Pirckheimer-Blog

Elke Lang

Di, 29.11.2011

20 Jahre Frankfurter Buntbücher und 50. Heft

„Auf einem Berg aus Sand wohne ich. Henryk Bereska und das märkische Kolberg“ von Werner Liersch
Wolfgang de Bruyn, Werner Liersch, Hans-Jürgen Rehfeld und Krzysztof Wojciechowski
Am 25. November stellte der Autor Werner Liersch auf der Burg Beeskow sein Büchlein „Auf einem Berg aus Sand wohne ich. Henryk Bereska und das märkische Kolberg“ vor. Für Wolfgang de Bruyn, den Direktor des Frankfurter Kleist-Museums, und Jürgen Rehfeld, dessen Bibliothekar, war diese Lesung ein Doppeljubiläum: 20 Jahre Frankfurter Buntbücher und deren 50. Ausgabe. Beide sind seit 2010 die Herausgeber.
Henry Bereska (1926-2005) war auf der Burg Beeskow genau am richtigen Platz. Hier schrieb er 2002 als zehnter Burgschreiber für die Märkische Oderzeitung die Kolumne „Beeskower Miniaturen“, und hier entstand unter anderem auch das Buch „Märkische Streifbilder“, aus dem Wolfgang de Bruyn einiges vorlas. Der damalige Kulturamtsleiter hatte den Übersetzer und Lyriker in dieser Zeit als „Genie der Kommunikation“ kennen gelernt. Er schätzt an ihm besonders, dass er „die Welt im ganz Kleinen und Privaten eingefangen hat“.
Auch der Berliner Werner Liersch, der von 1990 bis 1992 Chefredakteur der Zeitschrift Neue Deutsche Literatur war und 1982 beziehungsweise 1993 Heinrich-Mann- und Alfred-Kerr-Preisträger wurde, kannte Henryk Bereska. Seit Mitte der 70er Jahre hat er wie einst Bereska, „in dem Dorf, das nicht gerade ein Ort für Villen“ ist, seinen Sommersitz in unmittelbarer Nachbarschaft. „Bereskas Gedichte sind in der Stille dieses Ortes entstanden, und der Dichter sieht dieser Landschaft Dinge an, die man beim oberflächlichen Sehen nicht erkennt“, hat er festgestellt. Seine besondere Entdeckung sei die Landschaft im Winter und die Einsamkeit darin.
Werner Liersch las weniger vor als dass er humorvoll und lebendig erzählte, zum Beispiel, dass Bereskas Kauf des Kolberger Grundstücks mit einer einfachen Holzhütte drauf nicht beim Notar, sondern bei Bier und Wodka vor sich gegangen war. Vieles hat der Autor aus Bereskas teils veröffentlichten, teils sich unveröffentlicht im Archiv der Ehefrau Gilda Bereska befindenden Tagebüchern entnommen. Diese seien „ein großes Dokument menschlicher Sinnsuche und ein Stück Ostdeutschland in den 1960er, 70er, 80er Jahren“, erklärte Liersch. Obwohl Henry Bereska sich „politisch nicht unbedingt quergestellt“ habe, wurden seine Gedichte in der DDR kaum bekannt, da nicht veröffentlicht. Dafür aber gibt es eine genaue Lageskizze seines Anwesens in Kolberg, die zum MfS-Ermittlungsbericht des Vorgangs „Zersetzer“ gehört.
Ein besonderer Gast der Lesung war Krzysztof Wojciechowski, Direktor des Collegium Polonicum in Slubice, der Henry Bereska als den Übersetzer polnischer Literatur ebenfalls persönlich kannte: „Er war eine widersprüchliche Persönlichkeit, und das Buch ist der Schlüssel zu ihr“, freut er sich. Besonders imponiere ihm, „wie Bereska gelassen umgegangen ist mit der Ignoranz durch die DDR und mit Ehrungen nach der Wende, als er Erfolg hatte.“
Die Frankfurter Buntbücher wurden in Kooperation mit dem Marbacher Schiller-Nationalmuseum zur „zwanglosen Zusammenarbeit zweier Literaturinstitutionen gegründet“, wie Hans-Jürgen Rehfeld erklärte. „Sie suchen nach Lebensspuren oder Spuren des Werkes und führen uns in die Geschichte unserer Landschaft hinein.“
(Elke Lang)

è Burg Beeskow
Archiv, Lese- und Medienzentrum
des Landeskreises Oder-Spree
Frankfurter Straße 23, 15848 Beeskow
*
E-Mail

