielen Besichtigungen, Ausstellungen zum Exlibris im Bezirk Cottbus und zu Sammlungen Cottbusser Mitglieder gibt es Diskussionen in Arbeitsgruppen und Festvorträge zum sorbischen Buch (Peter Mahling vom Institut für sorbische Volksforschung), zur Kunst des Exlibris (Lothar Lang) und zu einem Gemälde von Carl Blechen im Schloß Branitz (Lothar Brauner). Trotz dieses reichhaltigen Programms resümiert die Chronistin, daß die Buch- und Graphikauktion das »spannendste Ereignis« war (Marginalien, 1984, H. 96). Die Teilnehmer erinnern sich noch Jahre später an die Festtafel. Auszubildende haben als Gesellenstück ein aufwendiges Büfett mit vielen Darstellungen nach der Natur arrangiert. Den Höhepunkt des bibliophilen Jahres bildet der XX. Internationale Exlibris-Kongress, der vom 25. bis 28. August von der Pirckheimer-Gesellschaft in Weimar ausgerichtet wird. Lothar Lang begrüßt als Präsident der F.I.S.A.E. 293 Teilnehmer aus 19 Ländern. Der Kulturbund finanziert großzügig alle Projekte. Mehrere Ausstellungen und Vorträge künden vom regen Exlibris-Leben in der DDR, so die Expositionen Die Kunst des Exlibris in der DDR aus den Beständen des Staatlichen Museums Schloß Burgk, Exlibris in Dresden von 1900 bis 1930 und Ärzte-Exlibris 1900 bis 1930 aus den Sammlungen des Dresdner Pirckheimer-Freundes Albrecht Scholz und seiner Frau Ingrid sowie die Älteste deutsche Exlibris-Sammlung aus dem Besitz des Berliner Pirckheimer-Freundes Bernhard Stübner. Eine Busfahrt führt nach Schloß Burgk, wo die Ausstellung Exlibris vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart zu sehen ist, eine zweite nach Eisenach zur Wartburg. Auf der Rückfahrt von dort wartet im Schlößchen Molsdorf auf die Exlibris-Freunde eine Ausstellung von 200 meist erotischen Exlibris von Franz von Bayros. Dresden hat wieder einen eigenen Graphik-Markt, der sich schnell zu einem bedeutenden Ereignis im bibliophilen Jahr entwickelt und bis heute eine Institution geblieben ist. Eine Arbeitsgruppe der Pirckheimer-Gesellschaft und der Hochschulgruppe des Kulturbundes unter Leitung von Glaubrecht Friedrich (Kupferstich-Kabinett Dresden), mit Andreas Dehne, Norbert Köppe, Gerhard Tietze, Claus Weidensdorfer und Carola Zsolna, richtet diesen Markt am 3. und 4. November in der Mensa der Medizinischen Akademie aus. Die 2000 Besucher haben einige begehrte Blätter schon nach 15 Minuten aufgekauft (Marginalien, 1985, H. 99). Aus der Organisation der Radebeuler Graphikmärkte, die von der Stadt weiter veranstaltet werden, hat sich die Pirckheimer-Gruppe nach Meinungsverschiedenheiten über die Graphikauswahl zurückgezogen. Der erste Druck der Berliner Graphikpresse erscheint: Hans Vent, Zehn Radierungen, mit einem Text von Gudrun Schmidt, von Manfred Wolf und Dieter Béla in 50 Exemplaren gedruckt im Auftrag der Pirckheimer-Gesellschaft. Bis zum Ende der DDR erscheinen vier weitere Drucke, zwei Mappen von mehreren Künstlern und Zyklen von Klaus Magnus und Nuria Quevedo, durchweg mit Originalgraphiken, für die die Pirckheimer-Gesellschaft verantwortlich zeichnet. Initiatoren sind Peter Röske und Ekkehard Hellwich. Hans-Joachim Walch, Künstlerischer Leiter des Insel-Verlages, übernimmt mit Heft 95 die Gestaltung der Marginalien und führt sie nach dem Konzept des verstorbenen Horst-Erich Wolter fort.
