Pirckheimer-Blog

Peter Arlt

Mo, 21.09.2020

Fotos © ad

Jahrestreffen - Tag 3


Ferdinand Puhe


Rudolf Angeli


Matthias Koloßa


Prof. Peter Arlt


Till Schröder


Gerhard Rechlin


Dr. Thilo Berkenbusch


Jutta Osterhof (Mitgliederbetreuung), Matthias Haberzettl (Mitgliederbetreuung), Dr. Thilo Berkenbusch (Schatzmeister), Dr. Ralph Aepler (Vorsitzender des Vorstandes), Ralf Wege (Presse und Medien), Till Schröder (Stellv. Vorsitzender des Vorstandes)


Matthias Haberzettl und Dr. phil. Jens-Fietje Dwars

Titel und Fotos 1-3 © Stefanie Volmer, Fotos 4ff © ad

Jahrestreffen - Tag 1


Prof. Peter Arlt

 

Di, 28.04.2020

Peter Meinfelder zum Gedenken

Vor Ostern konnte seine Frau Martel mit beiden Töchtern den in die Einsamkeit verbannten Peter besuchen und ihm am 21. April 2020 bis zum Schluss seine Hände halten.

Die Pirckheimer schätzten Dr. phil. Peter Rudolf Meinfelders Geselligkeit und sein immenses Wissen mit historischen, philosophischen, politischen und buchkünstlerischen Kenntnissen, ein Mensch, der in aller politischen Welt einherging und über so ziemlich alles Bescheid wusste.

Seine besondere Leistung für die Pirckheimer-Gesellschaft war unser Jahrestreffen 1999 in Saalfeld und Rudolstadt, das mit den Angeboten fast überquoll. An allen Jahrestreffen nahm er aktiv teil und spendete aus seinem Sammlungsbestand, in dem manches mehrfach war, wertvolle Bücher.

Seit 1990 organisierte Peter Meinfelder Veranstaltungen für unsere Thüringer Pirckheimer-Gruppe. Diese Regionaltreffen, zwei-drei Veranstaltungen im Jahr, konzentrierten sich vor allem auf seine Aktivität und die seiner Stellvertreterin mag. art. Diana Trojca.

Nicht nur für das Jahre 2019 gilt Peter Meinfelders Wunsch: „Viele biblio(v)phile Erlebnisse, Freude an allen schönen Dingen, am Buch, der Graphik, an kulinarischen Genüssen und an einem guten Schluck.“ Er wandte sich an uns, sollten wir doch ein „einig Volk von Bücherfreunden sein, wenn es im Sinne unserer Gesellschaft ist.“

 (Peter Arlt)

Mo, 17.02.2020

Monika Geilsdorf: Selbstbildnis, 1976, Öl und Tempera auf Hartfaserplatte, Foto © Mausolf/VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Der sachliche Blick