Mi, 06.07.2011

Fremde im Spiegel

Für einen Monat scheint der von Schinkel entworfene Saal des Schul- und Bethauses in Alt-Langsow in ein mediterranes Flair getaucht zu sein. Alles passt zusammen: die kannelierten weißen Säulen, auf schlanken Stelen die farbigen Terrakottabüsten und -halbfigurenvon Robert Metzkes sowie die in zarten bis leuchtend satten Tönen gehaltenen Aquarelle der Barbara Putbrese.
Die in Berlin-Karlshorst lebende Künstlerin hat sich lange Zeit vor allem mit Stadtmotiven befasst. Hier nun zeigt sie meist 2010 und 2011 entstandene Landschaften in Italien, Griechenland und Südfrankreich, auch ein stimmungsvolles Bild mit farbigen Booten auf Usedom ist dabei. Völlig in Grün oder in erdiges Rot getauchte Natureindrücke sind dabei. Auffallend ist der Reichtum an zarten Violetttönen und ins Blau gehenden Grüntönen. Diese treten auch bei Stillleben mit Blumen und Früchten auf, die nur zu erahnen und trotzdem unverkennbar sind, was ihren besonderen Reiz ausmacht. Auch eine Reihe von Akten ist dabei, sitzende Frauen, verwinkelt, eckig, spannungsvoll, gerade in Bewegung begriffen scheinend.
Die Aquarelltechnik ist schon durch den Effekt, der mit dem Ineinanderlaufen der Wasserfarben entsteht, optisch sehr ansprechend. Um gezielt ihre künstlerische Intention verwirklichen zu können, versucht Barbara Putbresejedoch diesen Effekt, der mehr oder weniger auf Zufall beruht, möglichst auszuschalten. Deshalb versetzt sie die Aquarelle oft mit Temperafarben, die stärker decken und farbintensiver sind. Die Künstlerin arbeitet direkt vor dem Objekt beziehungsweise der Landschaft. „Ich nehme die Fülle der Anregungen durch sie auf, das ganze Angebot an Farben und Formen. Das Spannende ist dann die Abstraktion“, erklärt sie. Ihr geht es nie um fotografische Genauigkeit, sondern um Stimmungen, besondere Blickwinkel und Perspektiven oder auch darum, „wie die Objekte zueinander stehen, wie sie Zwiesprache halten“. Titel, wie „Nebeneinander“ für Blumentöpfe oder „Zweisamkeit“ für zwei Stiefmütterchen, sind dazu Beispiele.
Der ebenfalls in Berlin-Karlshorst ansässige Bildhauer Robert Metzkes hat seinen Terrakottaarbeiten mit Bedacht zwei Bronzen zugesellt, weil durch die Farbe auf dem Ton „das plastische Element zurücktritt“. Er nimmt selten ein Modell in Anspruch, weil es ihm nicht auf wirklichkeitsgetreue Porträts ankommt. „Ich will nicht anatomische Details wiedergeben, sondern ich versuche Ausdruck einzufangen, ein Bild wiederzugeben, das ich im Inneren von dem Menschen habe“, beschreibt er seine selbstgestellte Aufgabe. Die Wirklichkeitswirkung komme so nicht durch die Ähnlichkeit, sondern durch den realisierten Grad von Wahrscheinlichkeit. „Das hängt mit Lebendigkeit zusammen.“ Die Ausstellung steht unter dem Titel „Fremde im Spiegel“. Damit soll die Differenz gekennzeichnet werden zwischen dem, was man optisch wahrnimmt, und dem, was das Wesen einer Landschaft, eines Dings oder eines Menschen ausmacht. Robert MetzkesPlastiken zeigen Menschen, die versonnen sind, edel, eine innere Ruhe und Schönheit ausstrahlen. „Das ist es, wie ich den Menschen zu sehen versuche“, stimmt der Künstler dieser Betrachtung zu.
(Elke Lang)

Ausstellung: bis 17. Juli 2011
Mittwoch bis Sonntag, 13 bis 17 Uhr
oder nach Vereinbarung 

Schul- und Bethaus Alt-Langsow

Gerhard Goßmann (1912-1994)

Reise durch Korea (1) 1958

Aus dem rund 5400 Arbeiten umfassenden Archivbestand des städtischen Museums Fürstenwald von dem Fürstenwalder Graphiker und Illustrator Gerhard Goßmann (1912-1994) sind nun 29 bisher noch nie gezeigte fertige Bilder sowie Skizzen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Sie gehören zu einer von zwei Mappen, die der Künstler von einer Koreareise im Jahr 1958 zusammengestellt hat. Bisher ist in der von Goßmann in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch selbst eingerichteten Goßmann-Galerie des Museums nur etwa ein Viertel des Bestands gezeigt worden. Diese neue Ausstellung findet nun in der von Christa und Werner Menzel betriebenen „Kunstgalerie Fischmühle“ als Ausweichquartier für ihre Galerie im Alten Rathaus statt, das zur Zeit saniert wird. Werner Menzel war auf die zwei Korea-Mappen während seiner Katalogisierungsarbeiten gestoßen, die ihm von der Stadt übertragen worden sind. Der Inhalt der zweiten Mappe wird in der nachfolgenden Ausstellung zu sehen sein.
Werner Menzel vor einer der monochromen Arbeiten des Künstlers
Gerhard Goßmann hat sich auf seiner Korea-Reise in erster Linie von der Landschaft inspirieren lassen. Es ist eine weite Landschaft mit Bergen, Flüssen und Seen, die er aufnimmt. Manche erinnert an liebevolle Hintergrunddetails, wie sie auf den Renaissance-Gemälden der Holländer etwa zu finden sind. Oft ist die Landschaft belebt mit den einfachen Menschen, die zu ihr gehören. Sie wirken bisweilen wie Staffagepersonen, welche besonders auf den Kupferstichen mit Landschaftsmotiven des 17. und 18. Jahrhunderts beliebt waren.
Der Künstler hat sich sichtbar an die konventionelle landestypische Stilistik angelehnt. Dieser kommen auch seine Techniken entgegen. Er hat viel monochrom in Schwarz- oder Grautönen mit Aquarellfarben oder Tusche gearbeitet, manchmal mit beidem auf einem Bild. Bisweilen leuchtet daraus das blaue Band eines Flusses oder ein See auf. Geschickt verstand es der Künstler, die beim Ineinanderlaufen der Farben entstandenen Effekte in landschaftliche Formen umgesetzt. Reine Aquarelle sind in der Minderzahl. Oft sind sie mit Federzeichnung verbunden und mit Pastellkreide gehöht, so dass auch eine kräftige Farbigkeit entstehen kann. Dass Gerhard Goßmann dabei nicht eine fotografische Genauigkeit, sondern ein Stimmungsbild angestrebt hat, ist an der sorgfältigen Komposition der Bilder erkennbar, die vorzugsweise auf Bögen und Diagonalen aufgebaut ist.
(Elke Lang)

