... der Marginalien im Feuilleton des Mironde Verlages (Inh.Birgit und Dr. Andreas Eichler und des Freundeskreis Gerd Hofmann:
Die Pirckheimer-Gesellschaft e.V. gibt die Zeitschrift »Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie« heraus. Eben erschien Heft 4/218 (Heft 231).
Im Vorab-Wort benennt Till Schröder Anzeichen für den wachsenden Bedeutungsverlust von Büchern, zieht sich aber auf eine Art von Selbsttröstung zurück: »Alte Medien werden von den neuen nie vollständig verdrängt … Die Marginalien suchen daher lieber in den Nischen von Gegenwart und Vergangenheit nach Best Practic, wie es die Managementkurse so gerne predigen.« (S. 3)
Es folgen 13 Artikel, ein Debattenbeitrag, drei Rezensionen und Nachrichten aus der Pirckheimer Gesellschaft.
Besonders beeindruckte uns der Beitrag des promovierten Historikers Christoph Links über das Schicksal von Kinderbuchverlagen in der DDR (S. 27ff). In vorbildlich nüchterner Weise schildert Links die oft dramatischen Geschichten ausgewählter Verlage. Der Jurist und Buchhändler Paul Zahl erhielt am 12. Dezember 1946 die Lizenz der Besatzungsmacht zur Gründung des Peter-Paul-Verlages in der Feldberger Bahnhofstraße 1a. Die Bücher des Verlages waren in der geistigen Nachkriegssituation begehrt. Dem Amt für Literatur und Verlagswesen, schwebte dem Anschein nach aber eine Verstaatlichung der Verlage vor. Man verweigerte dem Peter-Paul-Verlag 1951 die Neulizenzierung. Paul Zahl fühlte sich bedroht und verließ mit seiner Familie 1953 die DDR. Doch er konnte in der Bundesrepublik nie wieder Fuß fassen. In der DDR ging der zurückgelassene Verlag 1955 in die Liquidation.
Der Verlagsbuchhändler und das KPD-Mitglied Alfred Holz erhielt am 28. August 1946, dem Geburtstag Goethes, innerhalb einer Verlagsgemeinschaft eine Lizenz der SMAD. Die Geschäftstätigkeit des Verlages wurde immer wieder durch fehlende Papierzuteilungen behindert. So konnten keine effizienten Auflagengrößen erreicht werden. Daraus ergaben sich finanzielle Engpässe, die durch zusätzliche Kreditaufnahmen und Rechnungsstundungen der Druckerei abgfangen werden mussten. Die Hauptverwaltung Verlagswesen bot Alfred Holz eine staatliche Beteiligung an, doch dieser wollte seinen Verlag vollständig in Staatseigentum überführen. Nach einer schweren Erkrankung stimmte Holz 1961 der Überführung seines Verlages als Imprint in den SED-eigenen Kinderbuchverlag zu.
Der Verlag Ernst Wunderlich wurde 1876 in Leipzig gegründet. Der Enkel des Verlagsgründers Hans Wunderlich, erhielt 1947 eine Verlagslizenz in Leipzig. 1948 ging Hans Wunderlich aber nach Worms und gründerte dort eine Verlagsbuchhandlung. 1955 erfolgte die Trennung der beiden Firmenteile. 1957 wurde der Leipziger Wunderlich-Verlag in Prisma-Verlag umbenannt. Der Kinder- und Jugendbuchbereich wurde aufgegeben. Kulturgeschichte prägte das Verlagsprofil. 1984 verkauften die Inhaber den Verlag an den LDPD-Buchverlag »Der Morgen«. Dort wurde der Prisma-Verlag bis 1991 als Imprint weitergeführt.
