Pirckheimer-Blog

Gerd Gruber

Mi, 12.10.2011

Harald Kretzschmar - Demütigung und Todesmut

Vorabdruck von kurzen Auszügen eines Beitrages aus den MARGINALIEN 204 (erscheint Dezember 2011) zur è Ausstellung "Zwischen Bedrängnis und Widerstand"

Margarete Klopfleisch-Großner: „Festessen des Emigranten“, Aquarell, Prag 1936
Was ist der absolute Höhepunkt im Leben eines bibliophilen Sammlers? Wenn er es geschafft hat, eine nach profunden Maßstäben geordnete Kollektion zusammenzubringen und diese in einer Ausstellung zu präsentieren. (...) Dem bereits seit langem unter uns Pirckheimern heimischen Dr. Gerd Gruber aus Lutherstadt Wittenberg gelingt zum Glück beides: Er ist ein dem Kontakt zu Künstlern wie dem Publikum gegenüber aufgeschlossener Mensch, und die zu seiner Heimat gewordene Stadt hat nun schon zum wiederholten Mal Cranachhaus und Altes Rathaus allein dafür geöffnet, was er zu zeigen hat. (...)
Dore Klemenčič-Maj: gedruckt in einer
Partisanendruckerei, Slowenien 1944
Gar nicht hoch genug kann nun bewertet werden, daß hier die einst in den 1960er Jahren begonnene Forschungsarbeit des unvergessenen Dresdner Kunstwissenschaftlers Erhard Frommhold endlich eine Fortsetzung gefunden hat. Beschämend genug ist, wie wenig sich all die Jahre die offiziell hochangesehenen Kunsthistoriker um das Thema des Antifaschismus in der bildenden Kunst geschert haben. Das wahrlich in jeder Hinsicht gewichtige Standardwerk Kunst im Widerstand, das Frommhold als damaliger Cheflektor des Verlages der Kunst Dresden 1968 unter Ausschöpfung aller damals zugänglichen Quellen in diesem Verlag stemmte, genießt eine fragwürdige Berühmtheit. Man spricht kaum über den da gebotenen Fundus an einzigartiger Kunstleistung gegen die faschistische Barbarei. Dagegen mokiert man sich darüber, welcher Anfeindung das gewaltige Buch damals seitens der Kulturpolitik der DDR durch den „Modernismus“-Vorwurf ausgesetzt war. Als ob es heute eine Anerkennung seines Wertes gäbe. Das so gut wie vergessene und verschollene Opus müßte in Bild- und Textteil längst zur Pflichtlektüre für angehende Kunsthistoriker geworden sein. Nach den heute üblichen Zielsetzungen im akademischen Betrieb ist das fast illusorisch.
Es war eine kluge Entscheidung Gerd Grubers, bei seinem langfristig konzipierten Projekt auch all jene Künstlerinnen und Künstler mit einzubeziehen, die Demütigungen aller Art erleiden mußten, ohne mit Todesmut als Widerstandskämpfer dagegen aufzubegehren. Im persönlichen Gespräch erfuhr er zum Beispiel von dem Gefühl, als ein „entarteter Künstler“ diffamiert zu werden. Schon allein, weil nach dem folgenden Malverbot der Geruch der Öl-farbe verräterisch werden konnte. Er versetzt sich in die Lage jedes einzelnen. So erfaßt er das ganze Spektrum einer Kunst, die immer noch beispielgebend dafür sein kann, mit ganz persönlichen Bekenntnissen Stellung zu beziehen gegenüber katastrophalen politischen Entwicklungen. Es ist erstaunlich, wie sensibel so viele künstlerische Temperamente auf die Bedrohung durch barbarische Gewalt reagierten und welch elementare geistige Kraft von den gesammelten Zeugnissen ausgeht. (...)

Heinz Lohmar: Studie zum Gemälde „Das Übertier“, Aquarell, Paris 1936
Die enorme Fülle des zum größten Teil aus zeichnerischen und druckgraphischen Blättern bestehenden Materials wird komplett in dem 400seitigen Quartformat-Katalog dokumentiert. (...) Aus den über 1100 Abbildungen des Kataloges konnten leider nur etwa 150 ausgesuchte Originale an den beiden am Markt gegenüberliegenden Ausstellungsplätzen untergebracht werden. Die Kuratorin Marlies Schmidt hat sie in gut durchdachter Hängung vorteilhaft platziert. Wenn auf der Einladungskarte zur Eröffnung so prominente Namen wie Marc Chagall, Hans und Lea Grundig, Leo Haas, Käthe Kollwitz, Gerhard Marcks, Pablo Picasso und Wilhelm Rudolph auftauchen, ist das nur ein schmaler Ausschnitt. ...

Zwischen Bedrängnis und Widerstand. Grafiken und Gemälde der Jahre 1933 bis 1945 aus der Sammlung Gerd Gruber. Mit über 1200 Abbildungen und 32 Farbtafeln. Katalog. Wittenberg 2011. 400 S. 4°. Br. ISBN 978-3-00-035926-2. Preis 20 Euro plus Versandkosten.

è Cranach-Stiftung
Markt 4
06886 Lutherstadt Wittenberg

Mo, 10.10.2011

Zwischen Bedrängnis und Widerstand

Graphiken und Gemälde aus der Sammlung Gerd Gruber

Vladimir Matejka: Aquarell, geschaffen im KZ Sachsenhausen
Die Ausstellung unseres Mitglieds Dr. Gerd Gruber zeigt Werke internationaler Künstler aus der Zeit zwischen 1933 und 1945, die sich gegen den Nationalsozialismus wandten. Die Künstler bezeugen die Zustände innerhalb des Dritten Reiches – sie zeigen Not und Verfolgung, Haft und Folter. Viele Werke entstanden in faschistischen Zuchthäusern, Konzentrationslagern und Ghettos. Der weit mehr als 1.500 Werke umfassende Fundus von etwa 400 Künstlern aus 28 Ländern dürfte wohl der weltweit bedeutendste Privatbesitz zu dieser Thematik sein. Künstler verweigerten sich den doktrinären Kunstauffassungen, dokumentierten den Widerstand gegen das NS-Regime und bildeten damit auch eine Brücke zur demokratischen Kunst nach 1945. Neben den Kunstwerken umfasst die Sammlung auch Dokumente und schriftliche Äußerungen der Künstler, die erstmals im Katalog zur Ausstellung veröffentlicht werden.
Hanns Kralik: Flugblatt, Frankreich 1944
Der heute 60jährige Sammler begann bereits im Alter von fünfzehn Jahren seine, inzwischen mehr als 9.000 Kunstwerke umfassende Kollektion aufzubauen, die vorwiegend Graphiken und Gemälde aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts umfasst. Zu einigen Künstlern der Klassischen Moderne unterhielt Gerd Gruber enge, z. T. freundschaftliche Beziehungen. Die Wertschätzung seiner Ausstellungs- und Sammlungstätigkeit zeigt sich auch darin, dass Marc Chagall, Eduardo Chillida, HAP Grieshaber, Hans Hartung, Marino Marini, Joan Miró, Georg Muche u. v. a. m. ihm Werke widmeten oder eigens für ihn schufen.
Die Sammlung Gruber wurde wegen ihrer internationalen Bedeutung als einzige Privatsammlung des Landes Sachsen-Anhalt in das „Gesamtverzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ aufgenommen.

Ausstellung: 8. Oktober 2011 bis 4. März 2012

è Cranach-Stiftung
Markt 4
06886 Lutherstadt Wittenberg