Ausstellung: bis 19. August 2011
9 bis 17 Uhr

„Kunstgalerie Fischmühle“ 
Fürstenwalde
Mühlenstraße 10, Ecke Fischerstraße

Mo, 26.07.2010

Verführung zur Kunst - Eine Besprechnung

Plakatausstellung auf der Burg Beeskow zeugt von interessanten Kunstausstellungen in der DDR

è Verführung zur Kunstheißt eine Ausstellung von Plakaten aus der DDR-Zeit in der Burg Beeskow. Ihre Werbewirksamkeit muss tatsächlich groß gewesen sein, wenn man die Reaktionen der Besucher beobachtet, die sich freuen, die Plakate selbst oder einst vielfach auch in Zeitungen und Zeitschriften Abgebildetes darauf wiederzuerkennen. An dem hier Versammelten ist abzulesen, dass sich auch in der ideologisch dominierten DDR immer wieder das künstlerisch Wertvolle durchgesetzt hat. Es sind nicht nur Plakate der großen Museen oder staatlich gelenkten Kunstausstellungen zu sehen, wie zum VI. Bauernkongress 1961 in Rostock, der mit Womackas Mädchen mit Taube warb. Neben dem Alten Museum, dem Museum der bildenden Künste Leipzig, dem Kupferstichkabinett Dresden, der Staatlichen Galerie Moritzburg Halle, der Deutschen Akademie der Künste, dem Lindenau-Museums Altenburg oder der Kunsthalle Weimar zum Beispiel sind auch der Kunstpavillon Heringsdorf mit Otto Niemeyer-Holstein und die Galerie Gallus in Frankfurt/Oder vertreten.

Die beworbenen Ausstellungen reichen von Gedenkausstellungen, zum Beispiel zum 50. Todestag von Max Klinger 1970, zur Caspar-David-Friedrich-Ehrung 1974 oder zu Bernhard Kretzschmars 80. Geburtstag über Ausstellungen der älteren Generation, etwa Eugen Hoffmann und Oskar Nerlinger 1963, Waldemar Grzimek 1960, Jenny Mucci-Wiegmann 1970, Paul Kuhfuß 1963 und Herbert Sandberg 1978, zur damals jüngeren Generation, wie Gerhard Rommel, Werner Stötzer und Erich Wurzer 1973 sowie Wieland Förster 1977. Selbst Avantgardistisches war offensichtlich in der Sammelausstellung „Grafik junger Künstler“ von 1971 zu sehen, die von der Deutschen Akademie der Künste ausgerichtet worden war. Weitere Sammelausstellungen widmeten sich der „Deutschen Landschaft“ (1956), verschiedenen Hochdrucktechniken mit einem Holzriss von Werner Wittig auf dem Plakat (1979) oder dem Holzschnitt mit Wolfgang Mattheuer als Beispiel (1973). Andere Sammelausstellungen waren für Ländern, so Dänemark, Mexiko, Japan, Jugoslawien, Russland beziehungsweise der Sowjetunion, ausgerichtet worden.


Besonders in den 60er/70er Jahren war es stark verbreitet, mit Kunstplakaten die eigenen vier Wände zu schmücken, und die meisten dieser Plakate sind sehr gut gestaltet und gedruckt und bieten auch als Abbildung von Plastik oder als Reproduktion von Malerei oder Graphik einen Gewinn. Nur in wenigen Fällen allerdings ist der Gestalter vermerkt, so Kurt Ströde bei dem Paul-Kuhfuß-Plakat oder Gerhard Oschatz bei dem Caspar-David-Friedrich-Plakat.

Die 60 Plakate aus vier Jahrzehnten gehören zur Sammlung des 67-jährigen Berliners Dieter Leber, der im Zentrum für Kunstausstellungen der DDR gearbeitet hatte. Sie ist seit 1999 im Kreisarchiv Oder-Spree fachgerecht untergebracht. Den Grundstock dieser über 30.000 gesammelten Objekte bildet der ehemalige Plakatbestand des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR, das eine nachgeordnete Einrichtung des Ministeriums für Kultur war und bis zu seiner Abwicklung 1990 nationale und internationale Kunstausstellungen realisierte. Als die Lagerräume in Berlin-Mitte geräumt wurden, rettete Leber den Bestand vor dem Recyclinghof. Neun Jahre später übergab er den Bestand nebst Grafikschränken – und erweitert um seine eigene Plakatsammlung – als Dauerleihgabe an das Kreisarchiv Oder-Spree. Teile der Sammlung waren schon bei einer Ausstellung zur Bodenreform zu sehen, auch Theaterplakate wurden bereits gezeigt.
(Elke Lang)

Ausstellung: 18. Juli 2010 bis 6. Februar 2011
In Zusammwenarbeit mit dem Kreisarchiv Oder-Spree

è Burg Beeskow
Archiv, Lese- und Medienzentrum
des Landeskreises Oder-Spree
Frankfurter Straße 23, 15848 Beeskow
*
E-Mail

