Pirckheimer-Blog

Fr, 26.08.2022

Noch bis zum 30.10. werden die Arbeiten von Halina Kirschner in Erfurt gezeigt.
Die Künstlerin illustrierte zuletzt "Trieste Centrale" von Jaroslav Rudiš. ǀ © Halina Kirschner

Das Huhn & die Harfe

Die Sommerausstellung im Molsdorfer Schlossmuseum (Schloßplatz 6, 99096 Erfurt-Molsdorf) ist in diesem Jahr Halina Kirschner gewidmet. Sie wird seit dem 24. Juli und noch bis zum 30. Oktober 2022 gezeigt. Neben preisgekrönten Buchillustrationen sind vor allem Riso- und Serigrafien der vielseitigen Leipziger Grafikerin zu bewundern, die in Farb- und Formenreduktion große Ausdruckskraft entwickeln, voll Witz und Humor sind und Kirschners feiner, empathischer Beobachtungsgabe. So sind etwa zahlreiche Bilder ihrer Kalender-Geschichten zu sehen. Auch wird Kirschners neuestes Buchprojekt vorgestellt. Nach den Illustrationen zur Grasharfe, dem Klassiker von Truman Capote, hat sich die Künstlerin nun einem weiteren „Eisenbahnausflugsziel“ von Jaroslav Rudiš gewidmet: Trieste Centrale erschien im März 2022. Das Büchlein korrespondiert mit dessen gefeiertem Winterberg-Roman. Im Rahmen ihrer Ausstellung wird Halina Kirschner gemeinsam mit  Museumskuratorin Silke Opitz zudem endlich das weiße Kaninchen aus dem Grünen Schlosszimmer „befreien“. Das barocke Tierporträt befindet sich in der Wandverkleidung des einst voll vertäfelten Prunkraumes. Es stammt wohl vom Erfurter Maler Jacob Samuel Beck (1715–1778). Nun soll das Kaninchen eine eigene Geschichte bekommen und damit durch den Schlossgarten hoppeln. Dort sind spielerisch Rätsel zu lösen, und der*die Kaninchenfreund*in erfährt so ziemlich alles über den Schlossgarten … Auf nach Molsdorf!

(André Schinkel/Pressemitteilung)

Do, 25.08.2022

Unter zünftigem Titel erschien ein neues Buch in der Edition M & M.
Der Steinbock und der Wassermann, die gehen es verschieden an ...
... das Lustgebrüll des wilden Leu macht indes das Krebstier scheu.

Explizite Astrologie

Auf diesem Buch machte sich, wenn das nicht schnöde wäre, ein Aufkleber mit dem Hinweis „Explicit Lyrics“ nicht schlecht – denn der Doppelzeiler „Der Krebs krebst meist so vor sich hin, / empfindet Sex als Widersinn“ ist noch eines der harmloseren Beispiele der „versaut-poetischen Sterndeutungen“ von Frank Schulz, das unter dem schon keine Fragen mehr offen lassenden Titel Sternzeichen-Fick-Info als originalgrafisches Buch mit dreizehn zweifarbigen Holzschnitten von Jürgen Meyer Jurkowski in der Edition M & M desselben soeben erschien.

Im seligen Gründungsjahr 1998 ist die Edition M & M mit dem Vorsatz angetreten, jedes Jahr ein originalgrafisches Buch herauszugeben. Dass es in 24 Jahren nur sieben Bücher von sechs Autoren geworden sind, lässt sich unter „gelebte Langsamkeit“ abhaken. Selbstironisch und realitätsnah heißt Jürgen Meyer Jurkowskis (JMJ) Devise heute: "Keine neuen Bücher, bevor die alten nicht verkauft sind!" Aber nun ja, nix gilt ewig. In Abweichung von dieser ‚Maxime‘ ist nach mehrjähriger Enthaltsamkeit wieder eine Neuerscheinung der Edition zu vermelden.

Diesmal hat sich JMJ zwei lyrische Texte des bekannten Romanautors Frank Schulz (Das Ouzo-Orakel, die Onno-Viets-Romane) ausgesucht. Schon der Haupttitel Sternzeichen-Fick-Info kennt augenscheinlich keine Euphemismen und gibt unmissverständlich an, worum es geht: Um Sex, Erotik, Lust und Triebe. „Der Reiz“, so Meyer Jurkowski, „sich mit besagtem Thema künstlerisch auseinanderzusetzen, ist ungebrochen und unerschöpflich. Nach wie vor hat die ‚normalste Sache der Welt‘ einen hohen Tabuisierungsgrad und großes Erregungspotential.“ Moralapostel und Freigeister stehen sich da seit Äonen unversöhnlich gegenüber. Besonders in Zeiten von Hypermoral und Political Correctness mit ihrer zunehmenden Verbots-Kultur werden Künstler ganz schnell mit der Frage nach der Korrektheit ihres Tuns konfrontiert.

Das 38-seitige Buch ist dabei als eine klare Antwort zum oben angesprochenen Problem gemeint; und es ist zugleich ein Statement für die Freiheit der Kunst: Ein „Du-darfst“ von – so JMJ – dubiosen „Saubermännern und -frauen“ kann es nicht geben. „Kunst braucht keine Erlaubnis. Was sie braucht, ist der gepflegte Tabubruch. Die Fick-Info erfüllt das Tabubruch-Postulat auf poetische Weise und darf als ein Akt gegen eine moralinsaure sprachliche Zensur interpretiert werden.“ Bildende Künstler wie Cranach, Rubens, Rembrandt, Beardsley, Courbet, Picasso, Dalí, Schiele, Zille u. v. a. haben gewagte, freizügige Bilder geschaffen. Skandale, Verbote, empörtes Geschrei gab es dabei nahezu immer.

Sprich: Frank Schulz und JMJ befinden sich literatur- und kunsthistorisch in guter Gesellschaft. Die frühen Japaner und Chinesen, die alten Ägypter, die Griechen und Römer der Antike erotisierten in Text und Bild auf höchstem Niveau. Über die Jahrhunderte bis in die Gegenwart wurde zum Thema weitergedichtet, -gemalt, -fotografiert, -gefilmt. Aber worum geht es bei Schulz’ Text? Er wählt die Form des Horoskops und „untersucht“ in zwei Gedichten die Frage, was die Sterne über die sexuellen Eigenschaften, Macken und, nun, Leistungen der Männer orakeln. Dabei deutet er die Gestirne zunächst in 13 sauber gereimten Strophen aus der Sicht Von Girls für Girls. Eine ganz andere Perspektive bietet dann das finale einstrophige Kurzgedicht Von Boys für Boys.

JMJ weiter: „Schulz dichtet drastisch versaut und wild drauflos. Das ist selbstironisch, voller Witz, ist pure Lust an sprachlicher Grenzüberschreitung – ein Schuss Dada, ein Schluck Reeperbahn, viel Volksmund." Meyer Jurkowskis Holzschnitte sind derweil nicht minder liederlich und ironisch, auch wenn er auf die Darstellung des Menschen beim Geschlechtsakt völlig verzichtet. Seine Illustrationen haben keine in Bilder umgesetzten Textbezüge, sondern sie sind frei am Gesamtthema orientierte Bildfindungen.