"Als Begrüßungsbild gedacht, empfängt den Besucher in der Rathaushalle Frankfurt (Oder) das „Selbstporträt mit Arbeiter“ (1983) von Norbert Wagenbrett [...] Ein Doppelporträt, wo der eine den anderen mit prüfendem Blick in Augenschein nimmt. Oder mit kritischem Blick kontrolliert der Maler das von ihm geschaffene Bild des jungen Arbeiters und nimmt wahr, wie der ihn wohl einschätzt. [...] Zwei von den Leuten des ganzen Landes, zu denen der Dichter Volker Braun bekennt: „Und mitten / Unter ihnen gehe ich, wie sie“. Vom Ich zum Wir, einem landesweiten Kollektiv, das den Sozialismus in der DDR aufbauen wollte. Zwischen Künstlern und Arbeitern bestand wechselseitige Anerkennung. Jeder zwölfte bewies ein starkes Interesse an der Kunst, wollte unbedingt die IX. und X. Kunstausstellung der DDR sehen. So stellte Bernd Lindner die „Herausbildung eines eigenständigen Kunstpublikums in der DDR“ fest. [...] „Seit Jahrhunderten ist der Realismus ein Mittel der Selbstverständigung des Menschen“, betont Wagenbrett seine Haltung und setzt fort: „Solange Künstler zu möglichst realen Mitteilungen über ihre Welt und die Menschen herausgefordert werden, solange wird es Realismus geben.“
Solche Herausforderung gibt es vom bürgerlichen Mitte-Staat nicht. [...]
Aus der wohl größten Sammlung von Kunst aus der DDR (42.000 Werke im BLMK) sind in würdiger Weise 80 Gemälde und Plastiken von 46 Künstlerinnen und Künstlern ausgestellt, die mit aufgeschlossenem und unabhängigem Blick sachliche Bilder gestalteten, die natürlich nicht objektiv sein können, aber dem Betrachter mehr Freiheiten bei der Einschätzung lassen. Sie stammen überwiegend aus den 60er und 70er Jahren.[...]
In den folgenden Abschnitten wurde aus dem „staatlich oktroyierten Kunstdogma“ (Lothar Lang) ausgebrochen und soziale Probleme wurden kritisch reflektiert. Weil diese Kunstwerke Lebensfragen voller konfliktgeladener gesellschaftlicher Widersprüche aufwarfen, gelang es, ein Massenpublikum ästhetisch-geistig zu mobilisieren. In den 70er Jahren gab es nicht nur in Leipzig und in der DDR, sondern ebenso in der Sowjetunion und weltweit einen ähnlich gerichteten Realismus, gleichfalls in der BRD. Mit Fotorealismus, Hyperrealismus oder Super-Realismus im Westen, vor allem in den USA, gab es eine Wechselwirkung, eine herausfordernde Ästhetik des Widerstands. Im Katalog wird richtigerweise auf analoge Entwicklungen im Osten wie im Westen hingewiesen. So gelingt es, feindliche Gegenüberstellungen zu überwinden. [...]
Erst unter Berücksichtigung aller Stilrichtungen und damit der Zusammenfassung aller empirisch subjektiven Wahrhaftigkeiten, wie sie das BLMK nach und nach in Ausstellungen in Frankfurt und Cottbus („Kollektive Signaturen“, Michael Morgner) entfaltet, kann das komplexe Phänomen der Kunst aus der DDR eine kunsthistorische Wahrheit finden."

(Peter Arlt in Das Blättchen, 23. Jahrgang | Nummer 4)

Es erscheint ein Katalog (108 Seiten) 15,00 Euro.

Ausstellung, 26. Januar - 3. Mai 2020,

Rathaushalle
Marktplatz 1, 15230 Frankfurt (Oder)

Mi, 02.10.2019

Ronald Paris - Paris, Café Au Vieux Chatalet

Ronald Paris

... erlebt Paris

Eine Ausstelung in Potsdam des Brandenburgischen Kulturbunds.

„ Ronald Paris ist ein Bildermacher und lässt uns in seinen Bildern die Kraft der Visualität, den sinnlichen Genuss von gestalterischer Dichte und das geistige Vergnügen an der Zeichenfindung spüren.
Die Kunst Paris wird getragen von der Tradition der Moderne und ihren Rückgriff auf archetypische Situationen, antike Gestalten und Mythen, einer Metapher für unsere menschheitsgeschichtliche Verwurzelung" 

(Prof. Dr. Peter Arlt)

Eröffnung: 13. Oktober 2019, 15 Uhr, Begrüßung: Dr. Hinrich Enderlein, Worte zur Ausstellung: Wolfgang Lücke, Musik: Frank Viehweg / Dichtersänger
Ausstellung: 13. Oktober - 30. Dezember 2019

Museumshaus "im Güldenen Arm"
Hermann-Elflein-Straße 3, 14467 Potsdam

Do, 02.08.2018

Foto und Video © Ralph Aepler

25 Jahre Palmbaum

Zur Eröffnung der Ausstellung "25 Jahre Palmbaum"  im Haus Dacheröden (Erfurt) las der Hallenser Lyriker und Romancier Wilhelm Bartsch, begleitet vom Jazz-Posaunisten Frieder W. Bergner aus seinem neuen Gedichtband „Gotische Knoten“ (siehe untenstehendes Video). Selbstverständlich ließen sich das die Thüringischen Pirckheimer, darunter Matthias Koloßa, Peter Arlt mit Gattin und Ralph Aepler aus Mannheim nicht entgehen, auch Matthias Biskupek war angereist.

Auf dem nebenstehenden Foto der Chefredakteur Jens-Fietje Dwars, der die einführenden Worte sprach.