Sa, 24.07.2010

Auftragskunst der DDR im Kunstarchiv Beeskow

Sein Gründer Herbert Schirmer über Entstehung und heutige Bedeutung

Vom 9. bis 11. Juli fand auf der Burg Beeskow die erste Sommerschule des Kunstarchivs Beeskow in Zusammenarbeit mit der Leuphana Universität Lüneburg statt. Von dort nahmen 15 Studenten des Studiengangs Angewandte Kulturwissenschaft teil, in den der Lehrgang Kunst- und Bildwissenschaft integriert ist. Zustande gekommen war diese Kooperation mit Lübeck durch Marlene Heidel, die an der Leuphana Universität studiert hat und im Kunstarchiv Beeskow arbeitet. Zu den Studenten gesellten sich einige Hörer aus Beeskow und Umgebung, um durch Filme und Vorträge etwas über „Das Kunstarchiv Beeskow im Spannungsfeld einer globalisierten Kultur“ zu erfahren. Einen wichtigen Beitrag lieferte dabei Herbert Schirmer, Journalist, letzter Kulturminister der DDR und Gründer des Kunstarchivs Beeskow mit seinem Referat „Schlussakkord und Bildersturm. Auftragskunst der DDR in Zeiten des Übergangs“. Darin legte er dar, wie das Archiv entstanden ist, dessen Grundlage der 1949 von der Deutschen Wirtschaftskommission für die sowjetische Besatzungszone gegründete Staatliche Kulturfonds ist. Mit seinem jährlichen Etat von 25 Millionen Mark bestand dessen wichtigste Aufgabe darin, die ideelle und materielle Sicherheit der für den Sozialismus schaffenden Künstler zu gewährleisten. Es wurden Auftragskunst der bildenden Kunst und Kunstankäufe finanziert sowie Absolventenförderung nach dem Hochschulabschluss betrieben, aber auch Ehrenrenten, Ehrengagen, Erstattung von SV-Beiträgen, Kuren und monatliche Beihilfen ermöglicht. Dazu wurde 1951 die Zentrale Staatliche Kommission für Kunstangelegenheiten ins Leben gerufen, die jedoch schon nach dem 17. Juni 1953 wieder aufgelöst wurde, weil durch sie, so zitierte Schirmer den Philosophen Wolfgang Harich, „Duckmäuserei und das Taktieren mit den Mächtigen gefördert wurden“. Schon ab 1952 gab es die Zentrale Staatliche Auftragskommission zwecks künstlerischer Ausgestaltung von Verwaltungsbauten. Ankäufe seien vor allem während der Kunstausstellungen der DDR in Dresden, bei anderen Ausstellungen, aber auch direkt aus dem Atelier getätigt worden, so Herbert Schirmer. „Durch den zuständigen Abteilungsleiter für bildende Kunst im Ministerium für Kultur wurde eine Liste der zu erwerbenden Arbeiten erstellt. Nach Abschluss der Schau wurden die Werke an das Zentrum für Kunstausstellungen der DDR in Berlin zwecks Präsentation in West- und Südwesteuropa gegeben oder Kunstmuseen übereignet oder – sie fanden als Leihgabe den Weg zu verdienstvollen Parteifunktionären.“ Ab Mitte der 1970er Jahre seien, wie Schirmer weiter ausführte, die politisch-erzieherischen Maßnahmen zunehmend künstlerischen Ankaufskriterien gewichen.


Als Kulturminister schließlich hatte Schirmer bereits eine Woche nach seiner Wahl den Generaldirektor des Kulturfonds, aus dem noch vor dem Ende der DDR die Stiftung Kulturfonds für die ostdeutschen Länder wurde, zum Gespräch eingeladen, um mit ihm zu klären, wie diese Kunst aus öffentlichen Gebäuden zurückgeholt und damit bewahrt werden könnte. Auf der ersten Kuratoriumssitzung Ende Mai 1990 wurde unter Herbert Schirmers Vorsitz beschlossen, Bestandslisten anzufertigen und die Objekte in einen Kellerraum des Ministeriums zu bringen. Inzwischen war schon vieles entwendet oder mutwillig zerstört worden. Manches musste „aus den Privatgemächern der Kunst liebenden Herren zurückgeführt“ werden.

Mit der Gründung der Stiftung Kulturfonds für die ostdeutschen Länder ging die Sammlung in deren Besitz über, um damit Ausstellungen auszurichten. Außerdem bot er allen Kunstmuseen der neuen Länder an, kostenfrei Werke aus dem Bestand zu übernehmen. Nur wenige reagierten. Schirmer erinnert sich, dass lediglich Neubrandenburg, Cottbus, Frankfurt / Oder, Rostock und Magdeburg zugegriffen haben. Daraufhin bot er als Direktor der Burg Beeskow an, den „großen Rest“ von 200 Gemälden, 400 grafischen Blättern, einigen Skulpturen und kunsthandwerklichen Objekten zu nehmen.1995 kamen noch 1200 Gemälde, 9000 Blatt Druckgrafik, 1500 Zeichnungen und Aquarelle, 200 Plastiken, 1000 Fotografien sowie 300 Arbeiten des Kunsthandwerks und 4000 künstlerisch gestattete Medaillen dazu, die ab 1991 von der Treuhandanstalt aus dem Besitz von Parteien und Massenorganisationen eingesammelt worden waren. Mit 2,1 Millionen DM aus dem Parteienvermögen der DDR wurden schließlich Aufbewahrungseinrichtungen mit Klimaanlage in einem Speicher und drei befristete Arbeitsplätze geschaffen.

Der Wert der Sammlung des Kunstarchivs Beeskow liege, so Herbert Schirmer, besonders darin, „die Symbiose von Kulturpolitik und Kunstschaffen sowie ihre Entwicklung und wechselseitige Beeinflussung“ abzubilden. Die Liste der Namen zeige, dass sich die Mehrheit der Künstler beteiligt und dabei Auskommen, Anerkennung und Auszeichnung bis zum Ende der DDR gefunden habe.

