Wir, einige bayerische Pirckheimer, besuchten die Handbuchbinderei Olaf Nie in Weßling. Um es gleich vorwegzunehmen, dieser Besuch war
a) bestens organisiert, Dank dafür und
b) trotz Freitag, d. 13. – ein Glücksgriff.
Denn wir erlebten einen kompetenten, engagierten und aufgeschlossenen Gastgeber. Alle unsere Fragen, kluge, neugierige und (manchmal – natürlich nur fachlich) auch weniger kluge wurden umfassend beantwortet und mit einer Auswahl von meisterlichen Beispielarbeiten untermauert. Z.B. wie Werk und Einband (in Material, Farbgebung und Umsetzung) eine Einheit bilden können. Dargestellt am Beispiel Franz Kafkas „Das Schloss“, in dessen Einband eine Betonplatte integriert ist, oder in einem Bildband über Arbeiten von Gerhard Richter, in dessen Einband die Fotografie einer Bergwelt einerseits, andererseits einige abstrakte, grobe Pinselstriche durch eine Reihung von geschnittenen und neu zusammengefügten dünnen Plexiglasstreifen betrachtet, optisch beinahe gleichartig erscheinen. Auf solche Ideen muss man erst mal kommen …
Metall, unterschiedliche, verschieden bearbeitete Sorten von Pappe oder Papier, Kunststoff (als Folie oder Masse), Stoff, Pergament, selbst gefärbt, bis hin zu Perlrochenleder, … jedes Buch bekommt, was es verdient.
So erzeugt der Einband im Idealfall bereits einen Vorgeschmack auf den Inhalt des Buches. Z.B. „Maus. Die Geschichte eines Überlebenden“, von Art Spiegelman, der schwarz-weiß im Stil eines Undergroundcomics die Geschichte seines Vaters, eines Auschwitzüberlebenden, und seiner Mutter erzählt und dieser Einband durch Farbgebung und Materialität schon eine Art zögernder Neugier erzeugt. Andererseits wird dann erst eine (mögliche) Diskrepanz zwischen dem eigenen Anspruch des Autors/ Künstlers und dem Ergebnis seiner Arbeit deutlich, wenn wie im Beispiel von Erasmus von Rotterdams „Stultitiae Laus“ (Lob der Torheit) durch den Künstler lediglich Zitate herausgegriffen und immer gleichähnlichen Farbeffekten, Seite um Seite gegenüber gestellt werden. (Den Namen des Künstler hat der Schreiber dieser Zeilen zugegebenermaßen sowohl nicht gekannt, aber auch gleich wieder vergessen.) Hier sollte das Buch am besten geschlossen bleiben. So kann man wenigstens noch den Einband genießen.
Wobei wir beim Thema Handwerk, Kunst und Künstlerbücher wären… Hier hat Olaf Nie sehr klare Vorstellungen, trennt Handwerk und Kunst, bzw. Handwerker und Künstler klar, fast schon rigoros … Vielleicht hat er es nur nicht gern, wenn man ihn nicht nur als Meister seines Fachs, sondern auch als Künstler seiner Arbeiten bezeichnet. … Möglicherweise liegt dieses Dilemma aber auch nur im Auge des Schreibers dieser Anmerkungen.
Wir haben Olaf Nie jedenfalls kennengelernt als großartigen Hand-Werker (im besten Wortsinn), gleichzeitig als beredten Verfechter seiner Ansichten, der mit Sachkenntnis, Offenheit, Verve und Wortwitz seine Sicht der Dinge vertritt. Man möchte gerne mehr von ihm hören.
Wir bedanken uns für die überaus freundliche Aufnahme.
(Klaus Staffel)