Herausgekommen ist ein kraftvolles, zeichenhaftes Formenspiel mit Details der ‚Sexualspielzeuge“ des Homo eroticus. Und das Handwerkliche? Passend zum Thema: expressive Farbgebung in Schwarz und Rot für hervorgehobene Textteile und als Zweitfarbe der Holzschnitte, Schleipen-Werkdruckpapier, Vor- und Nachsatz in Rot, Bezugs-Gewebe mit Deckelprägung. Die Buchbinderei Zwang hat alles zueinandergefügt. Zu perfekt? Auf keinen Fall. Das ist der Anspruch von M & M: „Nur so wird’s ‚Erotic Art‘: Honi soit qui mal y pense.“ Dem ist wohl nichts weiter hinzuzufügen. Mit einem Schutzumschlag von Klaus Raasch gehüllt, sind 20 Verkaufsexemplare für einen Preis von 560 Euro erhältlich. Kontakt: jmj.meyer@gmx.de. Man beeile sich.

Frank Schulz: Sternzeichen-Fick-Info
Mit 13 zweifarbigen Holzschnitten
von Jürgen Meyer Jurkowski
38 Seiten, Gewebeeinband mit SchU
25 Exemplare, 20 für den Verkauf
Hamburg: Edition M & M, 560 Euro

(André Schinkel/Pressemitteilung)

Di, 23.08.2022

Die "BücherLust" findet am 10. und 11. September in Berlin statt.

Freikarten für die BücherLust

Die Pirckheimer-Gesellschaft verlost für die BücherLust am 10. und 11. September 2022 in Berlin-Karlshorst auf ihrem Blog 10 Freikarten. Die Gewinner haben dann, durch die Nennung ihres Namens und des Gewinns, freien Einlass auf der Messe. Die Verlosung wendet sich gerade auch an Nicht-Mitglieder – denn Interessenten, die sich als Pirckheimer zu erkennen geben, haben auf der BücherLust überdies freien Eintritt. Der Verein bietet an dem Wochenende in der Tribünen-Halle ein umfängliches Programm – so werden u. a. Klaus EnsikatDieter Goltzsche und Gunnar Decker, der Kindermann-Verlag, die Bücherkinder, der Quintus-Verlag, Matthes & Seitz, die Friedenauer Presse sowie die Büchergilde Gutenberg mit einem neuen Band von Hans Ticha erwartet. Interessenten wenden sich bitte an unsere Blogadresse (blog@pirckheimer-gesellschaft.org). Herzlich willkommen zur BücherLust!

(André Schinkel/Ralph Aepler)

So, 21.08.2022

Clifton Meadors Buch-Kunst wird in Wien gezeigt.

Denken durch Drucken

Der amerikanische Künstler und Autor Clifton Meador scheint auf eine besondere Weise druckend zu denken. Seine subtilen, oft historisch-politischen und fotografiebasierten Bücher sind im experimentellen Druck entstanden. Dabei verwendet er Dokumentarfotografien, die er auf Reisen gemacht hat, durch Bearbeitung und vor allem experimentellen Offsetdruck werden dortige Konflikte subtil sichtbar. Die Ausstellung legt den Schwerpunkt auf Meadors Künstlerbücher zu Osteuropa sowie zum aktuellen East-India-Company-Projekt, das exemplarisch Objekte des Kolonialismus fokussiert. Die Wiener Galerie Druck & Buch unter der Leitung von Susanne Padberg (Berggasse 21/2, A-1090 Wien, ganz in der Nähe des Freud-Hauses) zeigt die Arbeiten des Amerikaners vom 1. (Vernissage um 19 Uhr) bis zum 30. September 2022. Am 15.9. findet um 19 Uhr ein Künstlergespräch mit Clifton Meador statt. Die Galerie ist in der Ausstellungszeit von Montag bis Freitag zwischen 11 und 19 Uhr geöffnet.

(André Schinkel/Pressemitteilung) 

Do, 18.08.2022

"Ursache & Wirkung" erschien im Verlag Gunter Oettel in Görlitz.

Ursache & Wirkung

Für den Katalog Ursache & Wirkung – Grafik in der DDR aus der Sammlung Novoisky hat die Kuratorin und Autorin Claudia Jansen Grafiken aus der gleichnamigen Ausstellung im Städtischen Museum Zittau (02.10.2021 bis 30.01.2022) ausgewählt. Schwerpunkt sind Arbeiten der Jahre 1970 bis 1990. Der Inhalt ist gegliedert nach den Städten Berlin, Dresden, Halle und Leipzig mit den wichtigsten Kunsthochschulen, flankiert von einem Kapitel Eigene Schule

51 Künstler von Altenbourg bis Zettl sind mit je einer Grafik-Abbildung vertreten, zu der jeweils Informationen gehören, die unter anderem auch durch den direkten Kontakt der Autorin mit den Künstlern entstanden sind. Eine Biografie der Künstler schließt sich jeweils an. Selbst aus den Anmerkungen können viele Informationen zur Grafik in der DDR gewonnen werden. 

Aus dem einführenden Text sollen hier nur einige Abschnittsüberschriften Interesse erwecken: Von Kunsthochschulen und Grenzgängern, Von Bilderstreit und politischen Einstellungen, Von der Themen- und Stilvielfalt in der Grafik, Von Staats- und Künstlerinitiativen. Für 10 Euro ist Ursache & Wirkung ein Katalog, der Freude bereitet und für einen Grafiksammler der ehemaligen DDR eine Bestätigung seiner Interessen für diese Kunst ist. Denn das Interesse an Kunst war der entscheidende Moment für das Sammeln.

Claudia Jansen
Ursache & Wirkung – Grafik in der
DDR aus der Sammlung Novoisky
Görlitz: Gunter Oettel 2021
92 Seiten, 10,00 Euro
ISBN 978-3-94456-081-6

(Gerhard Rechlin)

Di, 16.08.2022

Dr. Reiner Haseloff und Sigrid Wege während des Rundganges durch die Ausstellung. | © R. Wege
Ralf Wege (r.) und Dr. Reiner Haseloff mit dem Palmbaum, dessen Umschlag Angela Hampel gestaltet hat. | © S. Wege
Sigrid Wege überreicht Dr. Reiner Haseloff das aktuelle Heft der Marginalien. © R. Wege
Am Ende des Besuches der Palmbaum-Ausstellung überreichte Dr. Reiner Haseloff Sigrid Wege die Medaille des Ministerpräsidenten als Dank für ihr ehrenamtliches Engagement. | © R. Wege

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff besucht Pirckheimer-Ausstellung in Magdeburg