(Elke Lang)

Herbert Schirmer
è Kunst+Kommunikation
Cottbuser Straße 23
15868 Lieberose
Tel. 033671 - 2216
0177 34 19 450
*
E-Mail

Mi, 07.07.2010

Frank Ruddigkeit

Dass es das Kunstarchiv Beeskow als Dokumentationsstelle zur bildenden Kunst in der DDR gibt, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Durch seine Ausstellungstätigkeit macht es auf Künstler aufmerksam, die im allgemeinen Kunstbetrieb der BRD, in dem die Kunst aus dem Osten Deutschlands sowieso zu kurz kommt, in Vergessenheit zu geraten drohen. Ein Beispiel ist der 70-jährige Leipziger Künstler Frank Ruddigkeit, von dem jetzt eine interessante Ausstellung auf der Burg Beeskow zu sehen ist. Laut Lothar Lang (Malerei und Graphik in der DDR von 1978 und Malerei und Graphik in Ostdeutschland von 2002) gehört Ruddigkeit mit Hartwig Ebersbach, Gudrun Brüne und Sighard Gille etwa im Gegensatz zur sachlichen Linie zur expressiven Linie der Leipziger Malerei, auch Leipziger Schule genannt. Wie jedoch der Laudator Andreas Reimann zur Ausstellungseröffnung feststellen musste, war bei einer „als repräsentativ apostrophierten Ausstellung zu sechzig Jahren Leipziger Schule kein einziges Werk Ruddigkeits zu besichtigen“. Gemeint ist die Schau von über 250 Werken von mehr als 90 Künstlern „60/40/20. Kunst in Leipzig seit 1949“ 2009 im Museum der bildenden Künste Leipzig. Im opulenten Katalog findet der Künstler nur in einer Namensaufzählung Erwähnung.
 

Das Kunstarchiv Beeskow, das mittlerweile über vier Arbeiten von Ruddigkeit verfügt, hat in seinem Katalog „Zwischen schwarz und weiß. Ausstellung Grafik der DDR“ (2000) eine Arbeit Ruddigkeits verzeichnet und in der Ausstellung „Büchsenwurst und roher Fisch“ (2008) ein Blumenstillleben gezeigt, dass durch seine Expressivität die Anregung gegeben hat, eine Einzelausstellung mit dem Künstler zu veranstalten.
Gezeigt werden rund sechzig Gemälde, Graphiken, Handzeichnungen und Plastiken aus den Jahren 1962 bis 2001, die vom Künstler selbst zur Ausstellung vorgeschlagen worden waren. Er betont aber: „Das ist kein Überblick, kein Querschnitt, kein Resümee, sondern vieles ist zufällig hier.“ Manche Arbeit stammt aus seinem eigenen Besitz, das meiste aber von privaten Leihgebern, und es „lag an deren Willigkeit“, was hier zusammengetragen werden konnte. So gewinnt diese Ausstellung noch eine besondere Bedeutung dadurch, dass vieles von diesem Künstler hier erst- und wahrscheinlich auch einmalig zu sehen ist.
Trotzdem sind Entwicklungs- und Experimentierphasen an der Ausstellung erkennbar. Neben den mit expressivem Schwung und der Vorliebe für gedeckte Farben überwiegenden Werken aus den 80er Jahren sind auch frühe Arbeiten, die an Willi Sitte erinnern, zu entdecken, während das Ölgemälde „Nach dem Geburtstag“ von 1996 mit seiner starken Farbigkeit eine neue Tendenz anzudeuten scheint. Besonders bemerkenswert sind unter anderen Exponaten die Gemälde „Family of Men“ von 1988, das Triptychon „Arbeitstag eines Bergmanns“ von 1986/89 sowie vier Tagebücher um 2000 mit Handschrift, Handzeichnungen und Aquarellen.

(Elke Lang)

Austellung: bis 3. Oktober dienstags bis sonntags von 9 bis 19 Uhr
 
è Burg Beeskow
Bildungs-, Kultur- und Musikzentrum
des Landeskreises Oder-Spree
Frankfurter Straße 23, 15848 Beeskow
*
E-Mail

Di, 15.06.2010

Lesung mit Elmar Faber

Trotz des heißen Wetters, der Fußball-WM, der Strandparty, und was sonst noch alles in und um Storkow los war, hatten sich doch immerhin zwanzig Literaturinteressierte am Freitag beim Burg-Salon des Burg-Kultur-Vereins eingefunden. Aus Leipzig war der Verleger Elmar Faber gekommen, um aus seinem Buch „Nürnberger Pakete“ zu lesen. Der Berliner Jürgen Gottschalk mit seinem Akkordeon bot dazu stimmungsvollen Irish Folk, Kleszmer und eine Musette.

„Ich bin kein Schriftsteller, ich bin Verleger“, stellte er gleich am Anfang klar. Entstanden waren die zehn Erzählungen aus der Erlebniswelt seiner Kindheit in Thüringen bei einem Kuraufenthalt. „Es gibt Leute, die man nie wieder vergessen kann, und außerdem wollte ich versuchen, dieser Landschaft ein Denkmal zu setzen“, war sein Schreibantrieb. Zu den unvergesslichen Leuten gehörten der Latein liebende, feingeistige Gymnasiallehrer Dr. Aegidius und dessen Widersacher, der proletarisch geprägte, etwas grobschlächtige Neulehrer Fliederbusch, der Mobbing betreibt, das aus den sozialen Umständen heraus zwar nicht entschuldbar, aber erklärbar ist. „An beiden Figuren hat mich interessiert, wie sie mit dem damaligen gesellschaftlichen Umbruch fertig geworden sind. Es war eine vergleichbare Zeit zu heute“, so Faber.


In diesem kleinen Kreis entwickelte sich auch, einem Salon-Charakter entsprechend, ein Gespräch, das zu Betrachtungen über die Sprache führte, bei der sich der Germanist Faber an der schriftstellerischen Tradition des 19. Jahrhunderts orientiert. Allgemein bedauert wurde, dass mit dem statistisch ermittelten Verfall des Reichtums an Wortschatz in der Sprache der Jugend auch Fantasie und Utopien verloren gehen. In der Politik sei das ebenso. „Klischees wie ‚alternativlos‘ oder ‚historisch‘ können für alles mögliche verwendet werden, so wie ‚cool‘ und ‚geil‘ in der Jugendsprache“, führte Elmar Faber als Beispiele an. Wer gekommen war, hatte es nicht bereut, und auch nach dem offiziellen Teil nutzten viele die Gelegenheit, dem Experten spezielle Fragen zum medialen Literaturbetrieb zu stellen.
 
