Pirckheimer-Blog

Hartmut Andryczuk

So, 11.06.2017

Mit Peter Zitzmann in Lauf vor dem geschlossenen Wappensaal
Erscheint demnächst: Die Kunst des Sammelns,
Bd. 3, PETER ZITZMANNN

Peter Zitzmann (22.4.1943 - 8.6.2017)

"Ich hasse weiße Handschuhe"
Kein Nachruf

Bei manchen Menschen ist es nicht vorstellbar, dass sie sterben. David Bowie war so eine Persönlichkeit; Peter Zitzmann ist eine andere. Ersterer starb im letzten Jahr, letzterer am Donnerstag, den 8. Juni 2017. Damit hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf.
Peter war davon überzeugt, mindestens 90 Jahre alt zu werden. Das war aber vor der Diagnose einer unheilbaren Krankheit, deren Lebenserwartung nach gegenwärtigem medizinischem Stand 2 bis 5 Jahre beträgt. Ein Thema war das kaum zwischen uns. Über Krankheiten und Ängste zu sprechen, bedeutet Krankheiten und Ängsten Raum zu bieten.
Früher besuchte ich ihn häufiger in Nürnberg: Besichtigung des Reichsparteitagsgeländes und dem Dokumentationszentrum im Schneesturm. Ausflüge ins Nürnberger Umland. Fränkische Grillteller und Brotzeiten. Manchmal war er bei mir in Berlin. Und vor dem Poetenfest Erlangen fand die von ihm initiierte Triennale "Druck & Buch" im Germanischen Nationalmuseum statt. Damals war dort noch Dr. Isphording für den Erwerb der Künstlerbücher zuständig. Sein Nachfolger hat weder die Leidenschaft und Energie, die Sammlung weiter zu führen – was wieder einmal beweist, dass die Qualität einer Sammlung von demjenigen abhängt, der sie betreut.
Natürlich kannte auch Peter Zitzmann einige dieser indifferenten und gesichtslosen Bibliotheks- und Museumsleiter – Menschen machen Sammlungen und nicht der Etat. Seine Sammlung ist mittlerweile so angewachsen, dass sie sich locker mit denen bekannter Museen oder Bibliotheken messen kann. Dabei war er immer offen, unprätentiös, nicht repräsentativ, warmherzig. Im besten Sinne heimatverbunden, ein fränkischer Patriot und anarchistischer Sammler, der sich für seine Erwerbungen begeistern konnte. Einfach auch ein großartiger Mensch.
Vor fast genau einem Jahr war ich bei ihm, um mit ihm über seine Sammler-Leidenschaft zu sprechen. Wir sassen entspannt auf dem Sofa, das Aufnahmegerät zwischen uns – und :unterhielten uns etwa eineinhalb Stunden. Das Ergebnis unseres Gesprächs transkribierte ich vor einigen Wochen, schickte ihm den Text, den er korrigierte. Dann ging das Manuskript zur letzten Überprüfung noch einmal zu ihm und er schickte mir die finale Fassung zurück. Der dritte Band „Die Kunst des Sammelns – Peter Zitzmann“ kann also erscheinen und gegenwärtig zeichne ich zu seinen Aussagen in dem Gespräch und kommentiere sie mit eigenen Worten. „ich hasse weiße Handschuhe“ ist so ein Satz oder auch „Das könnte jetzt zu tagelangen Diskussionen führen, was Originalgrafik ist und was nicht“. Dazu notiere ich: „Siebdruck ist doch irgendwie Scheisse“.
Juni 2016. Ausflug mit Peter in die Ortschaft Lauf. Er will mir dort in einer Burg einen aussergewöhnlichen Wappensaal zeigen, aber der Wappensaal hat geschlossen. Also fahren wir weiter nach Hersbruck, wo wir das Hirtenmuseum mit einer Ausstellung von Reiner Zitta besuchen. Die Werke des Künstlers gefallen mir. An diesem Ort hätte ich das nicht erwartet. Überhaupt hat Peter ein großartiges Gespür für gute Kunst. Während unseres Gesprächs über derzeit bekannte Nürnberger Künstler nennt er den Namen Harri Schemm. Ich recherchiere ein wenig, finde ein Buch mit dem Titel „Radikaler Provenzialismus“ und schaue nach dem Werk. Ja, Harri Schemm ist ziemlich gut.
Nach dem Besuch im Hirtenmuseum schauen wir uns das sogenannte „memorum“ an, also den Gerichtssaal, wo die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse stattfanden. Das Museum ist eine Konserve; ziemlich langweilig. Danach trennen wir uns. Am Abend schauen wir gemeinsam WM-Fußball. Peter sagt nichts, sitzt still da, wirkt irgendwie genervt. Bin ich der Grund? Eher nicht. Ich glaube, es geht ihm gesundheitlich nicht gut. 
Das folgende Jahr ist so wie immer: einmal im Monat telefonieren wir eine Stunde, ab und zu kauft er etwas, zwei- bis dreimal im Jahr sehen wir uns.
Vor vier Wochen telefonieren wir noch einmal, sprechen über den Sammlerband und die bevorstehende "Druck & Buch" auf dem Poetenfest in Erlangen. 
(Hartmut Andryczuk, Der Daten-Messie)

Di, 16.05.2017

Hartmut Andryczuk

Ottfried Zielke – Beerdigung fällt aus

Im Hybriden-Verlag erschien im März eine Hommage an Ottfried Zielke mit Originalzeichnungen von Hartmut Andryczuk und einem Gespräch aus dem Totenreich.