1985
In Halle übernimmt am 1. April der Kunsthistoriker Hans-Georg Sehrt den Vorsitz der Bezirksgruppe (Marginalien, 1985, H. 99). Die Leipziger Pirckheimer-Gruppe publiziert in enger Zusammenarbeit mit dem Holzstecher Karl-Georg Hirsch das erste Heft der Reihe 24 x 34. Blätter zu Literatur und Graphik, mit dem die rege Herausgabe bibliophiler Drucke in Leipzig ihren Anfang nimmt: Walther Petri, Zwei Gedichte, mit einer Schablithographie von Rolf Münzner. Um das staatliche Genehmigungsverfahren zu umgehen, werden nur 50 Exemplare gedruckt – Künstlerdrucke bis zu dieser Auflagenhöhe sind von der Vorzensur freigestellt. Die ersten fünfzehn Hefte erscheinen bei der Ortsgruppe Leipzig der Pirckheimer-Gesellschaft, die zweiten fünfzehn bis zum Jahr 2000 beim Leipziger Bibliophilen-Abend, alle herausgegeben von Herbert Kästner. Die zum Jahrestreffen in Tabarz (Thüringen) vom 12. bis 14. April angereisten Teilnehmer müssen erfahren, daß der Gastgeber, der Schriftsteller Franz Hammer, kurz vor der Tagung gestorben ist. Er hat alles so gut vorbereitet, daß das Programm in seinem Sinne ablaufen kann. Eine Exkursion führt nach Gotha zum Schloß Friedenstein und der Schloßbibliothek. Die Vorträge halten der Verleger Elmar Faber, der über 40 Jahre Kulturbund und 40 Jahre Aufbau-Verlag spricht, und der Lektoratsleiter im Aufbau-Verlag Gotthard Erler, der über die Kulturlandschaft Thüringen referiert. Zu einer Veranstaltung findet sich überraschend, aus strömendem Regen auftauchend, ein Herr Imhoff ein, Thüringer Nachfahre der Frau von Willibald Pirckheimer, und wird mit großem Applaus empfangen. Am 8. Juli stirbt Franz Fühmann. Seit 1961 Mitglied der Gesellschaft, war er 1981 zu einer Lesung aus Anlass des Jubiläums 25 Jahre Pirckheimer-Gesellschaft eingeladen worden. In seiner Absage scherzte er, er habe sich die Fünfzigjahrfeier vorgemerkt: »so long« (Marginalien, 1984, H. 96).
1986
Am 29. Januar begeht die Pirckheimer-Gesellschaft in der Deutschen Staatsbibliothek zu Berlin ihr dreißigjähriges Gründungsjubiläum mit einer großen Ausstellung Freude an Buch und Graphik. Ende des vergangenen Jahres zählte sie 1080 Mitglieder. Die Dresdner Pirckheimer treffen sich am 31. Mai zu ihrem zweiten Bezirkstreffen. Seit dem letzten Treffen (1981) fanden im Bezirk 60 Veranstaltung statt, davon 40 in Dresden und Radebeul, nur eine geplante Zusammenkunft fiel aus (Marginalien, 1986, H. 104). Die Leipziger Gruppe zeigt in der Deutschen Bücherei eine stark beachtete Jubiläumsausstellung 30 Jahre Pirckheimer-Gesellschaft – 30 Jahre Bezirksgruppe Leipzig mit Exponaten aus den Sammlungen von Mitgliedern. Wie in anderen Fällen auch, gilt das Jahrestreffen vom 5. bis 7. September einer noch jungen Regionalgruppe: Frankfurt (Oder), seit langem vor allem Industriestadt, hat eine bedeutende kulturelle Geschichte, die im wesentlichen durch die hier bis 1811 angesiedelte brandenburgische Universität begründet war. Vorträge von Conrad Grau (Akademie der Wissenschaften Berlin) über die Geschichte der »Viadrina« und von Hans-Erich Teitge über den Frankfurter Buchdruck im 16. Jahrhundert erinnern daran. Hans-Jürgen Rehfeld hat dazu eine eindrucksvolle Ausstellung mit Frankfurter Frühdrucken im Stadtarchiv vorbereitet. Neben anderen Besichtigungen finden das Kleist-Museum und die Stiftskirche in Neuzelle das Interesse der Teilnehmer.