 

Di, 19.12.2017

Foto: Peter Arlt

Trauerfeier für Elmar Faber

"Bei aller Trauer ... [sollten wir dankbar sein] ... für das Glück, über Jahrzehnte mit diesem tollkühnen Husaren gelebt zu haben

"... eine bemerkenswerte Trauerrede [von Christoph Hein], die das ganze emotionale Spektrum abbildet. Von der Trauer und dieser Dankbarkeit, über den warmen Humor, mit dem der Schriftsteller von der felsenfesten bis starrsinnigen Überzeugung des Thüringers Faber berichtet, Thüringens Liedgut und seine Bratwurst seien die jeweils besten der Welt. Von der Bewunderung angesichts der Dreistigkeit, mit der Faber seinen, Heins, Roman „Horns Ende“ an der Zensur vorbei und sogar gegen den erklärten Willen des Oberzensors Kurt Hager veröffentlichte und verkaufte. Von der Hochachtung, mit der Elmar Faber sich über alle Grenzen zwischen den Ländern, den Systemen, den Zeiten hinweg treu geblieben ist, um guten Büchern, schönen Büchern, kostbaren Bücher in die Welt zu helfen, angetrieben von seinem unbeirrbarem Selbstbewusstsein, von seinem Stolz und dem Wissen, die besseren Argumente zu haben – und das bessere Programm. Vom nie verflogenen Groll und Zorn angesichts des Umgangs neuer Herren mit dem kulturellen Erbe der DDR. ..."
(Peter Korfmacher, in Leipziger Volkszeitung, 19.12.2017)

gesamten Artikel lesen

Fr, 14.07.2017

Prof. Dr. Peter Arlt, Foto © Ralf Parkner

Peter Arlt - Mein Maler ist ein Kauz

Der junge Maler Karl Stauffer-Bern in der Guten Schmiede beim 70-jährigen Gustav Freytag

Dem kaiserlichen Wunsche gemäß trifft in Siebleben ein junger Schweizer berühmter Porträtist ein, der mit Bildnissen von Dichtern des 19. Jahrhunderts beinahe den ganzen deutschen Parnass gemalt hat. Gerade wollte er nach Rom aufbrechen, sollte er nun in Siebleben bei Gotha Gustav Freytag malen. Zuerst war Stauffer für den Porträtauftrag nicht willens, dann wurde er frohgemut, selbstgewiss, sogar überheblich, nach innerem Kampf der Umschlag, die Verzweiflung. Es geschieht, was das Ganze in Frage stellte. Bei dem alten Dichter und dem jungen Maler entwickelte sich aus ihrem Briefwechsel und Begegnungen mit Frauen hier wie dort Liebesaffären mit Glück und Konflikt. In welche Gefahr sich Stauffer begab, sich in Lydia Escher-Welti zu verlieben, sie später als seine Geliebte zu entführen, lag nicht nur daran, dass sie die Ehefrau seines Freundes und Schulkameraden und Kunstmalers war, sondern damit auch die Schwiegertochter des Bundesrates Emil Weltis. Vor allem war sie die Tochter des berühmten Alfred Eschers, der Princeps von Zürich und Schöpfer der Gotthardbahn.
Die Erzählung umfasst Geschichten, dokumentarisch und fiktiv, vom Realismus, vom Gothaer Herzog, vom Maler Louis Gurlitt, von der Siebleber Kirche, vom Postwagen des Schnellzuges nach Frankfurt, von einem des Landwehrvereins, der aus dem Dorfe Wechmar stammt, und von Silberdistelkränzen.
Dem schon erarbeiteten wissenschaftlich-akademischen Beitrag zu Gustav Freytags (1816-1895) mit dem Maler Karl Stauffer-Bern (1857-1891) und die Entstehung des Porträt-Gemäldes, 1886/87, folgt hier ein ins erzählerische Genre umgewandelter neuer Text für eine heitere, nachdenkliche und tragische Lektüre eines völlig unbekannten Themas. In der künstlerischen Darstellungsweise prägte sich das erforschte Geschehen komplexer aus als die wissenschaftliche Forschung es vermochte.

Peter Arlt liest seine Erzählung am Pirckheimerabend der Thüringer Regionalgruppe.