1933 gründeten Karlfriedrich Knabe und seine Ehefrau Helene Knabe die Weimarer Druck- und Verlagsanstalt mit Druckerei, Buchbinderei, Buchhandlung und Antiquariat. Im Jahre 1947 erhielten der Verlag eine Lizenz der Besatzungsmacht. 1948 wandelten Karlfriedrich Knabe und sein Sohn Gerhard das Unternehmen in eine OHG um und änderte den Namen in »Gebr. Knabe Verlag«. Von da an wurden vor allem Kinderbücher verlegt. Bei der Neulizenzierung wurde die Lizenz ausschließlich auf Gerhard Knabe vergeben, jedoch einer Erweiterung des Verlagsspektrums (Jugendliteratur, Romane, Erzählungen, historische Biographien) zugestimmt. 1972 wurde die Druckerei verstaatlicht. 1983 lief die Verlags-Lizenz aus. Der Verlag wurde 1984 abgewickelt. Mit dem 1. Januar 1985 ging das Verlagsvermögen an den Postreiter-Verlag in Halle über. In der Folge der Wiedervereinigung ging 2002 der Postreiter-Verlag in den Besitz des Beltz-Verlage in Weinheim über. Im Jahre 2006 gründete der Urenkel des Verlagsgründers Steffen Knabe den Verlag unter dem Namen »Gebr. Knabe« in Weimar neu.
1903 gründete Rudolf Arnold seinen Verlag in Leipzig. 1948 erhielt sein Erbe Viktor Emanuel Johannes Arnold eine Lizenz der SMAD als Jugendbuchverlag. Mit der Neulizenzierzung 1951 musste sich der Verlag auf Kindernbücher spezialisieren. Zunächst erschienen vier bis fünf Titel im Jahr, Anfang der 1960er Jahre10–15 und in den 1970er Jahren 20–25 Titel. Nach dem altersbedingten Ausscheiden des Lizenzinhabers wurde der Verlag ab 1. Januar 1989 als eine Art Imprint dem SED-eigenen Urania Verlag Leipzig angegliedert. Beim Verkauf der Urania-Gruppe durch die Treuhand-Anstalt hatte die Dornier-Gruppe kein Interess am Arnold Verlag. Dieser stellte Ende 1990 seine Produktion ein. 1994 wurde er aus dem Handelsregister gelöscht. Das Archiv des Arnold Verlages gelangte mit dem Urania-Bestand zur Dornier-Gruppe.
Vielleicht erscheint dem einen oder anderen Leser diese Beschreibung der Verlagsschicksale zu aufwändig? Aber Christoph Links macht sich die Mühe, um auf die Besonderheit jedes einzelnen Verlagsschicksales aufmerksam zu machen. Jeder Verlag hatte eine etwas andere Geschichte. Gerade um die Besonderheiten geht es in der historischen Forschung, nicht um Durchschnittsvergleiche.
Ein Porträt der Buchillustratorin Gertrud Zucker aus der Feder von Elke Lang (S. 38ff) liest sich sehr interessant. Die junge Frau nahm 1954 ein Studium an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee auf. Besonders beeindruckt war sie von Professor Werner Klemke, der ihr eine völlig neue Sehweise vermittelte: »Wir sollten nicht nur die bildliche Darstellung im Auge haben, sondern mit der Grafik die Typografie und die Seitengestaltung mitdenken.« Ausführlich wird in Abbildungen und Erläuterungen das Lebenswerk von Getrud Zucker vorgestellt.
Klaus Walther, ein promovierter Germanist, Autor, Journalist, Lektor, Herausgeber, Verleger und Buchhändler, plaudert im hinteren Teil des Heftes (S. 103ff) über seine 62jährige Suche nach einem Holzschnitt des Straßburger Münsters. Eigentlich gab es vier Auflagen zu je 1000 Exemplaren, die im Leipziger Insel-Verlag erschienen. Doch der Schnitt war sehr begehrt und selten zu erstehen. 1933 hatte Rudolf Koch die Zeichnung gefertigt, Fritz Kredel und Lisa Hampe schnitten diese in Holz. Die vierte Auflage des Holzschnittes erschien 1954 in Leipzig.
Der Student Klaus Walther sah ein letztes Exemplar im Leipziger Antiquariat Engewald, schreckte aber zunächst vor dem Preis zurück. Als er sich besonnen hatte, war es bereits zu spät. Der Schriftsteller und Lektor Eberhard Panitz hatte es erworben und wollte es nicht abgeben. (Dem Anschein nach war der Schnitt für Panitz so wichtig, dass er ihn sogar in der, nach seinem Buch verfilmten Geschichte »Die sieben Affären der Dona Juanita« in einer Rolle »mitspielten« ließ.)
Wir wissen, dass es Klaus Walther versteht Geschichten zu erzählen. Diese Geschichte hat etwas Sinnbildliches: der Autor nimmt uns mit auf sein nahezu lebenslanges Suchen.
(Johannes Eichenthal)