"Ottfried, wie ist es, tot zu sein?
Nicht anders als am Leben zu sein. Vom Tod wird allgemein zu viel erwartet. Es soll alles besser werden. Manche erwarten ja, den ganzen Tag Beethoven zu hören und dabei von Jungfrauen gebadet zu werden. Ich habe hier noch keine Jungfrau getroffen, trinke weiterhin Fassbrause, rauche jetzt aber Zigarren. Allerdings bin ich noch nicht lange genug tot, um zu beurteilen, wie es ist, tot zu sein.
Produzierst du noch Unikat-Malerbücher?
Ja, gelegentlich. Manchmal dauert ein Buch nur zwei Sekunden lang.
Sind das große Bücher?
Ja, 2 x 4 km groß würde ich sagen – mit über 100 Originalzeichnungen.
Sind das Bücher ohne Titel?
Nein, ein Buch mit dem Titel „o.T“ ist ein Werk aus Verlegenheit. Ich habe jetzt eine Biographie Franz von Assisis gemalt. Danach folgen einige Sequenzen zur Kindheit und Jugend von Edward Teller."

Hybriden-Verlag
Buch im Schuber.
Series: Bookart
Edition: 30 copies
550 €

Do, 04.05.2017

A. R. Penck (5.10.1939 - 2.5.2017)

© Hartmut Andryczuk

1 Kommentar:
Matthias Haberzettl hat gesagt: Hier ein schöner Nachruf von Rüdiger Heinze in der Augsburger Allgemeinen:  Der Hoehlenmaler des 20 Jahrhunderts..
10. Mai 2017

Fr, 28.04.2017

Darf man Hitler übermalen?

Wenn es nach Hartmut Andryczuk geht - na klar, man muss es sogar!
Heute Abend in München bei Hubert Kretschmer alles neue von und mit Hybriden Verlag und Hartmut Andryczuk (lks.). Eine vergnügliche Präsentation, viele Anekdoten rund um das Künstlerbuch, wie Ideen entstehen und umgesetzt werden und am Ende schlägt das Sammlerherz wieder richtig hoch. Das Herz des Schäferhundes hat leider aufgehört zu schlagen ...
(Ralph Aepler)

Do, 20.04.2017

Oberton- und andere Orgien

Hubert Kretschmer, Mitglied der Pirckheimer-Gesellschaft präsentiert eine Ausstellung von Künstlereditionen des Berliner Hybriden-Verlags des Pirckheimers Hartmut Andryczuk.
Gezeigt werden Archiv- und Werkausgabe der Sprechstücke von Hartmut Geerken mit 14 Audio-CDs / das Diarium von Mynona aus dem Jahre 1944/1945 mit Justus Irrleiche bei der Ahnenforschung / Fehlberliner U-Wirr – Lautpoesie von Jaap Blonk / An Paenhuysens Underwear Secrets und ein Totengespräch mit Ottfried Zielke.

Besuch nach Absprache über
E-Mail oder 089-123 45 30
Ausstellung: 27. April bis 2. Juni 2017

Archive Artist Publications,
München, Türkenstraße 60 RG UG

Mi, 29.03.2017

in Leipzig neu eingetreten

Zur Leipziger Buchmesse gab es einige neue Mitgliedsanträge, die schon lange fällig waren und die sowohl eine Verjüngung, wie auch eine stärkere Hinwendung zu zeitgenössischer Buchkunst deutlich machen. Bibliophilie ist eben nicht altbacken, in der Pirckheimer-Gesellschaft ist sie auch zeitgemäß und modern.

Hartmut Andryczuk (Hybridenpresse), Rainer Ehrt (Edition Ehrt), Christian Ewald (Katzengraben-Presse) und Henry Günther (Edition Balance) sind seit der Leipziger Buchmesse Pirckheimer. Jeder von ihnen hat bereits in den vergangenen Jahren das Leben der Pirckheimer bereichert, sei es durch seine künstlerische Arbeit, durch seine verlegerische Tätigkeit oder durch Vorträge oder Ausstellungen.
Die Arbeiten von Hartmut Andryczuk wurden gerade erst in den Marginalien 224 durch Till Schroeder ausführlich besprochen und vor allem die Berlin-Brandenburger Pirckheimer hatten schon häufig Gelegenheit zur Bekanntschaft mit seinen Künstlerbüchern und anarchistischen und deutlichen Gedanken.
Christian Ewald, dessen erstes Buch in der Katzengraben-Presse zugleich das letzte war, das in der DDR erschien, ausgeliefert am 2. Oktober 1990 um 23:59. Sein Markenzeichen ist ein eingenähter Faden, zu finden in jeder seiner Publikationen bis hin zu Katalogen oder Neujahrskarten.
Henry Günther - umkehr 1, Holzdruck 2016
Zu Henry Günther wurde hier schon viel gesagt, es lohnt ein Blick in den anlässlich des 25jährigen Bestehens der Edition Balance erschienenen Katalog mit einem umfangreichen Vorwort des Pirckheimers Reinhard Grüner.
Rainer Ehrt - FRANZ KAFKA ER, Aufl. 40 Expl., 2016
Und auch Rainer Ehrt ist den Bücherfreunden keineswegs ein Unbekannter - für viele Pirckheimer ist allein die Tatsache, dass er die Speisekarte und eine Graphik zum Jahrestreffen 2017 gestalten wird, Grund daran teilzunehmen.