14.Oktober 2017 ab 14 Uhr

Stadtmuseum/Bertuchhaus in Weimar
Liebknechtstrasse 5

Mo, 28.11.2016

Marginalien 223

Eine freudige Nachricht für alle Mitglieder der Pirckheimer-Gesellschaft: Den nächsten Marginalien wird eine Radierung von Strawalde in einer der hier abgebildeten Versionen beiliegen.
Aber auch ohne beiliegender Graphik, die traditionell eben nur Mitglieder der Pirckheimer-Gesellschaft erhalten*, lohnt sich der Blick in das Heft 223, welches Anfang Dezember 2016 ausgeliefert wird. Jens-Fietje Dwars nimmt den 85. Geburtstag von Strawalde zum Anlass für eine ausführliche Würdigung des graphischen Schaffens dieses Berliner Malers und Filmregisseurs und Peter Arlt den 90. Geburtstag von Ursula Mattheuer-Neustädt für einen Artikel unter der Überschrift Bilder zur Literatur und zur Heimat. Claudia Fabian gewährt mit seinen Gedanken aus der Bayerischen Staatsbibliothek Einblick in die Sammelleidenschaft – Wissenschaftliche Bibliotheken und ihr Blick auf Sammlungen. Und in einem weiteren Artikel berichtet unter anderem Jürgen Engler unter dem Titel Von Fortschritt und Fortschnitt über Dreißig Jahre Künstlerbücher von Hanfried Wendland.
Strawalde signiert im Beisein des Druckers Dieter Bela die Radierungen für die Pirckheimer, Foto: Hendrik Liersch
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*um eine Mitgliedschaft bei der Pirckheimer-Gesellschaft zu beantragen, bitte hier klicken ...

So, 12.06.2016

Eröffnung in Staucha: Haus zum guten Buch

Das Anliegen der Bibliothek, dem Haus des Vergessens ist, dass man eben nichts vergisst, dass man sich vieler Dinge erinnert, denn die Erinnerung ist eine mysteriöse Macht und bildet den Menschen um. Wer vergisst, was schön war, wird böse. Wer das vergisst, was schlecht war, wird dumm. Und so habe ich manchmal den Gedanken, ich lebe nur unter bösen oder schlechten oder dummen Menschen, aber das stimmt ja nicht. Es gibt ja immer die Ausnahme und die ist ziemlich groß.
(Peter Sodann)
Peter Sodann (links), hier mit Elmar Faber, Foto © Peter Arlt
Nach seinem 80. Geburtstag eröffnet Peter Sodann – Schauspieler, Regisseur und Theater-Intendant, Tatort-Kommissar, Ex-Bundespräsidentenkandidat, Ehrenbürger der Stadt Halle und Bücher-Sammler – in Staucha, dem neuen Lebensdomizil und Ort für seine DDR-Bibliothek, am 18. Juni 2016 ein "Haus zum guten Buch“. Das Haus soll ein Haus gegen das Vergessen und eine Herberge für Menschen sein, die ihn in seinem letzten großen Vorhaben unterstützen wollen oder einfach nur lesen.
(MDR Kultur)

Di, 12.04.2016

Marginalien 220

Freuen Sie sich auf das 220. Heft der Marginalien. Die aktuellen Exemplare sind heute vom quartus-Verlag auf den Postweg gebracht worden und sollten in den nächsten Tagen bei allen Mitgliedern und Abonnenten im Briefkasten sein. Viel Spaß beim Lesen!
Falls die Marginalien bis kommende Woche nicht eingetroffen sind, melden Sie sich bitte beim Vorstand. Wir kümmern uns darum.
(Ralf Wege)


aus dem Inhalt:
Hans Marquardt, von Westen gesehen | Erinnerung an den Verleger (Hans Altenhein)
Eine Generation auf ihrem Weg durch Kunst und Politik | Betrachtet am Beispiel Joachim John und Lothar Lang
(Elke Lang)
Im Grusel- und Kuriositätenkabinett der Zensur (Elmar Faber)
Angela Hampel für die Pirckheimer und Peter Sodann (Peter Arlt)


Anstelle der typografischen Beilage enthält das Heft das Handschriften-Faksimile mit Aquarellen "Joachim John Vier Gedichte".