Den Lockungen der Palme konnte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff nicht widerstehen. Er besuchte am Dienstag, 9. August, die Ausstellung Wort- und Bilderlust: Im Zeichen der Palme im Literaturhaus Magdeburg. „Eine sehr vielschichtige und interessante Ausstellung“, so sein Fazit am Ende des halbstündigen Rundgangs. Begleitet wurde er dabei von Sigrid Wege, Vorsitzende des Vereins der Bibliophilen und Graphikfreunde Magdeburg und Sachsen-Anhalt e. V.  „Willibald Pirckheimer“, der die Ausstellung organisiert hat. Begrüßt wurde Reiner Haseloff zudem von Dr. Maik Hattenhorst, Mitglied des Vorstands des Literaturhausvereins sowie Ralf Wege, Pressesprecher der Pirckheimer-Gesellschaft.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Thüringer Literaturzeitschrift Palmbaum, herausgegeben von Dr. Jens-Fietje Dwars. Genauer gesagt dreht sich alles um die Einbände des Palmbaums. Diese werden seit 2005 von Künstlern aus Mitteldeutschland gestaltet. Zu sehen sind im Magdeburger Literaturhaus 34 signierte Andrucke und Originalgrafiken sowie ausgewählte Exemplare des Literaturjournals. So lässt sich anhand der ausgestellten Objekte der Weg vom Original über die Andrucke bis hin zum fertigen Buchumschlag nachvollziehen. Dabei kann man erleben, wie sich beispielsweise die Auswahl des Bildausschnitts oder die Abstimmung der typografischen Bausteine für die Titelgestaltung die Wirkung des Originals in seiner Verwandlung als Buchumschlag ändert. Der Reigen der beteiligten Künstler reicht unter anderem von Klaus Süß, Moritz Götze, Horst Hussel, Kay Voigtmann bis zu Susanne Theumer und Baldwin Zettl als Garant für Vielschichtigkeit an künstlerischer Handschrift und angewandter Technik wie Kupferstich, Kaltnadelradierung, Gouache, Collage oder Farbholzschnitt von der verlorenen Form.

Bei der Verabschiedung überreichte Sigrid Wege dem Ministerpräsidenten zur Erinnerung das aktuelle Heft der Marginalien, ein Plakat der Ausstellung und versprach, seiner Bitte nachzukommen, ihn künftig zu den Ausstellungen des Vereins einzuladen. Im Gegenzug überreichte Dr. Haseloff Sigrid Wege die Medaille des Ministerpräsidenten als Dank für ihr ehrenamtliches Engagement.

(Ralf Wege)

Mo, 15.08.2022

Helmut Brade in Kamenz ǀ © Carsta Off
Helmut Brade: ein kalligrafisches Blatt zu Lessing
"Einstrich-Lessing" von Helmut Brade

Helmut Brade und Martin Möhwald in Kamenz

Mindestens zur alljährlichen Kamenzer Rede in St. Annen ist auch eines seiner unverkennbaren Plakate in der Lessingstadt zu sehen. Es war ein Glücksfall, dass die Künstlerin Claudia Berg im Jahre 2014 der Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption ihren ehemaligen Lehrer und Mentor für die Gestaltung der Redenreihe empfahl! Nun gibt es in Kamenz in Form einer kleinen, ausgesuchten Sonderausstellung endlich eine persönliche Begegnung mit dem aus Halle an der Saale stammenden und lebenslang mit seiner Stadt verbundenen Helmut Brade, der als Grafiker, Grafikdesigner, Plakatgestalter, Bühnen- und Kostümbildner national und international bekannt ist.

Als Professor an der Hochschule für Kunst und Design, Burg Giebichenstein, prägte er mehrere Generationen von Künstlern und Künstlerinnen. 1999 bis 2003 war er Präsident der Freien Akademie der Künste zu Leipzig; seit nunmehr einem halben Jahrhundert ist er für internationale Theater und Opernhäuser tätig. Sein jüngstes und großartiges Bühnenbild ist derzeit in der Semperoper erlebbar – in Peter Konwitschnys Inszenierung Die Nase, einer Oper, die der erst 22-jährige Dmitri Schostakowitsch 1928 nach Gogols sozialkritischer, sarkastisch-absurder Erzählung komponierte.

Helmut Brade hat Wiedererkennungswert. Seine Arbeiten sind einzigartig, phantasievoll, stecken voller Fabulierlust, sind hintersinnig und inspirierend. Verzeichnet sind aktuell 749 Plakate für Opern, Museen, Kinos und Theater, darunter auch zu Lessings Emilia Galotti (Tübingen 1983) und Minna von Barnhelm (Halle 2001). Für besondere Anlässe schreibt er gern einmal Requisitenbriefe, zeichnet Buchstaben, schreibt in schöner, schwungvoller Form Texte und Gedichte auf altes Kanzleipapier oder versammelt gemeinsam verschiedenste Tiere zeichnerisch und in Form eines Alphabets ‚zu einer angenehmen Gesellschaft‘.

Als schwungvoller Start in den Arbeitstag entsteht im Bradeschen Atelier auf dem Hohen Weg in Halle in der kalten Jahreszeit so mancher Einstrich-Lessing. Mal zart und tastend, mal breit und kräftig, mal schwungvoll und kreiselnd – seine Linie spiegelt jede kleinste Hand- und Gemütsbewegung ihres Schöpfers wider. Kein Wunder, dass Helmut Brade sich zeitlebens besonders der Geisteskultur und Kunst des asiatischen Kontinents verbunden fühlt, stellt doch die kalligrafische Beherrschung der Linie und der Schriftzeichen in vielen fernöstlichen Kulturen die Grundvoraussetzung für jede bildkünstlerische Betätigung dar. Das Schreiben, oder besser: Zeichnen, mehrerer Buchstaben ohne abzusetzen erfüllt hier ebenso eine wichtige Rolle wie der meditative Charakter der Handbewegungen und die Beschränkung auf das Wesentliche der Darstellung.

Die Teekultur, die er auf seinen vielen Reisen durch den asiatischen Kontinent kennen- und schätzen gelernt hat, verbindet ihn eng mit dem ebenfalls aus Halle stammenden Martin Möhwald. Der 1954 geborene Sohn der Bildhauerin und Keramikerin Gertraud Möhwald und des Malers Otto Möhwald hat im Laufe seiner Karriere als Keramikkünstler eine ganz eigene Form der Umdrucktechnik erschaffen: In einem aufwendigen Verfahren bringt er dabei grafische Vorlagen auf seine Keramiken auf und brennt sie bei über 1.000 Grad in deren tönerne Gewandung ein. Besonders gern verwendet er die papiernen Fragmente seines Freundes Brade für Teekannen, Tassen und Schalen. Mitunter finden diese ihren Weg auch wieder zurück ins Bradesche Atelier und dienen etwa dazu, seinen Gästen erlesenen Tee zu servieren, sicherlich in Erinnerung an das alte japanische Sprichwort: „Eine Tasse Tee anbieten, öffnet die Welt!“

Die Ausstellung, die am 3. August in der Galerie des Sakralmuseums (Klosterkirche und Sakralmuseum St. Annen, Schulplatz 5, 01917 Kamenz) eröffnet wurde, ist bis zum 11. Dezember in der Lessing-Stadt zu sehen. Montag bis Freitag ist die Schau jeweils von 10 bis 18 Uhr, am Wochenende von 11 bis 16 Uhr geöffnet. Der Katalog zur Exhibition, Helmut Brade in Kamenz, gestaltet vom Meister selbst und Andreas Richter, befindet sich im Druck und erscheint mit Texten von Claudia Berg, Sylke Kaufmann, Birka Siwczyk und Johannes Schwabe als Band 15 der Reihe Ausstellungskataloge des Lessing-Museums Kamenz in Kürze.

(Städtische Sammlungen Kamenz, Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption/Pressemitteilung)

Sa, 13.08.2022

Im deutschsprachigen Raum wurde Sempés Zusammenarbeit mit Patrick Süskind berühmt.

