Im Rahmen einer Gruppenreise nach Japan hatte ich die Gelegenheit, in Tokyo das Jimbocho-(oder auch Jinbocho-)Viertel zu besuchen, wo entlang der Hauptstraße und in den Seitenstraßen zahlreiche Antiquariate zu finden sind. Wahrscheinlich ist eine derartige Häufung von Antiquariaten (2021 sollen es 176 gewesen sein) einzigartig auf der Welt und wird auch nicht von den diversen Antiquariatsdörfern in Europa übertroffen. Eigentlich wollte mich mein Pirckheimer-Freund Professor Yoichi Kiuchi auf diesem Spaziergang kundig begleiten, aus gesundheitlichen Gründen war das aber leider nicht möglich.
Für einen deutschen Antiquar, der des Japanischen nicht mächtig ist, ist ein solcher Rundgang eine Herausforderung. In einigen Antiquariaten konnte ich kein einziges Buch identifizieren. Die allermeisten Geschäfte sind gut gepflegt, ich sah nur einen einzigen Ramschladen mit chaotischen Papierhaufen. Überhaupt scheinen in Japan viele Bücher mit Broschureinbänden veröffentlicht zu werden. Bei Übersetzungen ist zumindest teilweise der Autor und der Titel auf dem Einband zu lesen, so gesehen etwa bei Klaus Manns Der Wendepunkt.
Einige Antiquariate haben sich spezialisiert, zum Beispiel auf Kunst: Es werden hochpreisige japanische Holzschnitte angeboten, aber auch preiswerte Reproduktionen. Ein Antiquariat bot ausschließlich historische japanische Dokumente an, ein anderes Plakate, Programme, Postkarten und ähnliches zum Thema Film. Ein Antiquariat bot gesondert ausländische Bücher zum Thema Japan. Am längsten aufgehalten habe ich mich im Antiquariat Kitazawa, das im ersten Stock über einer Sortimentsbuchhandlung für Kinderbücher liegt. Hier waren fast ausschließlich Bücher in Fremdsprachen zu finden, beinahe 90 Prozent in Englisch, aber ich fand auch Bücher in Deutsch, Französisch und Spanisch. Eine interessante sprachwissenschaftliche Abteilung gehört auch dazu.
Da die Kolleginnen und Kollegen kein Deutsch und kaum Englisch sprachen, war eine Unterhaltung nicht möglich. Oft habe ich das Werbeblatt für mein Antiquariat abgegeben, das mit vielen Dankesverbeugungen entgegengenommen wurde. Der englische Wikipedia-Artikel informiert kurz über Jimbocho. Es gibt auch einige Webseiten, die sich konkreter mit den Antiquariaten in Jimbocho befassen. Ein Bücherfreund, der nach Tokyo kommt, sollte Jimbocho nicht verpassen.
(Erich Bürck)