So, 27.03.2016

Hans Tichas malerische Signets

Wie ist Ironie in Bildern erkennbar? Offenbar schwer, stellte der Maler Hans Ticha fest, als in seinen Bildern mit Rote-Fähnchen-Schwingenden kommunistische Propaganda gemutmaßt wurde.
Gemäß dem Slogan von Friedrich Schlegel „Ironie ist Pflicht“ fand Ticha in den gesammelten Zeitungsfotos ironische Sinnzeichen für seine „Hochrufer“ und „Klatscher“, die sich als vermeintliche „Sieger der Geschichte“ auf Parteitagen zur Schau stellten. In Serien führt er die erbsköpfigen „Klatscher“ von 1983 achtteilig vor, rückt die klatschenden Hände monströs in den Vordergrund. Die großformatigen grauen oder knallbunten Bilder mit stereometrischen Figuren wirken, als seien sie „in sattes Öl gehauen“ (Jürgen Rennert). Wie kann man in diesen Unter- und Überdimensionierungen, in den Kugel- und Nullenköpfen und ihrer Gesichtslosigkeit, in den Glättungen, welche die Individualität auslöschen, keine Ironie erkennen?
Hans Ticha, 2000,
Farbholzschnitt (4 Platten)
Tichas Spott traf die parteiideologische Versimplifizierung und die Sinnentleerung der kommunistischen Idee, die als Marxismus-Leninismus in die „Parteikader“, ein Bild von 1984 zeigt sie, eingetrichtert wurde. In der Parteisprache kampfbereit verarbeitet zu Losungen „Plane mit / Regiere mit …“, von Ticha in „LTI II“, Öl, 1983, festgehalten. Darin folgt er Victor Klemperer, der in „Lingua Tertii Imperii“ untersucht hat, wie sich in der Sprache das Wesen hüllenlos offen zeigt.
Vor 1989 standen Tichas Bilder in einem Stapel mit dem Gesicht zur Atelierwand. Polit-Bilder, die nur noch die Frau und der Freund sehen durften. Ticha, der in seiner Kunst auch die Schüsse an der Mauer nicht ignorierte, der aufmarschierende Soldaten in der Bleistiftzeichnung „Deutsches Ballett“ und gröhlende Beifallsbekundungen und Selbstbeweihräucherung verspottet, die unfassbar gesteigert werden in einer Zeit massenhafter Ausreise von jungen Leuten, denen Erich Honecker keine Träne nachweinen will. Trotzdem wirft sich ein „sich selbst applaudierender Staat“, wie Erik Stephan im Katalog festhält, mit Genugtuung in die Brust. Ticha kann also vorweisen, was viele DDR-Oppositionelle nicht in der Schublade haben oder womit sie sich erst ab 1990 zu veredeln suchten. Neben lesenswerten Einsichten kehren in Paul Kaisers Katalogtext Klischees über die DDR wieder, welche die richtige Kritik so vereinfachen, dass sie falsch wird. Wer sich die stilistisch völlig eigenartige Kunst der Schüler von Kurt Robbel – Ronald Paris, Konrad Knebel, Hans Vent, Heinrich Tessmer, Helmut Symmangk und Hans Ticha – vor Augen führt, kann doch nicht behaupten, dass an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee nur ein begrenztes „Arsenal der lizenzierten Stilmittel [exerziert]“ werden konnte. Jeder Kunstfreund in der DDR wusste außerdem, wie man sich einen „Blick in die Kunstgeschichte der Moderne“ verschaffen konnte; an den Hochschulen in Erfurt, Leipzig, Dresden, Berlin, Greifswald wurde sie auch nach Ausbildungsplänen vermittelt; seit 1965 verschaffte die „Intergrafik“ vertieften Einblick; ab 1966 erschienen Bücher und Ausstellungskataloge zum Bauhaus, vor allem die Serie in der Galerie am Sachsenplatz Leipzig; seit 1977 zeigte das Alte Museum in Berlin „Zeitgenössische Kunst aus der Sammlung Ludwig“ und so weiter.
Der Weg des Künstlers Hans Ticha begann Ende der 1960er Jahre unter dem Einfluss seines formenstrengen Lehrers Kurt Robbel, der ihm auf Augenhöhe begegnete und in seiner Folge sah. Zu spüren ist der Einfluss von Oskar Schlemmer, El Lissitzky, Hans Arp, Konrad Klapheck, vor allem von Fernand Léger und den Kubisten. Ticha ist keineswegs losgelöst von der europäischen Moderne. Er wirkt zudem als Pop-Künstler, der aber nach Erik Stephan nicht wie die westlichen Pop-Artisten die reiche Konsumwelt aufs Korn nimmt, sondern die in der kargen DDR sich massenhaft ausbreitende Propaganda. Bei ihr geraten die Menschen, wie das Objekt „Meinungsbildung“ aus Holz und Metall von 1988 demonstriert, in ein Folterinstrument.
Tichas Bekanntheit begründeten Sportbilder, zwar ein Angriff auf des DDRlers liebstes Terrain, aber mit Komik und selbst mit Bewunderung aufgefasst. Welch elegantes paralleles Gleiten im „Eislauf“, 1980, oder das akrobatische Ineinandergestecktsein von Frau und Mann beim „Eislaufpaar“, 1985.
Wenn sich Stuhlbeine in zwei Füßen gründen, der „Rote Bläser“ ohne Mund bläst oder die gemalten Leitz-Ordner in Norm-Format, mit Kantenschutz, Griffloch und 180-Grad-Präzisionsmechanik ein Menschenbild spiegeln, erleben wir bei Ticha Verwandlungen, die allegorischen Sinn tragen.
Tichas Name heißt Stille. Von seinen frühesten bis aktuellen Gemälden sucht er in einer oft stillen, monumentalen Ästhetik nach malerischen Signets und Piktogrammen. Die aktuellen Parteitagsrituale führender Parteien wiederholen ähnliche aufdringliche Erscheinungsbilder, die Ticha schon vorgeführt hat. Seine Bilder lassen sich glatt auf heutigen ausgedehnten Applaus, auf Jubelrufe und unaufrichtiges Demokratiespiel beziehen und fordern neuen Spott heraus. Nun unterwirft Ticha die Waren- und Geldwelt und die Prostitution in grellen Farben seiner ungedämpften Kritik in Ironie.
Jena zeigt mit 70 Gemälden, Objekten und ein paar Zeichnungen eine Retrospektive des 75jährigen Künstlers, eine beeindruckende Schau.
(Peter Arlt in “Ossietzky”, 6, 2016)