Trauer um Jean-Jacques Sempé

Am 11. August starb, nur wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag, der große französische Zeichner und Karikaturist Jean-Jacques Sempé. Geboren 1932 in Pessac, wurde er an der Seite von René Goscinny als Erfinder des Kleinen Nick weltberühmt. Die Geschichten des kleinen Nicholas, die letztlich immer gut ausgehen und somit auch als kreative Umdeutung der eigenen bedrängten Kindheit Sempés dienlich sein konnten, werden bis heute mit ungebrochenem Erfolg aufgelegt. Auch seine Karikaturen, seit Ende der Fünfziger in Zeitungen wie Journalen und seit 1960 nahezu jährlich in einem Band erscheinend, prägten Generationen. Im deutschsprachigen Raum durch den wundersamen Diogenes-Verlag mit Sitz in Zürich vertreten, geriet Sempé zu einem wenigstens europäischen Phänomen. Auch wenn er sich ansonsten mit dem Illustrieren der Werke anderer Schreiber zurückhielt, sind diese Beispiele besonders berührend. So gab er 1988 dem Kinderbuch Catherine Certitude des späteren Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano ein ganz eigenes Gepräge. Legendär ist Sempés Freundschaft mit Patrick Süskind, für dessen so rätselhafte wie begeisternde Novelle Die Geschichte von Herrn Sommer (1991)) sich die beiden zusammentaten. Auch aufgrund der kongenialen Zuarbeit Sempés ist dieses Buch ein Highlight in Süskinds so schmalem wie gewichtigem Erzählwerk. Im Gegenzug übersetzte Süskind einen Teil seines Werks und trug so zu dessen Verbreitung im deutschsprachigen Raum bei. „Mensch zu sein erfordert enorm viel Tapferkeit“ – in Frankreich galt Sempé im besten Sinne als Nationalheld. Seine letzte Karikatur, erst vor einigen Tagen erschienen, zeigt ein älteres Paar und, quasi als vorgeschicktes Memento mori, den Satz: „Denk daran, mich nicht zu vergessen!“ So sei es.

(André Schinkel)

Do, 11.08.2022

Der Domstift Brandenburg lädt zur Ausstellung mit Michael Morgner ein.
Adolph Fesca: Der Dom in Brandenburg von der Nordseite, ca. 1850.

Michael Morgner im Dom zu Brandenburg

Das Domstift Brandenburg lädt zur Ausstellungseröffnung am 13. August 2022 um 15 Uhr in den Kunstraum Krypta im Brandenburger Dom ein. Gezeigt wird die Exhibition Entwürfe und Realität 1949–1989/90 von Michael Morgner. Die Schau findet aus Anlass und zu Ehren des 80. Geburtstags des Chemnitzer Künstlers statt. Die einleitenden Worte zur Vernissage spricht unser Pirckheimer-Freund Armin Schubert, der Gründer der Galerie Sonnensegel in der Havelstadt, deren verdienstvolle Kreativarbeit mit Kindern und Jugendlichen (Stichwort Bücherkinder) weit über die Grenzen seiner Stadt hinaus wirksam und bekannt wurde. Die Veranstalter bitten bei Teilnahmeinteresse um kurze Anmeldung über den Domstift, Burghof 10, 14776 Brandenburg (Havel), per Mail: museum@dom-brandenburg.de oder Telefon: (03381) 2 11 22 24.

(André Schinkel/Pressemitteilung)

Mi, 10.08.2022

Strawalde ǀ © Jens-Fietje Dwars

Strawalde liest in Weissensee

Am 24. August liest Strawalde, teilt Bernd Wähner in der Pankower Ausgabe der Berliner Woche mit, im Hof des Kulturzentrums Brotfabrik am Caligariplatz in Berlin, aus seinem neuen Gedichtband Nebengekritzeltes. Es handelt sich bei diesem Buch um die jüngste Jahresgabe der Pirckheimer-Gesellschaft, die Ende 2021 in der Edition Ornament des quartus-Verlags mit Sitz in Bucha bei Jena, herausgegeben von Jens-Fietje Dwars, erschien. Strawalde, eigentlich Jürgen Böttcher (Jahrgang 1931), ist für seine unangepasste Haltung bekannt; nichtsdestotrotz und auch trotz einer Reihe Schwierigkeiten, die ihm seine Arbeit in der DDR einbrachte, ist Böttchers Kunst international bekannt und gefeiert. Bis heute sind die Zeichnungen, Malereien und Filme des „Gangstermalers“ politisch und ästhetisch wegweisend. Im Hof des Kulturzentrums liest Strawalde ab 19.30 Uhr aus seinem Werk, moderiert von Coskun Öztek. Den Abend begleitet Liedermacher Florian Wandel an der Ukulele. Der Eintritt für die Lesung kostet 8 Euro. Das Buch zum Event, das neben Texten aus sieben Jahrzehnten insgesamt 50 Zeichnungen und Collagen des Meisters vereint, ist in einer regulären und vier Vorzugsausgaben unter dem Link der Edition Ornament beim Herausgeber (www.edition-ornament.de) einsehbar und erhältlich.

(André Schinkel/Pressemitteilung)

 

Di, 09.08.2022

Die "BücherLust" findet am 10. und 11. September in Berlin statt.
Klaus Ensikat ǀ © Kindermann Verlag
Die jüngste Jahresgabe der Pirckheimer ist der Band "Nebengekritzeltes" von Strawalde, erschienen in der Edition Ornament (quartus-Verlag, Bucha 2021).

Bücherlust in Berlin

Nach langer Pause findet in Berlin wieder einer der größten Antiquitätenmärkte Deutschlands statt. Am 10. und 11. September 2022 lädt die Antiquariatsmesse „BücherLust“ auf die alte Trabrennbahn Karlshorst in der Treskowallee ein. Rund 20.000 Besucher werden erwartet. Bislang haben sich 54 Teilnehmer angemeldet. Neben Unternehmen aus Deutschland werden auch Anbieter aus Amsterdam, Budapest, den Haag, London und Wien vertreten sein.

Wie die Organisatoren anmerken: „In den letzten Jahrzehnten war immer ein Bedürfnis nach einer für alle leicht und risikolos zugänglichen Antiquariatsveranstaltung vorhanden. Verschiedene Anstöße und Versuche wurden, leider zumeist regional, von verschiedener Seite unternommen. Keiner der Versuche konnte sich etablieren. Nun ein neuer Aufschlag – die Antiquariatsmesse ‚BücherLust‘! [...] Kein Preisdruck und kein Standesdenken, wenn es um die öffentliche Präsentation alter und seltener Bücher geht. Ihre Qualität und Bedeutung spricht für sich selbst. Andere Länder machen es uns seit Jahrzehnten vor. [...] Nach ihrem Vorbild soll mit der Antiquariatsmesse ‚BücherLust‘ eine offene Veranstaltung mit jährlicher Wiederholung ins Leben gerufen werden.“

Die Veranstaltung wurde organisiert mit Unterstützung des Verbands Deutscher Antiquare e. V., der GIAQ – Genossenschaft der Internet-Antiquare e. G., des Börsenverein des deutschen Buchhandels e. V., der Fachzeitschrift Aus dem Antiquariat, des Verbands der Antiquare Österreichs, von Petra Bewer (Veranstalterin der Antiquaria Ludwigsburg), Harrison-Hiett Rare Books, Ursula Saile-Haedicke (Braunschweig), der Gesellschaft der Bibliophilen e. V., Regina Pröhm and Michael Schrottmeyer GbR, Provincial Booksellers Fairs Association, des Zentralen Verzeichnisses antiquarischer Bücher (ZVAB) sowie der Buch- und Offsetdruckerei H. Heenemann Berlin.