1987
Das Jahrestreffen in Dresden vom 11. bis 13. Dezember wird von Jürgen Kuczynski mit einer Plauderei Jahre mit Büchern eröffnet. Der »linientreue Dissident«, wie er sich nach dem Ende der DDR nennt, erlaubt sich besonders seit Anbruch der Gorbatschow-Ära manchen politischen Seitenhieb gegen Verkrustungen und Langeweile im Land. Auch die Lesungen mit Wulf Kirsten und Jürgen Rennert führen hin zu kritischen Gesprächen über den gesellschaftlichen Zustand. Zwei Kataloge, in der Regie der Pirckheimer-Gesellschaft Berlin und der Bezirksgruppe Dresden entstanden, werden überreicht: Martin Erich Philipp (1887-1978). Das druckgraphische Werk und Dresdner Exlibris heute (Marginalien, 1988, H. 111). In Cottbus übernimmt am 20. Januar Gerd Lenke den Vorsitz der Bezirksorganisation (Marginalien, 1987, H. 106). Die Pirckheimer-Gruppe Gera veröffentlicht einen von Jens Henkel herausgegebenen Pressendruck Türen mit Lithographien und Serigraphien von Steffen Vollmer und Texten von Jörg Kowalski (Marginalien, 1988, H. 112). In Berlin gründet sich anläßlich des 750jährigen Stadtjubiläums ein Freundeskreis Miniaturbuch, dem bald auch Pirckheimer-Freunde angehören.
1988
Die Pirckheimer-Gesellschaft kündigt für 1990 ein Jahrbuch Sibi et amicis an, das in loser Folge alle drei bis fünf Jahre Studien zu Buchkunst, Bibliophilie und Buchwissenschaft veröffentlichen soll. Die Idee stammt von Horst Kunze, die Redaktion übernimmt der Leipziger Buchwissenschaftler Reimar Riese (Marginalien, 1988, H. 111). Das aufwendig vorbereitete Projekt wird in den Strudel der deutschen Einheit geraten und aufgegeben werden. Die Autoren des fast fertiggestellten ersten Bandes werden immerhin vom Verlag Rütten & Loening Abstandshonorare erhalten. Viele Manuskripte gehen in das 1991 vom Leipziger Arbeitskreis Geschichte des Buchhandels erstmals herausgegebene Leipziger Jahrbuch für Buchgeschichte ein. Auf den Veranstaltungen zu den »Schönsten Büchern des Jahres« werden zunehmend Klagen über die schlechte Qualität der Bücher laut, so im März in Leipzig. Albert Kapr rügt die abnehmende Papierqualität und Druckschwankungen (Marginalien, 1988, H. 111). Nach dem Tod von Horst Bunke übernimmt Herbert Kästner die Leitung der Leipziger Pirckheimer. Horst Hussel gibt im Auftrag der Pirckheimer-Gesellschaft eine originalgraphische Mappe Alexander Olbricht, Sieben Radierungen aus Weimar, heraus. Der Druck erfolgt aus dem Nachlaß des Künstlers von den unverstählten Platten in einer Auflage von 150 Exemplaren. Vom 11. bis 13. November treffen sich die Pirckheimer in Wolgast, um unter dem Generalthema Exlibris ihre Jahrestagung abzuhalten. An die Ostsee hat sie die Ratsvorsitzende des Kreises gelockt, die in der Presse las, daß die Pirckheimer-Gesellschaft im Harz keine Unterbringung gefunden habe. Horst Schmidt, der schon das Treffen in Frankfurt (Oder) organisierte und inzwischen Museumsleiter in Wolgast ist, sorgt für einen reibungslosen Ablauf. Vorträge und Ausstellungen machen mit dem Exlibriswerk von Bruno Héroux, David Bekker (Odessa) und dem Motiv »Das Urteil des Paris« im Exlibris bekannt. Das Lindenantiquariat Berlin hat ein Angebot an antiquarischen Bücher herbeigeschafft, das zum Leidwesen der Interessenten heftiges Gerangel auslöst. Die Tauschbörse, Höhepunkt von Exlibristreffen, verläuft dagegen matt. Erfreut sind die Teilnehmer dagegen über die Führungen durch Bibliotheken und Baudenkmale in Wolgast und Greifswald (Marginalien, 1989, H. 115). Zum Jahresende zählt die Gesellschaft 1145 Mitglieder (Pirckheimer-Archiv, Nr. 98).