Es erscheint ein Katalog (22 €)

Ausstellung: noch bis 10. April 2016

Di, 16.02.2016

Nachlese: Pirckheimer-Jahrestreffen 2015

Peter Sodann, Gisela Klostermann, Peter Arlt, Ralph Aepler (von oben nach unten)
Für alle Teilnehmer am Jahrestreffen der Pirckheimer-Gesellschaft 2015 in Meißen und Staucha und natürlich für jeden, der sich für die Aktivitäten dieser Buch- und Graphikfreunde interessiert, stellt Frau Gisela Klostermann noch einige Schnappschüsse von dieser Veranstaltung zur Verfügung, aufzurufen durch Klick auf obige Fotos.

1 Kommentar:
Ralf Wege hat gesagt …
Das sind doch schöne Erinnerungen an die Zusammenkunft in Meißen. Liebe Frau Klostermann, vielen Dank! Die Fotos machen gleich noch mehr Lust auf das Jahrestreffen in München. Vom 2. bis 4. September 2016 ist in der bayerischen Landeshauptstadt Pirckheimer-Zeit. Nicht vergessen: Anmeldeschluss für das Jahrestreffen ist der 30. Juni. Mehr dazu unter pirckheimer-gesellschaft.org
16. Februar 2016

Mo, 26.10.2015

Angela Hampel und die Pirckheimer bei Peter Sodann

Mit Büchern – so sagt Angela Hampel – „halte ich auch Zeitgeschichte in der Hand“. Bei der „Kleopatra“ von Theophile Gautier erinnert sie sich an die herrlichen Tage, als sie dafür Illustrationen schuf, doch ebenso an die „Zeit der Container vor den Buchhandlungen“, als sie das weggeworfene frischgedruckte Büchlein entdeckte. Auch deshalb schätzt sie die Arbeit von Peter Sodann als Buchfreund und Verteidiger kultureller Leistungen der DDR, der viele Bücher vor dem Müllkippenschicksal bewahrt hat und jetzt in seiner Bibliothek in Staucha sammelt. Zu den aktuellen Befürchtungen von Spiegel online: Staucha steht! Doch die noch nicht eingearbeiteten und ausgelagerten Bücher in Oschatz sollen aus ihrer Räumlichkeit heraus, weil der freundliche Holländer als Besitzer davongeflogen ist. Doch wohin mit der Büchermenge?
Die Sammlung der Bibliothek in Staucha umfasst in zunehmender Vollständigkeit die 40jährige Buchproduktion der DDR von vier Millionen Büchern. Die kompakte Buchproduktion eines Landes kann sinnlich wahrgenommen werden. Woanders muss man wissen, was man sucht. Doch bei Sodann findet man Ungesuchtes, Überraschendes, stößt auf Bücher und Verlage, von denen man schon viel oder noch nie etwas gehört hat. Jeder kann im Angebot der Bibliothek für seine eigene Büchersammlung, ob er sich für Belletristik, Lyrik, Biologie, Mathematik oder Rechtswissenschaft, Statistik, für Philosophie und Kunst oder für Religion, Geschichte oder Politik interessiert, vielfältige Anregungen bekommen. Das komplexe Publikationsgebiet eines Landes lässt Möglichkeiten und Beschränkungen der DDR erkennen und nähert sich zur deutschen Geschichte nach 1945 in gewissem Sinn der historischen Wahrheit an. Das ist kein Anliegen nur einer Partei, denn es geht darum, die Bücher der DDR, ob herausragende Buchkunst oder schreckliche Druckerzeugnisse als eine Verkörperung dieses Staates geschlossen vorzuweisen.