(Elke Lang)

So, 16.05.2010

Nürnberger Pakete

Der Autor und Altverleger Elmar Faber wird auf Burg Storkow aus seinem 2009 im Verlag „Das Neue Berlin“ erschienenen Buch „Nürnberger Pakete“ lesen.
Elmar Faber begibt sich in seinem Werk zurück in die wildromantischen Landschaften Thüringens, wo er dem Leser eigensinnige Menschen und ihre sonderbaren Lebensgeschichten vorstellt. Zum Beispiel Charlott, die vierzig Jahre lang besessen die monatlich eintreffenden Westpakete ihres entlaufenen Ehemannes zu einem Warenlager aufstapelt. Oder Otto Graf, dessen Schlosserwerkstatt vor allem für die weibliche Kundschaft ein Umschlagplatz für neue Hoffnung ist. Angesiedelt in der (ost)-deutschen Wirklichkeit des 20. Jahrhunderts erzählen die Geschichten von kuriosen Schicksalen, in denen der Banalität des Alltags ein Schnippchen geschlagen wird – und in denen zugleich die Frage nach dem Wert des menschlichen Lebens überhaupt gestellt wird.
Der Autor. Mitglied der Pirckheimer-Gesllschaft, wurde 1934 in Deesbach/Thüringen geboren. Nach dem Germanistikstudium betreute er die Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Leipzig und war in verschiedenen Verlagen als Lektor tätig, bevor er 1983 Verlagsleiter beim Aufbau Verlag wurde. Anfang der Neunziger gründete er den Verlag Faber & Faber. Unter anderem ist er Vorsitzender des Verlegerausschusses des Leipziger Börsenvereins, Mitglied des Redaktionskollegiums der è
MARGINALIEN und Verfasser zahlreicher Aufsätze über Buchkunst, Buch- und Verlagsgeschichte.

Freitag, 11. Juni 2010, 19.00 Uhr

Storkow (Mark), Schloßstraße 6, kleiner Burgsaal Burg-Salon

Eintritt:
Vorverkauf: 6,00 Euro, Abendkasse: 8,00 Euro
Informationen und Tickets:
Tourist-Information
Schloßstraße 6
Tel.: 033678 73108
E-Mail

Veranstalter:
Burg-Kultur e.V.
Tel.: 033678 73228
E-Mail

1 Kommentar:
Wenn am 11. Juni Elmar Faber aus Leipzig nach Storkow kommt, um aus seinem 2009 erschienenen Buch „Nürnberger Pakete“ zu lesen, hat der Burg-Salon des Burg-Kultur-Vereins wieder einmal einen Prominenten zu Gast: einen der erfolgreichsten und bekanntesten Verleger, dem sogar Wikipedia eine Seite widmet. Dort ist zu lesen, dass er 2007 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse erhalten hat. Nur mit einem Link allerdings wird auf die schriftstellerische Leistung des 76-jährigen verwiesen, die sich bis jetzt fast ausschließlich um das Buch herum bewegte.
Mit den Erzählungen in „Nürnberger Pakete“ aber geht der in Deesbach/Thüringen geborene Autor thematisch zurück in die Erlebniswelt seine Kindheit, die nicht nur durch die Nachkriegszeit geprägt war, sondern in der allzeit die Geschichten der davorliegenden Generationen präsent waren.
Deesbach ist heute ein idyllischer Erholungsort mit rund 440 Einwohnern, gelegen zwischen Saalfeld und Neuhaus am Rennweg. Von seiner wirtschaftlichen Vergangenheit, in der neben Landwirtschaft Glasbläserei, Porzellanmalerei, Vogelstellerei und Olitätenhandel eine besondere Rolle spielten, ist der berühmte Kräuterlikör KUEMMERLING übriggeblieben. Stolz wirbt der Ort mit dem Slogan „Deesbach im Thüringer Kräutergarten“.

Von den zehn auf 189 Seiten vereinten Erzählungen sollte man allerdings keine Autobiographie erwarten. Nur zweimal wendet Faber die literarische Ich-Form an. Was aber von ihm selbst deutlich wird, ist seine Liebe zur Natur und seine Sympathie zu den einfachen, tüchtigen Menschen, die bis zur Selbstaufgabe ihre Würde bewahren gegen Lüge, Betrug, Zwang, Verleumdung, Ungerechtigkeit.

Das Buch hält den Leser von der ersten bis zur letzen Zeile in seinem Bann durch seine detaillierten Naturbilder und seine Beschreibungen von Menschen und deren Leben in oder außerhalb der Dorfgemeinschaft. Da ist Else Meisel, krumm gebeugt, einst eine mädchenhafte Schönheit, die zur einsiedlerischen Selbstversorgerin geworden war aus Protest gegen ihren Vater, einen sozialen Aufsteiger, „der sich frech durch die Hitlerzeit mogelte“. Die verlassene Charlotte wiederum gibt sich der Illusion hin, die per Dauerauftrag regelmäßig bei ihr eintreffenden Pakete aus Nürnberg kämen von ihrem geschiedenen Mann. Und der feingeistige Lateiner Dr. August Aegidius des Fröbel-Gymnasiums wird von einem proletarischen Neulehrer gemobbt und flieht in den Westen.