1989
Das Jahrestreffen findet vom 26. bis 28. Mai in Leipzig statt, wo zu dieser Zeit die iba ihre Tore geöffnet hat und Anlass zu zahlreichen Besichtigungen und Gesprächen in den Sonderausstellungen bietet. Von der allgemeinen Lethargie im Land haben sich die organisierenden Leipziger Pirckheimer-Freunde nicht beeindrucken lassen: Die vielen Angebote kann der Chronist in den Marginalien kaum bewältigen. Die Gaben für die nahezu 400 Teilnehmer sind durch die Mithilfe der Leipziger Verlage und der Deutschen Bücherei besonders reichhaltig, darunter die Faksimile-Ausgabe der Handzeichungen und Gedichte von Erich Mühsam nach dem Original aus dem Besitz von Theo Pinkus und die Monographie Schrift- und Buchkünstler Albert Kapr von dem kurz zuvor gestorbenen Vorsitzenden der Leipziger Pirckheimer-Gruppe Horst Bunke. Mehrere Veranstaltungen belegen die enge Verbundenheit der Leipziger Bibliophilen zur Hochschule für Graphik und Buchkunst: So führt Albert Kapr in die Ausstellung Kalligraphische Expressionen mit Arbeiten von zwölf Schriftkünstlern der DDR ein und stellen Renate Hartleb und Anneliese Hübscher die Ausstellung Die Hochschule für Graphik und Buchkunst Leipzig 1945-1989 vor. Große Beachtung findet die Schau Leipzig – Stadt des Buches und der Buchkunst in der Hörsaal-Galerie der Universität, in der Leipziger Pirckheimer Schätze aus ihren Sammlungen zeigen (Marginalien, 1990, H. 117). Auf der iba erhält ein Pressendruck der Pirckheimer-Gruppe Gera eine Goldmedaille: Schwarz angesagt & andere bestechende Gefühle, mit Texten von Matthias Biskupek und Holzstichen von Karl-Georg Hirsch, gestaltet von Gert Wunderlich (Marginalien, 1990, H. 117). Der Herausgeber Jens Henkel veröffentlicht die geplanten weiteren Drucke ab 1990 in dem von ihm gegründeten Verlag burgart-presse. Im Mai 1989 besuchen Wolfram Körner und Hartmut Pätzke den Berliner Bibliophilen Abend im Westteil von Berlin. Im Hause des Vorsitzenden Dieter Lemhoefer spricht Pätzke über Eduard Fuchs. Während in Berlin Demonstranten gegen die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR auf die Straße ziehen, veranstalten die Exlibris-Sammler vom 6. bis 8. Oktober den ersten Exlibris-Tag auf Schloß Burgk. Unter den 100 Teilnehmern befinden sich auch zahlreiche ausländische Gäste aus Österreich, den Niederlanden und der Sowjetunion. Unter dem Motto »Ein gutes Exlibris rettet jeden Namen für den Himmel« stellen Sammler ihre Blätter vor, tauschen und diskutieren mit Albrecht Scholz, Egbert Herfurth und Detlef Olschewski über das Exlibris-Sammeln. Lothar Lang und die Mitarbeiter führen durch die wachsende Exlibris-Sammlung des Museums, die erst wenige Jahre zuvor durch die umfangreiche Schenkung des Sammlers Paul Heinicke begründet wurde (Marginalien, 1990, H. 117). Geplante Folgeveranstaltungen unterbleiben nach dem Ende der DDR. Nach Beratungen im Vorstand am 15. November setzt Wolfram Körner einen Forderungskatalog auf, den er im Namen der Pirckheimer-Gesellschaft an Kulturbund, Volkskammer und verschiedene andere Institutionen und Parteien schickt. Im apodiktischen Ton der Zeit wird gefordert, den einseitigen Transfer von Sammlungsgut nach dem Westen zu stoppen, die Bibliotheken besser auszustatten, die Enteignungen von Kunstsammlern einzustellen und die Bevormundung der Pirckheimer-Gesellschaft durch den Kulturbund zu beenden. Im Rundschreiben des Vorstandes vom 15. Dezember wird die Frage aufgeworfen, ob die Pirckheimer-Gesellschaft unter dem Dach des Kulturbundes bleiben soll.