Die Pirckheimer-Gesellschaft, die anregt, schöne, wertvolle Bücher und Grafik zu sammeln, steht dem bewundernswerten Anliegen Peter Sodanns, der selbst ein „Pirckheimer“ ist, nahe. Sie nutzte ihr Jahrestreffen im September, um dieses Kulturdenkmal ersten Ranges zu besuchen, und versprach mit dem neuen Vorsitzenden Ralph Aepler, zur öffentlichen Resonanz und Unterstützung beizutragen. Manche Pirckheimer wünschen den Sammlungsbestand der Peter-Sodann-Bibliothek zu vervollständigen und, soweit Lust dazu besteht, mit wissenschaftlicher und sammlerischer Potenz den Bestand zu durchforschen, um neue Aspekte darzulegen und die Bücher einer Nutzung in die Zukunft hinein zuzuführen. Zum Jahrestreffen widmete der Verleger und Publizist Elmar Faber Peter Sodann seine historisch weitgreifende Festrede, mit welcher er die Zensur in der Weltgeschichte kompakt erfasste und die verschiedensten Formen in der DDR im Licht der scharfen Analyse grell bis satirisch hervortreten ließ. Angela Hampel (1956) stattete die Jahresmappe für jeden Teilnehmer mit Grafiken aus, über eine Doppelseite hinweg eine farbige Buffet-Grafik mit Liebespaar aus Faun und Nymphe beim Schmaus von Weintrauben unterm Flötenspiel eines Faunes, und eine Grafik zu Christa Wolfs „Kassandra“, ein Fall bibliophiler Buchkunst. Mit der Schriftstellerin auf das freundschaftlichste verbunden, erarbeitete die Dresdener Malerin und Grafikerin Angela Hampel 1984 parallel zur Auseinandersetzung mit deren Buch sieben Blätter zu „Kassandra“, Kopfstudien einer jungen Frau mit ekstatischen Gebärden in Lithographien. Bei ihr wird Kassandra zu einer ganz und gar gegenwärtigen, jugendlichen Frau, einer Punkerin. Sie wird zum Synonym einer ausgesprochen individuellen Lebensart, gegen die das gesellschaftliche Leben – gegen das es aufmüpfig zu provozieren gilt – einförmig und spießig erscheint. Die Künstlerin zeichnete eine fackeltragende Heroin mit Tusche auf Alu-Platte zu einer Algrafie, ein Flachdruck und Lithographie-Variation (vgl. Lothar Lang: „Der Graphiksammler“, Berlin 1979). Darunter schrieb sie Zeilen aus dem Roman „Kassandra“ von Christa Wolf: „Wohin ich blicke oder denke, kein Gott, kein Urteil, nur ich selbst.“ Ein symptomatischer Monolog aus Christa Wolfs Erzählung, der die souveräne Selbstbehauptung dieser Frau und, attribuiert mit der Fackel, ihren prometheischen Geist erleben lässt. In der kurzzeitigen Stauchaer Ausstellung in den Regalen eines Bibliothekteiles, mit den Bildern vor den Büchern, ließ Hampel den funktionalen Aspekt deutlich hervortreten und betonte die Beziehung, welche die Bilder oft zur Literatur eingehen. Die kleinen Grafiken und Leinwände zeigten mit expressiver Bildsprache und exaltiertem Bewegungsausdruck und Farbkontrasten zwischen rot und schwarz, ihre Themen: Minotaurus, Amazone, Medusen, Frauen mit Tieren, Kain und Abel, Rapunzel ... In vereinfachter, fast hieroglyphischer, Gestalt merkwürdige Paarungen, gefleckte Frauen mit Raubtieren oder im „gewand einer schlange“, wie es die sorbische Dichterin Róža Domašcyna bildhaft fasste. Fische und Vögel umspielen die Köpfe der Frauen mit wehendem Haarschopf, wie Organe, von denen Schutz und Gefahr ausgeht. Hampels „Physiologus“ versammelt keine Darstellungen von Tieren, sondern diese verkörpern Eigenheiten bei Frauen wie Männern, wie das Starke und Verletzende, das Schutzsuchende und Zärtliche, die rasende Leidenschaft und besänftigte Wildheit. Frauen zu Frauen und zu Männern, sinnlich zugeneigt, wie Distanz gebietend. Muster abgründiger Triebe und extremer Lebenssituationen, von einer sich mit ungezügelter Leidenschaft durchsetzenden Selbstbestimmtheit in einer menschen- und tierfeindlichen Umwelt. Als Meisterstück wirkte ihr großes magisches Triptychon „Minotaurus“, Mischtechnik auf Leinwand, je 140 x 120 cm. Unter den dolchartigen Hörnern weist sein Blick aus rötlichem Auge zurück und erschreckt; sein animalischer Körper ist mit ihrem Leib, voll zarter Weiblichkeit, vereint, sie wollen ewig Liebe spüren, ein Totentanz, in beängstigender Unmittelbarkeit.