Der Skrupellosigkeit der Erfolgreichen und Wohlhabenden stehen die Armen und Schwachen wehrlos gegenüber. Soziale Zustände werden an Charakteren festgemacht. Das politische Umfeld, wie Naziherrschaft, Krieg und Nachkriegszeit in der sowjetischen Besatzungszone, tritt nur ganz am Rande in Erscheinung. Nach der „Wende“ spielt lediglich eine Erzählung. Das Hauptspannungsfeld ergibt sich aus dem Gegensatz von ländlicher Naturschönheit und tragischen Schicksalen, welche tief berühren..

(Elke Lang)

Sa, 06.02.2010

Neujahrskarten

Es sind liebevolle Freundschaftsbeweise von Künstlern an ihre Kollegen und die Verehrer ihrer Kunst: die selbstgestalteten Künstlerpostkarten, die nur selten wirklich das klassische Postkartenformat aufweisen und zu allen bemerkenswerten Gelegenheiten verschickt werden. Eine besondere Stellung nehmen dabei die Neujahrskarten ein. Es sind Zwitterwesen, da sie zwar persönlich gemeint sind, sich jedoch meist nicht individuell an einen Adressaten richten. Zumindest, was die Exemplare in Drucktechnik anbelangt, aber auch durchaus bei handzeichnerisch und -schriftlich ausgeführten Motiven, werden die gleichen Grüße weit gestreut.
Die Kulturfabrik Fürstenwalde hat zur Zeit rund 70 Neujahrsgrüße ausgestellt, welche der 71-jährige Töpfer, Holzbildhauer und Graphiker Friedrich Stachat seit etwa 1970 erhalten hat. Es handelt sich dabei um Fotos, Lithographien, Holzschnitte, Radierungen, Aquarelle, Federzeichnungen, Collagen, Mischtechniken mit Keramikelementen und Faltobjekte aus Papier, angefangen von Miniaturen im Blattformat von zehn mal acht Zentimetern bis zu einem Kalender von 40 mal 60 Zentimetern. Die Absender tragen zumeist bekannte Namen: Gertrud Zucker ist dabei, Dieter Goltzsche, Friedrich B. Henkel, Dora und Hubert Kleemann, Horst Zickelbein, Erika Stürmer-Alex, Roger Loewig, Gerhard Goßmann, Lothar Sell, Jürgen Gerhard und Willi Sitte. Drei Arbeiten stammen von Friedrich Stachat selbst.

Meist handelt es sich um Mutsprüche, die kritisch auf die gerade aktuelle kulturelle und politische Situation zielen. Sie tragen ironische oder spöttische, manchmal auch philosophische Züge, etwa, wenn Roger Loewig mit einer Federlithographie 1966/67 fragt: „Die Zeit schreitet voran und du, Mensch?“. Peter Sottmeier zum Beispiel nahm 2003 Pisa aufs Korn, und Gerhard Trost forderte 2007 angesichts der Verschleuderung von Bundesvermögen: „Bundestag privatisieren“. Auch der Terrorismus und die Euroeinführung spielen eine Rolle. Oft ist die Aussage schlagartig klar, manchmal aber auch hintergründig verrätselt. Jedoch nicht nur gewichtige politische Inhalte sind dargestellt. Vielen geht es einfach nur um den Spaß.
Die Ausstellung heißt „Kunst und Kitsch“. So sind den Künstlerarbeiten 32 „echte“ Neujahrspostkarten von 1901 bis 1912 aus dem Bestand des Museums Fürstenwalde gegenübergestellt. An ihnen seine Freude zu haben, braucht sich kein geschmackvoller Mensch zu schämen. Sie sind als Zeitzeugnisse in ihrem biedermeierlichen Charakter schon wieder schön und auf alle Fälle amüsant.
(Elke Lang)

Kunst und Kitsch
noch bis 7. März 2010

è Museum Fürstenwalde
Domplatz 7
Dienstag bis Sonntag, 13 bis 18 Uhr
Tel. 03361 2130

Di, 15.12.2009

Grit Anton

Buchkunst und Illustration

Wer sich mit zeitgenössischer Buchkunst beschäftigt, kommt nicht an der Müllroserin è Grit Anton vorbei, die sich zwischen Frankfurt/Oder, Torino und Paris an zahlreichen Ausstellungen beteiligt hat und deren Werke bereits in renommierte Häuser wie das Germanische Nationalmuseum Nürnberg, die Deutsche Bücherei Leipzig oder die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel aufgenommen worden sind. Nun ist eine kleine, aber exquisite Ausstellung aus ihrer 1990 gegründeten Rabenpresse im KUNSTraum Bad Saarow zu sehen. Darunter sind ihre zwei 1990 beziehungsweise 1992 als „Schönste Bücher“ ausgezeichneten Werke ausgestellt: Peter Rühmkorfs „Ein Blumenmärchen“ mit zehn Farbholzschnitten in einer Auflage von 50 Exemplaren und Ernst Jandls „gedichte“ mit ebenfalls zehn Farbholzschnitten in einer Auflage von 40 Exemplaren.
Diese Bücher sind vollständig in Handarbeit durch die Künstlerin selbst hergestellt worden, die von 1990 bis 1992 Meisterschülerin bei Karl-Georg Hirsch und Gert Wunderlich an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig war. Insgesamt sind neun Bücher in der Ausstellung enthalten. Während Grit Anton sich bevorzugt mit tiefgründiger, metaphorischer Prosa und Lyrik von Gerhard Rühm, Peter Rühmkorf, Ernst Jandl, H. C. Artmann und Ror Wolf auseinandersetzt und große Formate sowie durch die Holzschnitttechnik nahegelegte großflächige Darstellungen anstrebt, in welche die Ästhetik der Holzmaserung einbezogen ist, hat sie 1990 in einem Minibuch nach eigenem Text auch bewiesen, dass sie wie ihr Meister Hirsch auch filigran in der Technik des Holzstichs arbeiten kann: Grit Anton, „Der Wasserfloh – eine Tragödie“, 15 Exemplaren mit Pergamenteinband im Schuber.
Außer den Büchern, in denen sich alle Ausstattungsdetails zu einem Gesamtkunstwerk formen, sind auch zahlreiche Einzelblätter und mit Ernst Jandls „Menschenfleiß“ eine Farbholzschnittkassette zu sehen. Wer bei Grit Anton nach den Wurzeln ihrer grafischen Kunst sucht, kommt etwa zu HAP Grieshaber oder auch Horst Antes. Ihre Menschen- und Tierdarstellungen sind wie bei diesen archaisch, formelhaft, reduziert auf allgemeine Merkmale, entindividualisiert, manchmal auch dekorativ, so die drei Engel nach einem Vers von Gerhard Rühm, „Engel wandeln unverwundet nicht auf Erden“, die den Blickfang der Ausstellung bilden. Bezeichnend für Grit Antons Menschenauffassung ist 2006 die Ausdeutung eines 1985 entstandenen Verses von Gerhard Rühm, „Wind und Wolken“, in dem Menschen als Teil der Natur Steine, Wasser und Luft sind, also im Sinne der metaphysischen Naturlehre begriffen werden.
Grit Anton auf Grieshaber, Antes oder wen auch immer festlegen zu wollen, schlägt fehl. Dazu ist ihr Ausdrucks- und Formenrepertoire zu vielfältig. Jede Arbeit bietet eine Überraschung, auch von der ganz individuellen Farbigkeit her, die oft durch zahlreiche Überdrucke mit lasierenden Farben entsteht.
(Elke Lang)

