Weibs-Bilder

Vortrag

Die Bezeichnung Weibs-Bilder, keineswegs despektierlich gemeint, verweist auf die Schwierigkeit, sich eine bildhafte Vorstellung von Shakespeares Frauengestalten im Nachhinein zu machen, da doch die überlieferten Texte Shakespeares so gut wie keine Anhaltspunkte dafür liefern. Es existieren kaum verwertbare Hinweise auf das Äußere der Edeldamen. Andererseits bestand für die Illustratoren in den Galeriewerken des 19. Jahrhunderts die Herausforderung, Vorstellungen von den Frauengestalten zu entwickeln. Wie ließen sich eine Ophelia, eine Miranda, eine Lady Macbeth oder eine Kleopatra ins Bild setzen? Gesicht und Gestalt sollen das eigentlich Unsichtbare zum Ausdruck bringen. Eine Ophelia blond und engelhaft, eine Kleopatra wollüstig, eine Lady Macbeth dunkelhaarig und streng dreinblickend. Ein im Buchhandel noch erschwingliches Anschauungsexemplar zu Galeriewerken des 19. Jahrhunderts erschien beispielsweise als insel taschenbuch 331, herausgegeben von Volkmar Hansen, Frankfurt am Main 1978 – Heinrich Heine: Shakespeares Mädchen und Frauen mit Illustrationen der Ausgabe von 1838. Ein kundiger Berliner Pirckheimer hatte die Erstausgabe des Heine’schen Werks aus seiner Sammlung mitgebracht und stellte sie den versammelten Bücherfreunden vor: Die 45 Stahlstiche – geschaffen nach Gemälden britischer Porträtmaler – wurden zuerst von dem Londoner Stecher und Verleger Charles Heath veröffentlicht. Der Pariser Verleger Henri-Louis Delloye erwarb die Lizenz für die französische und auch für eine deutsche Ausgabe. Als Textautor gewann er für die deutsche Ausgabe Heinrich Heine. Als Kontrast zu dieser frei imaginierten Shakespeare-Galerie präsentierte der Referent eine Illustration des kriminellen Uriah Heep aus Charles Dickens’ Roman David Copperfield (1848), die zeigt, wie dessen äußere Deformiertheit als Spiegel seiner Seele gezeichnet ist. Dem Illustrator stand eine ausführliche und exakte Beschreibung im Text zur Verfügung, was ihm die bildkünstlerische Nachformung der literarischen Vorlage erleichterte. Als Fazit dieses gelungenen Abends kann festgehalten werden: Es lohnt sich, den Illustrationen von literarischen Protagonisten weiterhin die gebotene Aufmerksamkeit zu schenken, denn Hingucker sind wir doch gern allemal.

Auszug aus dem Beitrag von Rüdiger Schütz in den Marginalien H. 226

Zentral- und Landesbibliothek Berlin
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Deutschland

Mit
Dr. Joachim Möller

Weibs-Bilder - Illustrationen zu Shakespeares Frauengestalten in Galeriewerken des 19. Jahrhunderts

Zuständige Regionalgruppe
Berlin-Brandenburg