(Peter Arlt)
 
Peter-Sodann-Bibliothek, Thomas-Müntzer-Platz 8, 01594 Staucha
Dienstag bis Freitag 8 – 14 Uhr und auf Anfrage 035268 – 949574
Geldspenden an: DE35 850550003150005000, Sparkasse Meißen In: Ossietzky. Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft, hrsg. von Matthias Biskupek, Daniela Dahn, Rolf Gössner, Ulla Jelpke, Otto Köhler und Eckart Spoo. Interdruck Berger + Herrmann Hannover, 18. Jg., 2015, Heft 21, S. 776-777

Mi, 07.10.2015

Ein ganzes Land in einer Lagerhalle

Vor wenigen Tagen fand das Jahrestreffen der Pirckheimer-Gesellschaft bei ihrem Mitglied Peter Sodann in Staucha statt und die Teilnehmer bewunderten eine einzigartige Sammlung der in der DDR und zuvor in der SBZ erschienenen Bücher, die durch den "Verein zur Förderung, Erhaltung und Erweiterung einer Sammlung von 1945-1990 im Osten Deutschlands erschienener Literatur" ausgebaut wird. Und in wenigen Tagen wird die Initiative Buchkultur diese, nicht nur kulturgeschichtlich wichtige, Sammlung in der Vortragsreihe "Buch, Kultur & Gesellschaft" würdigen.
Peter Sodann (links), hier mit Elmar Faber, Publizist, ehemaliger Cheflektor und Verlagsleiter bei Edition Leipzig, Direktor des Aufbau-Verlags und Verleger von Faber & Faber, Foto © Peter Arlt
Im Spiegel erschien jetzt ein Artikel über diese Sammlung, in welchem Peter Sodann als "trotziger Nachlassverwalter der DDR" vorgestellt wird, der als "linker Querkopf" in Sachsen, ähnlich dem bekannten gallischen Dorf, der Realität des "kollektiven Wandels" widersteht, es ist die Rede, von "West-Literatur, die hier keiner braucht", wie ein Mitarbeiter zitiert wird, die Rote Armee wird zum "Iwan" und die traurigen Wahrheit, dass in Staucha "das Wissen des Ostens in den Bananenkisten des Westens schlummert" wird als Treppenwitz der Geschichte bezeichnet.
Aber vielleicht lese ich den Text einfach zu genau und dem Autor Adrian-Basil Müller ist selbst gar nicht bewusst, wessen Sprache er dort spricht.
Der Grund, hier auf diesen Artikel hinzuweisen, ist ohnehin ein anderer, allerdings ein noch bedrückenderer: In Oschatz gibt es ein noch nicht erschlossenes Außenlager, hier stapeln sich 25 LKW-Ladungen mit Bananenkisten voller Bücher.
Ein niederländischer Investor mit Adresse auf der Karibikinsel Curaçao ... versprach dem Büchersammler Sodann angeblich (weiß es der Autor besser?) lebenslanges Nutzungsrecht für dieses Lager. "Nun wird der Holländer mit internationalem Haftbefehl gesucht, und ich soll weg hier." wird Sodann zitiert.