Die Pirckheimer-Gesellschaft unterstützt den Veranstalter mit einem attraktiven Rahmenprogramm. Auf der Empore der Tribünen-Halle werden viele Künstler, Autoren und Verlage begrüßt. Der Samstag startet um 12 Uhr mit Anna Kindermann. Gemeinsam mit unserem Pirckheimer-Freund, dem grandiosen Klaus Ensikat, wird das neueste Buch aus dem Hause Kindermann präsentiert. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, sich von Ensikat eines seiner Bücher signieren zu lassen. 14 Uhr besuchen uns die Bücherkinder aus Brandenburg am Pirckheimer-Stand und stellen ihre neuesten Arbeiten vor. Und um 16 Uhr präsentiert der Quintus-Verlag Eseleien mit André Förster, Dieter Goltzsche und Gunnar Decker.

Am Sonntagmorgen geht es weiter mit Matthes & Seitz, der Friedenauer Presse und den legendären Naturkunden, um anschließend mit der Büchergilde Gutenberg fortzufahren und dem neuesten Band aus der Hand von Hans TichaTicha illustriert Brecht – ein Saisonhöhepunkt! An beiden Tagen präsentieren wir an unserem Stand den zweiten Teil unserer Edition Pirckheimer, herausgegeben von Jens-Fietje Dwars. Unsere Jahresgaben und unsere Zeitschrift Marginalien erwarten Sie zudem.

Die Antiquariatsmesse ist an beiden Tagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Die alte Trabrennbahn Karlshorst (Treskowallee 159, 10318 Berlin) ist mit der S-Bahn (Linie 3) gut zu erreichen, sie liegt nur 200 Meter vom S-Bahnhof Berlin-Karlshorst entfernt. Besucherparkplätze für mit dem Auto anreisende Interessenten sind für 5 Euro je Tag vorhanden. Der Eintritt für Besucher beträgt 3 Euro. Das Besucherparkplatzticket wird für einen Besucher als Eintrittsgeld voll angerechnet, so dass der Parkplatz für einen Besucher freien Eintritt bedeutet. Kontakt für die Anmeldung und Informationen zur Antiquariatsmesse besteht über Christoph Neumann, einerseits per Mail: info@antiquariat-neumann.de, andererseits per Telefon: (0178) 5 40 90 18. Weiterführende Informationen sind über die eigens eingerichtete Seite www.bücherlust.com erhältlich.

(Maria Bogdanovich/Ralph Aepler)

So, 07.08.2022

Die neueste Ausgabe des "Hamburger Bothen" ist kürzlich erschienen.

Neuer Hamburger Bothe erschienen

Im Frühsommer 2020 hoben Peter Engel und Rudolf Angeli eine Pirckheimer-Regionalgruppe für den Norden aus der Taufe. Leider kam es damals wegen Corona zu keinem Treffen. Engel und Angeli beschlossen die regelmäßige Herausgabe eines Rundbriefs, Der Hamburger Bothe genannt, der die Regionalgruppe zusammenführen soll. Der Verteilerkreis wächst von Bothe zu Bothe, auch da die beiden entschieden, ihn an jeden interessierten Gastleser kostenfrei zu versenden und so alle bibliophilen Leseratten, Kunstbegeisterten, Sammler jeder Couleur zu einen. In der neuen Ausgabe geht es nun um „Goethes Papagei“, Jens-Fietje Dwars berichtet vom thüringischen Palmbaum, dessen verdienstvoller Chefredakteur er seit einer Reihe von Jahren ist; und ein gewisser, noch nicht lange im Dienst befindlicher Blog-Administrator macht ein paar katzbuckelnde Erklärbewegungen um zwei seiner Gedichte. Außerdem gibt es Informationen zu den Veröffentlichungen des Verlags Angeli & Engel, in dem mit großem Erfolg ein Band von Klaus Waschk erschien, dem in Kürze ein Buch von Rainer Ehrt folgt. Der Bothe wird per Mail als PDF versandt, auf Nachfrage bekommt man auch eine Printausgabe, Kontakt besteht über: Rudolf_Angeli@web.de.

(André Schinkel)

Sa, 06.08.2022

Hans Weyringers "Visionenengel" von 2009.

Hans Weyringer: Visionenengel

Was bräuchte es in dieser Zeiten dringender als einen Visionenengel, der schwungvoll und mit unwiderstehlicher Geste den Weg weist? Das fragen Elisabeth und Nikolaus Topic-Matutin von der Neuhauser Kunstmühle im niederösterreichischen Hohenberg, verbunden mit guten Sommer-Wünschen trotz allem, mit jedem Recht. Der Visionenengel Hans Weyringer hat ihn 2009 vorausschauend auf den Stein gezeichnet. Die Betreiber der Kunstmühle haben dieses außergewöhnliche Blatt wieder hervorgeholt und bieten es zu einem Vorzugspreis an. Den Sommerblättern in ihrer digitalen Galerie haben sie noch die Van-Dael-Folge von Marc Frising hinzugefügt: Blumen – gezeichnet als Gruß an eine altmeisterliche Geste, aber mit moderner Hand. Möge die Kunst so ihren stillen und aber unbeugsamen Beitrag leisten für etwas Licht und Hoffnung in dissonanter Epoche. Das ganze Angebot wie auch eine Bildfolge von der Erschaffung des Visionenengels Hans Weyringers sind auf der Seite der Neuhauser Kunstmühle einzusehen: www.neuhauser-kunstmuehle.at.

(André Schinkel/Pressemitteilung)

Fr, 05.08.2022

Vordercover der von Klaus Ensikat gestalteten Ausgabe
Doppelseite samt Illustration von Horus Engels in der Ausgabe von 1957
Schuber und Einband der Houghton-Mifflin-Ausgabe

Bibliophiles des Monats: Kleiner Hobbit

Wer im Internet nach Exemplaren des neben Der Herr der Ringe bekanntesten phantastischen Romans Der kleine Hobbit des akademischen Autors J. R. R. Tolkien sucht, wird bei den deutschen Ausgaben, neben Erzeugnissen der eigens für dieses Genre im Ernst Klett Verlag gegründeten Hobbit-Presse, zunächst auf das 1971 im Georg Bitter Verlag erschienene Buch treffen, welches von Klaus Ensikat in markanten Bildern illustriert wurde. 

Weniger bekannt ist geworden, dass die erste deutsche Übersetzung dieses in England schon 1937 publizierten phantastischen Märchens bereits 1957 im Recklinghausener Paulus Verlag unter dem Titel Kleiner Hobbit und der große Zauberer erschienen ist. Dieses in gelbes Leinen mit kleiner Deckelvignette gebundene und mit einem in weiß-blauen Farben bebilderten Schutzumschlag umkleidete Buch im Format 19,3 x 13,2 cm findet man tatsächlich nur recht selten, und es wird von Sammlern sehr gesucht.

Horus Engels hat den Umschlag und viele Federzeichnungen für den Textblock entworfen, welche mit schwarzen Teilflächen akzentuiert sind und insgesamt einen kindgerechten Stil pflegen. Satz und Druck wurden von W. Bitter besorgt, und es liegt nahe, dass die spätere Ausgabe im Georg Bitter Verlag, der auch in Recklinghausen beheimatet ist, darauf zurückgeht. Diese ist opulenter gestaltet, im größeren Format 22,1 x 15,2 cm als weißer Leinenband mit ornamental verzierter Deckelschrift und einem Schutzumschlag mit buntem Vollbild von Ensikat, und besitzt außerdem als Vorsatz eine Landkarte mit den Orten der Handlung.

