Unschuldige Betrügereien. Reproduktionsgrafik nach Handzeichnungen – mit den Leihgaben der Graphischen Sammlung der Universität Trier ist die neueste Ausstellung der Winckelmann-Gesellschaft (Winckelmann-Gesellschaft e. V. mit Winckelmann-Museum, Winckelmannstr. 36–38, 39576 Stendal) bestückt, die am 23. September eröffnet wird und bis zum 26. November 2023 gezeigt wird. Die Handzeichnung gilt, insbesondere in Gestalt der schnell hingeworfenen Skizze, als das persönliche Signum von Künstlerinnen und Künstlern schlechthin. Sie erscheint damit als unwiederholbar. Der Versuch ihrer Vervielfältigung nun stellt eine der großen Unternehmungen und einen Motor technischer Innovationen in der Druckgrafik des 18. Jahrhunderts dar, einer Zeit, in der das theoretische wie sammlerische Interesse an der Zeichnung an Bedeutung gewann.
Die Ausstellung zeigt Werke bedeutender Druckgrafikerinnen und -grafiker auf diesem Feld, wie etwa Gilles Demarteau (1722–1776), Cornelis Ploos van Amstel (1726–1798) sowie Francesco Bartolozzi (1727–1815), Per Gustaf Floding (1731–1791), Maria Katharina (1747–1794) und Johann Gottlieb Prestel (1739–1808), Richard Earlom (1743–1822) oder Adam von Bartsch (1757–1821). Die dabei auftretende große Bandbreite druckgrafischer Verfahren lässt den großen Einfallsreichtum erkennen, der nötig war, um vor der Erfindung der Lithografie 1797/1798 den besonderen Charakter der Handzeichnung zu imitieren. Mit Radierung, Camaieu-Schnitt, Mezzotinto, Punktier- und Crayonmanier, Aquatinta und weiteren bekannten Verfahren erzielten die Reproduzenten eindrucksvolle augentäuscherische Effekte bis zur fast vollständigen Faksimilierung des Originals.
Die Ausstellung versammelt Blätter aus bedeutenden Mappenwerken nach Handzeichnungen der Zeit, darunter auch einige Blätter aus dem Kompendium von Reproduktionsstichen des Radierers Bernard Picart (1673–1733), das 1734 postum unter dem Titel Impostures innocentes (etwa: Unschuldige Betrügereien) erschien. Anders als der Titel vermuten lässt, zielte Bernard Picart jedoch nicht auf Täuschung. Vielmehr sollten Gemälde und Zeichnungen verschiedener Meister in der Reproduktion dem direkten Vergleich zugänglich gemacht werden. Auf diese Weise begründeten solche Mappenwerke wie die Impostures innocentes oder der etwa zeitgleich entstandene, ungleich berühmtere Recueil Crozat (1729) ein Publikationsformat, das eine Vielzahl neue Wege ebnete.
Die Ausstellung wirft somit auch Schlaglichter auf die Kunstkennerschaft des 18. Jahrhunderts und ruft einmal mehr in Erinnerung, wie sehr Kennerschaft und Kunsthistoriographie lange Zeit auf Bilder angewiesen waren, für die zwar unisono „Originaltreue“ in Anspruch genommen wurde, die jedoch ihre Vorlagen mitunter recht eigensinnig wiedergaben. Die Exposition war zuvor vom 15. Februar bis 31. März im Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München zu sehen. Zur Schau ist ein Katalog, herausgegeben von Stephan Brakensiek und Ulrike Keuper, erschienen: Unschuldige Betrügereien. Reproduktionsgrafik nach Handzeichnungen, Trier 2023 (Kataloge der Sammlungen der Universität Trier, Band 10). Das Winckelmann-Museum ist von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eingang befindet sich in der Winckelmannstraße 38. Der reguläre Eintritt beträgt 7 (ermäßigt 5) Euro, es gibt eine Reihe Rabattsysteme für den auch nur teilweisen Besuch der Einrichtungen des Hauses. Das Museum in Stendal ist mittlerweile barrierefrei zugänglich.
(Winckelmann-Gesellschaft e. V./André Schinkel/Pressemitteilung)