Schwankende Kanarien ist der vierte Band der Wortmeldungen-Reihe im Verbrecher Verlag in Berlin. Das Editionshaus ist bekannt für seine salomonisch gestaltet zu nennenden Bücher: Denn einerseits stehen die meisten Verbrecher-Veröffentlichungen im Bann eines betörend schlichten Coverdesigns, das aber, und das ist ja nicht mehr allzu häufig, etwa in der Tradition der Bibliothek Suhrkamp oder des Diogenes-Verlags von einer bestechenden Schönheit ist. In dieser Reihe nun, die in Reinweiß mit den typischen Schriftzügen in Signalrot daherkommt, scheint das Konzept auf die ästhetische Spitze getrieben. Aber das ist auch ganz passend so: Ist doch die schmale Folge jeweils den Preisträgerinnen und Preisträgern des Wortmeldungen-Literaturpreises der Ulrike-Crespo-Stiftung gewidmet, die jährlich damit einen bedeutenden Essay auszeichnet. Die Ehrung erhält für 2023 Judith Schalansky, die nicht nur als Autorin, sondern auch als Buchgestalterin von hohen Gnaden (so gestaltete sie alle ihre bisherigen Bücher selbst, ihr Atlas der abgelegenen Inseln wie auch der Roman Der Hals der Giraffe wurden einst von der Stiftung Buchkunst als Schönste Bücher geehrt) großen Erfolg hat und bei Matthes & Seitz für die Editionsreihen Naturkunden und Wildes Leben verantwortlich zeichnet. Im geehrten Text selbst Judith Schalansky am Beispiel der Kanarienvögel, die als Warntiere mit in die Bergwerke einfuhren, der Bedeutung und Zukunft von Frühwarnsystemen für den Menschen von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart nach. Geleit des Texts ist ein Vorwort von Sandra Poppe und Christiane Riedel, ihm folgt die Laudatio von Philipp Theisohn. Das Büchlein (72 Seiten, ISBN 978-3-95732-564-8, 14 Euro) kommt mit einem festen Einband daher und ist ein gutes Beispiel, dass auch im laufenden Verlagsbetrieb bibliophile Eleganz und Schönheit (wie auch im übrigen Programm des Verbrecher-Verlags) möglich sind.
(André Schinkel)