21. November 2009 bis 17. Januar 2010

è
KUNSTraum Bad Saarow
Bahnhofsplatz 4a
Tel. 033679-39948

Fr, 23.01.2009

Gerhard Altenbourg - Graphik

Ausstellung mit Unterstützung der Galerie am Sachsenplatz Leipzig

Abbildung: "Zwischen Wahn und Rausch", 1980
Farbholzschnitt, Komposition aus 7 Drucken auf Bütten
21,5 x 41,0 cm, Exemplar 1/1


1. Februar bis 17. Mai 2009
Dienstag bis Sonntag 11 bis 17 Uhr
ab April Dienstag bis Sommtag 10 bis 20 Uhr

èBurg Beeskow
des Landeskreises Oder-Spree
Frankfurter Straße 23, 15848 Beeskow

Altenbourg-Ausstellung auf der Burg Beeskow. Auf den populären Dresdner Kunstausstellungen der DDR war Gerhard Altenbourg (1926-1989), mit bürgerlichem Namen Gerhard Ströch, nicht vertreten. Die Verweigerung kam von beiden Seiten, und so ging der überwiegende Teil des äußerst produktiven Künstlers von 1951 bis 1961 zur Westberliner Galerie Springer und danach zur Galerie Brusberg (erst Hannover, jetzt Berlin). Im Osten Deutschlands blieb der Künstler bis heute weitgehend Insidern vorbehalten. Um so verdienstvoller ist es, daß sich die Burg Beeskow von Februar bis 17. Mai eine Sammlung von Druckgraphik Altenbourgs aus der Galerie am Sachsenplatz Leipzig ins Haus geholt hat. Das dem Umfang nach bescheidene Konvolut von über 60 Arbeiten aus rund 1400 im Umlauf befindlichen Graphiken kann zwar nicht repräsentativ sein, aber es bietet mit charakteristischen Werken ein interessantes und eindrückliches Bild vom kreativen Gestaltungswillen und der sublimen Ästhetik dieses Künstlers. In der Ausstellung befinden sich einige Spitzenstücke seines Œuvres, dessen Werkverzeichnis, erarbeitet von Annegret Janda, seit 2004 in drei Bänden durch das Lindenau-Museum Altenburg publiziert wird. Zu den Hauptblättern gehören die großformatigen Farbholzschnitte Ariadne (1973) sowie Das sind die Wege wurzelentlang (1974). Für Kenner besonders beachtenswert sind die Holzschnitt-Unikate Aus dem Wurzelgrund (1979) und Aus dem Quellengrund (1980).
Die Ausstellung in vier Räumen ist chronologisch, beginnend beim Frühwerk, und didaktisch aufgebaut und verzeichnet die Œuvrenummern. Zustandsdrucke und farbliche Varianten gewähren Einblicke in Arbeitsprozesse. Besonders aufschlußreich ist die Zuordnung der 1986 entstandenen Plastik Vater – Sohn – eine vergrößerte Eichenholzfassung einer Plastik von 1957 – zu der gleichnamigen Zeichnung von 1950. Inhaltlich sind die Exponate überwiegend der Auseinandersetzung mit der thüringischen Landschaft zuzuordnen sowie einer mit feinem Humor ironisierenden Weltbetrachtung. Diese äußert sich besonders in den achtziger Jahren in solchen skurrilen Bildtiteln wie Singen sollen wir zusammen einen Choral Süßkleine (Lithographie, 1985) oder zu den Radierungen Schlendrian, spaßphallosophisch (1988) und Kitzel-Glatzen mit Kainmal der Doppelflöhung (1984). Während auf zahlreichen Holzschnitten großflächige Figuren mit feiner Binnenzeichnung dominieren und die Zufälligkeiten der Maserungen in die Gestaltung einbezogen wurden, sind die Lithographien und die wenigen ausgestellten, überaus zarten Radierungen mit leichtem, wie gehauchtem Strich ausgearbeitet. Eine große Gruppe von Lithographien zeigt, wie der Künstler beeindruckend mit der Breitseite der Kreide experimentierte.

Elke Lang
(Vorabdruck aus MARGINALIEN 194, 2/2009)