Auch den in England oder den USA erschienenen Ausgaben des The Hobbit or There and Back Again ist meist Kartenmaterial beigegeben, das aber dekorativer ausgestaltet ist und auf Bildelemente von Tolkien selbst zurückgeht. In einer 1966 von der Houghton Mifflin Company in Boston gestalteten Prachtausgabe im Format 23,6 x 17,8 cm stammt der Buchschmuck gänzlich vom Autor selbst, unter Benutzung seiner überlieferten Zeichnungen zu der Geschichte. Der mit grünem Kunstleder überzogene Einband trägt auf dem Vorderdeckel eine breite Schriftumrandung in Rot und Gold mit den von Tolkien entworfenen Runensymbolen und eine bildliche Vignette im Zentrum sowie eine entsprechend verzierte Rückenbeschriftung. Ein gleichbezogener Schuber wiederholt das Vignettenmotiv im gelben Titelschild auf der Vorderseite.

Man merkt dieser Ausgabe deutlich an, dass Tolkiens Werke im englischen Sprachraum bereits zu dieser Zeit Kultstatus besaßen und bereitwillig von einer Liebhabergemeinde in gehobener Austattung gekauft wurden. Demgegenüber besitzen die erwähnten frühen deutschen Ausgaben einen eigenen, eher kindlich anmutenden Charme. Erst nachdem Heinz Edelmann für die Ausgabe von Der Herr der Ringe im Jahr 1969 seine Schutzumschläge im Pop-Art-Stil entworfen und damit die Weichen für die spätere Gestaltungsform der Hobbit-Presse gestellt hatte, änderte sich auch der Blick des deutschen Lesepublikums auf Tolkiens Erzählwelt.

(Christiane und Norbert Grewe)

Mi, 03.08.2022

Holzschnittausstellung im Kupferstichkabinett ǀ © Martin von Becker
Ausstellungsimpression ǀ © Martin von Becker
Albrecht Dürers berühmtes "Rhinocerus" von 1515
Ernst Ludwig Kirchner: "Frauen am Potsdamer Platz" (1914)
Der Katalog zur Ausstellung erschien im Hatje Cantz Verlag.

Holzschnitt. 1400 bis heute

„Holzschnitt. 1400 bis heute“ bildet den Auftakt zu einer neuen Reihe von Ausstellungen des Berliner Kupferstichkabinetts, die jeweils eine künstlerische Drucktechnik vorstellen. Anhand von über 100 Kunstwerken auf Papier – darunter Meisterwerke von Albrecht Dürer, Edvard Munch oder Käthe Kollwitz – wird die Entwicklung der Technik von ihren Anfängen bis in die Gegenwart nachgezeichnet. Ebenso stehen Materialien und besondere Charakteristika im Zentrum. Besucher*innen sind eingeladen, in die faszinierend vielfältige Welt der Druckgrafik einzutauchen. Am 3. Juni eröffnet, ist die Exhibition noch bis zum 11. September zu sehen.

Am Anfang steht der Holzschnitt. Er ist das älteste druckgraphische Verfahren und wird bis heute von Künstler*innen weltweit angewandt. Die Sonderausstellung zeigt eine abwechslungsreiche Auswahl von über 100 Werken aus dem reichhaltigen Bestand des Kupferstichkabinetts. Sie spannt den Bogen von den frühen und oft nur in wenigen Exemplaren erhaltenen Holzschnitten des 15. Jahrhunderts bis hin zu großformatigen zeitgenössischen Werken. Entlang dieser chronologischen Achse richtet sich der Blick auf verschiedene Themen, wie das Zusammenspiel von Material und Technik oder den Gebrauch von Holzschnitten. Dieser reicht von der christlichen Andacht mit Heiligenbildern über Kartenspiele, Verzierungen in spätgotischen Holzkästchen und beeindruckenden Raumdekorationen bis hin zur Buchillustration, zum Flugblatt oder zur Gemäldereproduktion. Neben der ganz praktischen Verwendung entstanden Holzschnitte auch als eigenständige Kunstwerke für Sammler

Besondere Aufmerksamkeit ist der Entwicklung des Farbholzschnitts eingeräumt, denn in allen Epochen suchten die Künstler*innen nach Möglichkeiten, bunte Drucke herzustellen. Dies führte bisweilen zu völlig unerwarteten Ergebnissen. So sind handbemalte Abzüge von 1460 ebenso ausgestellt wie die ersten farbigen Drucke von Hans Burgkmair und Lucas Cranach d. Ä., die um die Erfindung dieser Technik wetteiferten. Demgegenüber sind auch mehrfarbige Chiaroscuro-Holzschnitte des 16. Jahrhunderts aus Italien und den Niederlanden zu sehen, extravagante Farbdrucke des Rokoko und mit über 20 Farbplatten hergestellte Blätter des 20. Jahrhunderts, die, inspiriert von japanischen Holzschnittmeistern, eher an Aquarelle als an Holzschnitte erinnern. 

Um 1900 entdeckten Expressionisten wie Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde oder Karl Schmidt-Rottluff in der Nachfolge Paul Gauguins den Holzschnitt für sich ganz neu. Ihnen erschien die Technik als Ausdruck einer neuen Ursprünglichkeit, und sie schufen Meisterwerke in reduzierter Formensprache. Überraschend ist, in welcher Vielfalt sich Künstler*innen auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch mit der Technik beschäftigten: Die Ausstellung zeigt abstrakte Kompositionen von Helen Frankenthaler, Hans Hartung oder Esther Fleckner ebenso wie figurative bis fotorealistische Werke von Anselm Kiefer, Georg Baselitz oder Franz Gertsch.

Gerade zeitgenössische Positionen, die zwischen dem Anspruch eines Unikats und dem reproduktiven, massenmedialen Charakter des Mediums oszillieren, bereichern die Präsentation. So werden die überraschende Fülle und die andauernde Aktualität dieser Drucktechnik vor Augen geführt. Ein besonderes Highlight bilden Druckstöcke verschiedener Epochen aus dem Bestand des Kabinetts, die erstmals in größerer Zahl gezeigt werden und das Material sinnlich erfahrbar machen. Ein umfangreiches Rahmenprogramm begleitet die Ausstellung. Ein Katalog erschien im Hatje Cantz Verlag. Die Ausstellung (barrierefreier Zugang über den Eingang Matthäikirchplatz, 10785 Berlin) ist von Dienstag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, am Wochenende von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 6 (ermäßigt 3) Euro. Jahreskarten für das Kupferstichkabinett kann man für 25 Euro erwerben.

