Als Würdigung aller Opfer der Covid-19-Pandemie, darunter auch der langjährige Kölner Galeristin Elisabeth Broel (1957-2020), die in der Buchkunstszene als Organisatorin der Kölner Künstlerbuchmesse „Editionale" wohlbekannt und hoch geschätzt war, ist ein Gedenkbuch entstanden.
Hierfür hat John Gerard (The Paperstudio) Papiere aus getragener Kleidung der Toten von Hand geschöpft. Stellvertretend für alle Corona-Verstorbenen soll dieses Objekt Angehörigen die Gelegenheit geben, sich von geliebten Menschen zu verabschieden und ihrer Seelen zu gedenken.
Einerseits wird sowohl der Gedanke der Transzendenz durch die Transformation der Textilien zu Papier betont, als auch die Fragilität des Lebens, indem eine besondere klebstofffreie Bindung die einzelnen Seiten des Buches miteinander verbindet.
Von Gernot Cepl, Elisabeth Broels Ehemann, hat der Künstler einige ihrer Kleidungsstücke erhalten, die sich zur Papierherstellung eignen, schöpfte Bogen aus bunt zusammengewürfelten Mischungen. Diese Bogen versteht er als Träger von Seelenteilen der Verstorbenen, als „Seelenpapiere".
Begleitet von ebenfalls handgeschöpften, aber neutralen weißen Papieren „ohne Vorgeschichte", die man im Kontext dieses Werkes auch als „Leichentücher" verstehen kann und auf die Albert Ostermaiers zutiefst berührendes Gedicht „der gipfel" gedruckt ist, bilden diese die Seiten des Gedenkbuches.
Um diese Einzelblätter miteinander zu verbinden, entwickelte der Künstler eine Heftung von Elizabeth Steiner mit zwei ineinander gesteckten Ketten weiter, die an zwei DNA-Kettenstränge im Genom einer menschlichen Zelle denken lassen. Intuitiv assoziiert man die zusammengefügten Ketten aus handgeschöpften Bluejeans-Papieren mit einem abstrahierten Coronavirus, die mintgrünen „SpikeProteine" aus Hadernpapier erinnern an OP-Textilien und die Atmosphäre im Krankenhaus.
Im Verständnis des Künstlers ist Elisabeth Broels Seele durch ihre Kleidung immer noch in den „Seelenpapieren" präsent. Solange sie lebte, wurde ihre Seele durch ihren Körper und ihre Kleidung geschützt. Ihr toter Körper wurde durch ein reales Leichentuch geschützt, das im Gedenkbuch seine Analogie in den neutralen weißen Papieren findet. Jedes „Seelenpapier" kann als ein Persönlichkeitsmerkmal der Verstorbenen verstanden werden, symbolisiert durch die unterschiedlichen Farben der Bogen. Durch die Transformation der ehemaligen äußeren Hülle zu neuem Material wurde der Aspekt der Transzendenz begreifbar gemacht.