Holzschnitt. 1400 bis heute
Kunstwerke aus sechs Jahrhunderten
im Kupferstichkabinett der
Staatlichen Museen zu Berlin
Matthäikirchplatz, 10785 Berlin
03.06. bis 11.09.2022

(Staatliche Museen zu Berlin/Pressemitteilung)

Di, 02.08.2022

Marianne Julia Strauss: "Büchertempel. Die schönsten Bibliotheken aus aller Welt"
Deutschsprachige Ausgabe von "Do You Read Me?", dem Vorgänger von "Büchertempel"

Büchertempel: Die schönsten Bibliotheken aus aller Welt

In den Jahren 2021 und 2022 wurde der prächtige Band Büchertempel. Die Schönsten Bibliotheken aus aller Welt (Temples of Books: Magnificent Libraries Around the World) von der Berliner Autorin und Reisenden Marianne Julia Strauss auf Deutsch und Englisch vom Gestalten-Verlag veröffentlicht. Seit einem Jahrzehnt reist Strauss um die Welt, immer auf der Suche nach unerzählten Geschichten. Im Vorgänger von Büchertempel, dem gleichsam in mehreren Sprachen aufgelegten Do You Read Me? Bookstores Around the World, 2020 ebenfalls bei Gestalten erschienen, stellte sie die inspirierendsten Buchhandlungen der Welt vor.

Büchertempel erkundet die Geschichte und die Aufgaben, die Architektur und die sich wandelnde Rolle ausgesuchter Bibliotheken weltweit. Die folgenden Seiten zeigen außergewöhnliche öffentliche und private Sammlungen, National- und Klosterbibliotheken, umgewidmete Lokschuppen und UNESCO-geschützte Lehmbauten von Mexiko bis Vietnam und Mauretanien. Die Kategorien stehen stellvertretend für alle engagierten Bibliotheken, die unser gesammeltes Wissen kuratieren und schützen“, heißt es in der Einführung des Buches.

Insgesamt werden 54 Bibliotheken auf der ganzen Welt beschrieben – von der Stadtbibliothek von Seinäjoki in Finnland bis zur Hyundai Card Cooking Library in Seoul, darunter auch mehrere in Deutschland und Österreich befindliche: die Jesuitenbibliothek der Abtei Maria Laach, die Klosterbibliothek von Metten, die Staatsbibliothek zu Berlin, die Klosterbibliothek Wiblingen (Ulm), die Bibliothek im Stift Schlägl (Aigen-Schlägl), die Altenburger Stiftsbibliothek sowie die Österreichische Nationalbibliothek mit Sitz in Wien.

Einerseits handelt es sich bei dem zweiten Band, in dem sich M. J. Strauss „buchhaften“ Themen widmet, um ein prachtvolles Album, ein „Bilderbuch“, das sich mit der Geschichte wie den Beständen der gezeigten ‚Büchertempel‘ befasst, zum anderen sind die alten Bibliotheksgebäude ihrerseits selbst längst zu historischen wie „architektonischen Raritäten“ geworden, die es zu bewahren und sorgfältig zu studieren gilt. Büchertempel – eine „Ode an das Lesen“!  

Marianne Julia Strauss (dt.)
Büchertempel. Die schönsten
Bibliotheken aus aller Welt
Berlin: Gestalten 2021
304 Seiten, 49,90 Euro
ISBN 978-3-96704-025-8

Marianne Julia Strauss (engl.)
Temples of Books. Magnificent
Libraries Around the World
Berlin: Gestalten 2022
304 pages, 49,90 Euro
ISBN 978-3-96704-024-1

(Maria Bogdanovich)

So, 31.07.2022

Helios Gómez, "Días de Ira" (1930, Deckblatt der Berliner Ausgabe)
Helios Gómez, "Iberia" (Blatt aus der Mappe, Berlin 1930)

Días de Ira – Tage des Zorns

Helios Gómez kehrt zurück nach Berlin: Sei dem 27. Juni ist seine Grafik-Text-Mappe Días de Ira – Tage des Zorns nach über 90 Jahren wieder in Berlin zu sehen. Gómez (1905–1956) war ein bedeutender Vertreter der künstlerischen Avantgarde Europas im frühen 20. Jahrhundert. In seiner Heimat Spanien politisch verfolgt, ging er 1927 ins Exil und arbeitete unter anderem in Paris, Moskau und Berlin. In der Ausstellung ist die seltene Berliner Originalausgabe von Días de Ira ebenso zu sehen wie die vollständige Serie ¡Viva Octubre! Dessins sur la Révolution Espagnole.

In der Galerie der Stiftung Kai Dikhas im Aufbau Haus am Moritzplatz (Prinzenstraße 84, 10969 Berlin) werden die Arbeiten noch – eingedenk einer kleinen Sommerpause, ab 16.08. ist die Stiftung wieder durchgehend besetzt  bis zum 29. Oktober zu sehen sein. Gómez’ Werk ist hierzulande wenig bekannt, dabei bestehen wichtige Bezüge zu Berlin. Nach dem Weggang aus Spanien stellte er zunächst in Paris aus, wurde dort aber bei einer Demonstration verhaftet und aus Frankreich ausgewiesen. Er reist quer durch Europa und kommt im Winter 1928/1929 nach Berlin. Da lebt er im Kreis der ARBKD (Assoziation revolutionärer bildender Künstler), wo er Beziehungen zur Dada-Gruppe und den Konstruktivisten knüpft und sich dem europäischen Netzwerk von Künstlern anschließt, die sich dem sozialen Kampf und dem Antifaschismus verschrieben haben.

Helios Gómez ist außerdem mit seiner Freundin, der Fotografin und Kommunistin Irene Weber (genannt Ira), mit der er die Stadt entdeckt, in Berlin unterwegs. 1930 veröffentlicht die anarchistische International Workers Association (IWA) in Berlin sein erstes großes Meisterwerk: eben Días de Ira, das sicher nicht zufällig mit dem Namen seiner Freundin spielt und in dem sich Gómez zudem explizit als Rom (im spanischsprachigen Raum: Gitano) präsentiert. Den Blättern des Zyklus sind kleine, zumeist politische Gedichte beigefügt. Es stellen sich gerade mit Blick auf die aktuelle Roma-Kunst-Bewegung, die in Berlin ein Epizentrum ihrer Aktivitäten hat, aber auch zur derzeitigen politischen Situation Bezüge dar.

Die von Álvaro Garreaud und Moritz Pankok kuratierte Schau wird im Lauf des Jahres von Vorträgen, einer weiteren Ausstellung des Künstlers Manolo Gómez im ERIAC sowie der Veröffentlichung des Katalogs Helios Gómez. Die Ästhetik der Revolution (erscheint im September 2022 in der benachbarten Edition Braus) begleitet. Der Eintritt in die Ausstellung, jeweils geöffnet von Donnerstag bis Sonnabend, 16 bis 19 Uhr, ist frei.

(André Schinkel/Pressemitteilung)

Fr, 29.07.2022

Kongress-Logo: Holzstich von Richard Wagener

XXXIX. FISAE-Kongress in Oakland

Der XXXIX. Ex-Libris-Kongress der FISAE (International Federation of Ex-Libris Societies) findet vom 11. bis 18. September 2022 in Oakland (Kalifornien/USA) statt. Für die Versammlung der internationalen Ex-Libris-Freunde und -Gesellschaften entstand als Logo eigens ein Holzschnitt von Richard Wagener. Nach der Absage des Kongresses 2020 soll dieser wieder regulär alle zwei Jahre stattfinden und einberufen werden. Zur Plenarsitzung der Delegierten unter Leitung des Präsidenten der FISAE, James Keenan, wird für den 15. September ins Waterfront Hotel San Francisco Bay Area ab 10 Uhr Ortszeit eingeladen. In der Sitzung stehen die Wahlen des Präsidenten, der Vizepräsidenten an; auch muss – da der bisherige, Olli Ylönen, nicht weiter zur Verfügung steht – ein neuer Exekutivsekretär für eine Amtszeit von sechs Jahren per Wahl bestimmt werden. Weiterhin werden auch die Modalitäten der nächstanstehenden Kongresse (2024–2028) beraten. Da es sich abzeichnet, dass nicht jeder Delegierte persönlich teilnehmen kann, wird darum gebeten, dass die Gesellschaften ihre Delegierten wie auch deren Erreichbarkeit mitteilen. Den Delegierten, die nicht vor Ort sein können, wird in diesem Fall dann ein Videokonferenz-Link zugeteilt. Auch können bereits Vorschläge für Kandidaten und Einladungen für die nächsten Kongresse abgegeben werden. Kontakt für diese Informationen besteht zum amtierenden Exekutivsekretär Olli Ylönen: ylonenolli@gmail.com.

(Klaus Rödel/André Schinkel)

Mi, 27.07.2022

Rauminstallation "Den Atem anhalten" in der Apsis der Kirche von St. Johannis in Würzburg ǀ © Nicole Ahland (Werk), Dirk Uebele (Dokumentation)
Nicole Ahland ǀ © Dirk Uebele

„Den Atem anhalten“

Auf eine Rauminstallation in Bezug auf ein Gedicht von Hilde Domin (1909–2006), die noch einige Tage in der Kirche St. Johannis in Würzburg zu sehen ist, sei an dieser Stelle verwiesen. Mit „Den Atem anhalten“ bezieht sich in einer dreiteiligen Arbeit die Fotografin Nicole Ahland, die in Wiesbaden lebt und arbeitet, auf Domins berühmtes Gedicht Ziehende Landschaft, das 1955, noch im etwa siebenjährigen Pendeln zwischen Spanien und Deutschland, das dem langen Exil der Dichterin in der Dominikanischen Republik folgte, entstand.

„Man muß weggehen können / und doch sein wie ein Baum:“ Domins Gedicht gehört zu den berührendsten Beispielen der Exilliteratur nach dem Zweiten Weltkrieg. Hilde Domins Werk wurde erst spät gewürdigt, heute gehört es mit Sammlungen wie Nur eine Rose als Stütze (1959), Hier (1964) oder Ich will dich (1970) zum klassischen Bestand der Literatur der Bundesrepublik Deutschland. Jedes Jahr im Juli lädt die Würzburger Gemeinde eine Künstlerin oder einen Künstler ein, ist die Kunst in der Kirche zu Gast, als Anlass, den Blick vier Wochen neu auszurichten, den Impuls an den vier Sonntagen auch in den Gottesdiensten aufzugreifen. Die Kunst setzt somit ein Monatsthema für Liturgie und Predigt.

Die Arbeit, die sich in der Apsis der Kirche findet und ihren Ausgang in Ziehende Landschaft fand, darf als besonderes Beispiel der Auseinandersetzung von Bildender Kunst mit Literatur gelten, die in der Tätigkeit, auch in den Büchern und Dokumentationen der vielfach geehrten Fotografin immer wieder ihren Niederschlag fand. Das Kunstwerk besteht aus drei dünnen Aluminiumbahnen, auf die Nicole Ahland auf Fotografien basierende Motive applizierte. Die Künstlerin assoziiert, dem Text folgend, einen bedrohlichen Wolkenberg (Bahn 1, links), eine abstrahierte Röntgenaufnahme einer menschlichen Lunge aus den 1940er Jahren (Bahn 2, Mitte) sowie eine Verschachtelung von Innen- und Außenraum mit farbigen Lichtspuren (Bahn 3, rechts).

Mit einer Gesamtgröße von etwa 1,90 m x 4,50 m hängt das Werk an der linken Flanke der Apsis und fängt das Licht, das rechts der Apsis durch große schmale Fenster einfällt. Über den Tagesverlauf, in Veränderung von Lichteinfall und -menge, ist die Motivik mal mehr, mal weniger deutlich zu erkennen. Die silbrige Oberfläche des Aluminiums entwickelt hier ihr eigenes Lichtbild-Spiel. „Laut Rückmeldung der Besucher*innen“, so die Künstlerin, „scheinen die Motive sich eher abstrakt und lichtauflösend zu verhalten, die wenigsten erkennen die Bilder tatsächlich und entwickeln eigene Assoziationen und Erinnerungen. Das ist für mich total in Ordnung, da ich ja auch nichts illustrieren möchte. Diese dadurch sich einstellende Offenheit gefällt mir eher.“

Die Installation ist auf jeden Fall bis zum 31. Juli zu sehen. Da die Künstlerin aber den Abbau des Werks wohl erst für den 4. oder 5. August einplant, sollte es auch bis dahin zu besichtigen sein. Die Würzburger St.-Johannis-Kirche hat jeden Tag von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

(André Schinkel)

Di, 26.07.2022

Gustav Adolf Erich Bogeng (1881-1960), etwa 1903
Originalausgabe des Standardwerks von 1922

Die grossen Bibliophilen - Standardwerk wird 100

Vor hundert Jahren, im Jahr 1922, veröffentlichte der Leipziger Verlag E. A. Seemann die einzige Forschungsarbeit ihrer Art zur Geschichte der Bibliophilie – ein dreibändiges Werk mit dem Titel Die großen Bibliophilen. Geschichte der Büchersammler und ihrer Sammlungen von Gustav Adolf Erich Bogeng (1881–1960).  

Das Staatsarchiv Leipzig bewahrt einige Dokumente des Seemann-Verlags auf, darunter die Verträge mit Autoren und Künstlern und einen dreiseitigen Brief des Verlegers vom Dezember 1921 an Bogeng über die Veröffentlichung von Die großen BibliophilenDie Auflage sollte zwischen 2.000 und 2.500 Exemplare betragen, das Autorenhonorar für die Erstauflage betrug 12.000 Mark. Das Titelblatt sollte ursprünglich vom Grafiker, Illustrator und Bühnenbildner des deutschen Impressionismus Max Slevogt (1868–1932) illustriert werden. Eine Werbung in Philobiblon (1931, H. 2) deutet schließlich darauf hin, dass letztendlich der Künstler und Illustrator Hans Meid (1883–1957) diese Aufgabe übernahm.

Der Jurist, Büchersammler und Theoretiker der Bibliophilie G. A. E. Bogeng, Sohn des Kaufmanns und Hoteliers Gustav Bogeng (?–1904), begann seine „bibliophile Karriere“ auf brillante Weise. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Werkes war er bereits Mitbegründer des Berliner Bibliophilen Abends und der Maximilian-Gesellschaft, war Mitglied zahlreicher anderer Gesellschaften, gab zwei Zeitschriften für Büchersammler heraus, verfasste zahlreiche Artikel. 1920 zog er von Berlin nach Bad Harzburg und stellte seine öffentliche Tätigkeit nahezu vollständig ein.

Das Werk von Bogeng ist nach wie vor aktuell – es wurde mehrfach nachgedruckt und wird stets zu hohen Preisen auf dem modernen antiquarischen und bibliophilen Markt nachgefragt. Die Geschichte der Bibliophilie wurde nicht wissenschaftlich fortgeführt oder weiterentwickelt. Somit bleibt Bogengs Die großen Bibiliophilen auch nach hundert Jahren die einzige Quelle zur Geschichte des deutschen Büchersammelns.

(Maria Bogdanovich)